«der arbeitsmarkt» 09/2007

Kostspieliger Sesseltanz

Am 21. Oktober werden National- und Ständerat neu besetzt. Der Wahlkampf ist in vollem Gange und fordert von den Kandidierenden nebst Inhalten auch ein finanzielles Engagement. Wer gibt wie viel aus und wofür? «der arbeitsmarkt» hat bei Politikern nachgefragt, die mit intakten Chancen ein erstes Mal nach Bern wollen.

Die Medien berichten seit Wochen ausführlich darüber und die mit politischen Köpfen vollgeklebten Plakatwände erinnern uns unablässig daran: Am 21. Oktober ist Wahl- und Zahltag, dann bestellt das Schweizer Volk sein Parlament neu. Für die 200 Sitze im Nationalrat bewerben sich rund 3000 Kandidatinnen und Kandidaten. Ganz ohne Geld kommt dabei niemand aus, der nach Bern will. Am meisten investieren jene Neukandidierenden, die mit intakten Wahlchancen antreten, aber noch nicht allzu bekannt sind.
So zum Beispiel Barbara Schmid-Federer aus Männedorf ZH. Sie will für die Zürcher CVP in den Nationalrat und hat bereits im Frühling Plakate mit ihrem Bild und dem Slogan «Barbara is Bundeshus» aufhängen lassen. Diese haben ihre Wirkung nicht verfehlt: «Dank der Präsenz wurde die ‹SonntagsZeitung› auf meine Kandidatur aufmerksam», freut sich die 41-Jährige. Das ist aber noch nicht alles. Barbara Schmid schaltet auch Inserate, verschickt Briefe und Postkarten und lässt sich im Bereich Kommunikation professionell unterstützen. Dazu pflegt sie ihren Internet-Auftritt, schreibt Leserbriefe, gibt Interviews und absolviert diverse Auftritte an Veranstaltungen.

300000 Franken pro Mandat

«Es heisst, ein neuer Sitz im Kanton Zürich koste 100000 Franken», sagt Schmid und relativiert sogleich: «Ich hoffe nicht, dass ich so viel ausgeben muss.» Vor vier Jahren soll dem Freisinnigen Ruedi Noser seine Wahl
in den Nationalrat eine Viertelmillion wert gewesen sein. Und in den Achtzigerjahren gab es sogar Politiker, die bis zu 600000 Franken in ihren Wahlkampf steckten. In diesen Dimensionen wird sich auch die bevorstehende Zürcher Ständeratswahl bewegen, bei der sich sämtliche Parteien mit starken Kandidierenden um die beiden freien Plätze streiten.
Auch wenn in kleineren Kantonen deutlich weniger Geld im Spiel ist, so kommt gesamtschweizerisch doch schnell eine stattliche Summe zusammen, die in den Wahlkampf fliesst. Genaue Zahlen lassen sich nicht ermitteln. Nach verschiedenen Schätzungen wurden für die eidgenössischen Wahlen 2003 zwischen 50 und 100 Millionen Franken ausgegeben. Nimmt man einen mittleren Wert an, entspricht dies rund 25000 Franken pro Kandidat oder Kandidatin respektive bis 300000 Franken pro effektives Mandat.
Eine Umfrage des «arbeitsmarkts» bei neu für den Nationalrat Kandidierenden aus der ganzen Schweiz ergibt grosse Unterschiede bezüglich der individuellen Wahlkampfbudgets. Esther Egger, Vizepräsidentin der CVP Aargau, die gleichzeitig für den Ständerat kandidiert, rechnet mit Ausgaben von 100000 bis 120000 Franken. Der Berner Freisinnige Johannes Matyassy geht von rund 55000 Franken aus, die ihn sein Wahlkampf
kostet. Gleich viel hat Edgar Schorderet zur Verfügung, der für die CVP Fribourg in den Nationalrat möchte.
In ganz anderen Dimensionen bewegt sich Ruedi Lais, Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Zürcher Kantonsrat. Der Nationalratskandidat hat für den Wahlkampf nur gerade seine Homepage erneuert. «Dies ist meine fünfzehnte Kandidatur für ein öffentliches Amt und ich habe noch nie Geld dafür ausgegeben», betont er. Auch der Basler SP-Grossrat Beat Jans läuft diesbezüglich auf Sparflamme. Für 350 Franken hat er einen Internet-Kurs besucht, ansonsten bezahlt die Kantonalpartei den Wahlkampf. Die SP Basel-Stadt verbietet es ihren Kandidierenden gar, einen eigenständigen Wahlkampf zu betreiben.
Der Journalist und PR-Berater Mark Balsiger hat zusammen mit dem Politikwissenschaftler Hubert Roth fast 1500 Politikerinnen und Politiker befragt, die 2003 für den Nationalrat kandidierten. Die Ergebnisse liegen im Anfang dieses Jahres veröffentlichten Buch «Wahlkampf in der Schweiz» vor, das sich
als Handbuch für Kandidierende versteht. Darin werden auch die entscheidenden Elemente für den Wahlerfolg untersucht.
So haben die Autoren herausgefunden, dass 30 Prozent der befragten Kandidatinnen und Kandidaten mit weniger als 500 Franken auskommen müssen. Hier sind allerdings auch all jene mitgerechnet, die sich auf hinteren Listenplätzen keinerlei Chancen auf einen Sitz ausrechnen dürfen und darum auch keinen Wahlkampf betreiben. Immerhin ein Viertel weist ein Budget von über 10000 Franken auf und ein Prozent der Politiker gibt gar mehr als 100000 Franken aus. Balsiger und Roth kommen zum Schluss, dass die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel von allen untersuchten Faktoren den grössten Einfluss auf den Wahlerfolg haben. Woraus sich aber ausdrücklich nicht schliessen lasse, dass man mit genügend Geld ein Mandat kaufen könne. «Das wird immer wieder erzählt, ist aber nachweislich falsch», wie Mark Balsiger betont.
Die persönlichen Finanzmittel der Kandidierenden speisen sich in der Regel aus privaten Geldern sowie Spenden. Während Doris Fiala (FDP/ZH) ausschliesslich auf Zuwendungen aus ihrem Umfeld setzt («Ich gebe für meinen Wahlkampf das aus, was ich von Gönnern und Freunden einnehme»), kommen andere Kandidaten ganz ohne Spenden aus und bezahlen alles aus der eigenen Tasche – so etwa Barbara Hayoz, die freisinnige Finanzdirektorin der Stadt Bern. Die meisten setzen auf beide Quellen. In der Schweiz unterliegen Wahlkampfspenden keinen gesetzlichen Einschränkungen. Sie gelten als Schenkungen, die im Rahmen
der jeweiligen Regelungen von den Steuern absetzbar sind.

Bettelbriefe, Unterstützungskomitees und Wahlkampfstäbe

Ein beliebtes und oft praktiziertes Mittel im Wahlkampf sind sogenannte Bettelbriefe. Susanne Hochuli, Spitzenkandidatin der Grünen Aargau, hat 700 Schreiben verschickt und darauf Spendenzusagen von 6300 Franken erhalten. Auch Natalie Rickli, auf der Zürcher SVP-Liste an aussichtsreicher zweiter Position nominiert, arbeitet mit dieser Methode und will dabei eine Summe von 20000 Franken generieren.
Neben der rein finanziellen Unterstützung aus dem privaten, beruflichen und politischen Umfeld verfügen die Kandidierenden teils auch über ein Komitee, das im Wahlkampf mit ihren Namen Werbung macht. Balsiger und Roth beziffern den Anteil allerdings auf weniger als einen Fünftel, und gerade mal drei Prozent aller Nationalratsanwärterinnen und -anwärter können auf hundert oder mehr Supporter zählen. Wer noch professioneller vorgehen will, stellt einen Wahlkampfstab zusammen, der einen Grossteil der anfallenden Arbeiten übernimmt. Insgesamt 13 Prozent aller Kandidierenden arbeiteten 2003 mit Marketing- oder Werbeprofis zusammen. Auch hier ist wiederum zu bedenken, dass sich nur jene solche Unterstützung leisten, die auch Aussichten auf eine erfolgreiche Wahl haben. Im Vorteil ist auf jeden Fall, wer wie PR-Fachfrau Doris Fiala auf die Dienste eines Kollegen zählen kann, der die Inserate gestaltet.
Einen beträchtlichen Teil des Wahlkampfes der Kandidierenden bestreitet die jeweilige Partei, wobei die Palette auch hier von namhaften Geldbeträgen bis zu mehrheitlich logistischer Hilfe reicht. Die Generalsekretariate in Bern sind derzeit vorwiegend mit den Wahlen beschäftigt und stellen teilweise gar zusätzliches Personal ein, um die Aufgaben zu bewältigen. CVP-Generalsekretär Reto Nause schätzt, dass seine Partei auf Stufe Bund rund 250 Stellenprozente ausschliesslich für Wahlaufgaben einsetzt. Daneben arbeiten vorab in den Kantonen und Bezirken viele Freiwillige mit.

Kampf um die Aufmerksamkeit der Kameras

Sämtliche Bundesratsparteien wollen für den Wahlkampf auf nationaler Ebene zwischen einer und eineinhalb Millionen Franken aufwenden. Die Grünen Schweiz müssen sich mit bescheidenen 40000 Franken begnügen, wie die stellvertretende Generalsekretärin Miriam Behrens verrät. «In den Kantonen ist aber teils viel mehr Geld vorhanden», weiss sie. Nimmt man alle Sektionen zusammen, kommt man auch bei den Grünen auf einen Millionenbetrag.
In der Regel unterstützen die Kantonalparteien nicht einzelne Kandidaturen, sondern die Listen als Ganzes oder ein aussichtsreiches Spitzenteam. So dürfen beispiels-weise die Zürcher EVP-Zugpferde Gerhard Fischer und Peter Reinhard auf Parteikosten von einem Plakat lächeln. Andere Kandidierende wie Barbara Schmid (CVP/ZH) oder Nadine Masshardt (SP/BE) kommen in den Genuss von Bildungsangeboten und Schulungen. Laut Balsiger und Roth absolvieren 18 Prozent aller Kandidierenden ein Medientraining. Die Jungfreisinnigen haben eine Liste mit «Top Shots» veröffentlicht, die den Kandidierenden wie Lena Schneller (FDP/ZH) oder Ronnie Ambauen (FDP/SG) eine Summe im vierstelligen Bereich einbringt.
Ein Teil der Politikerinnen und Politiker kann über die Partei hinaus auf die Unterstützung von Verbänden oder Organisationen zählen. Von den angefragten Neukandidierenden weiss etwa der Freiburger Christdemokrat Edgar Schorderet als Zentralpräsident des TCS einen grossen Verband hinter sich. Doris Fiala (FDP/ZH) weist indes explizit darauf hin, dass sie unabhängig bleiben möchte und daher von dieser Seite höchstens Know-how bezieht. Daniel Jositsch (SP/ZH) und Peter Reinhard (EVP/ZH) werden von einigen Organisationen mittels Inseraten empfohlen. Ein Spezialfall ist Josef Jenni, der für die Berner EVP neu in den Nationalrat möchte. Der Solarpionier kombiniert den Wahlkampf mit Werbung für seine Energietechnikfirma und kann bei der Herstellung von Plakaten und Flyern auf diese Weise Synergien nutzen.
Mark Balsiger und Hubert Roth haben auch die Präferenzen der Kandidatinnen und Kandidaten bezüglich der eingesetzten Werbemittel untersucht. An der Spitze der Rangliste stehen demnach Auftritte an Veranstaltungen, wie sie auch zahlreiche Politiker in unserer Befragung nennen. Angestrebt wird ganz generell Medienpräsenz, um die Bekanntheit zu steigern – idealerweise in Form von TV-Auftritten. Politische Werbung im Fernsehen und am Radio ist in der Schweiz verboten, weshalb die Präsenz in den normalen Sendegefässen wichtig ist. Ähnliches gilt für die Presse: Wer im redaktionellen Teil einer Zeitung vorkommt, erhält Aufmerksamkeit und spart erst noch das Geld für teure Inserate.

Die Schweiz ist ein eigentliches Plakatland

Trotzdem wollen vor allem Kandidierende mit einem etwas grösseren Budget nicht auf die Möglichkeit verzichten, in Zeitungen und Zeitschriften zu inserieren. So setzen Edgar Schorderet (CVP/FR), Daniel Jositsch (SP/ZH), Barbara Schmid (CVP/ZH), Doris Fiala (FDP/ZH) und Esther Egger (CVP/AG) relativ stark auf Werbung in Printmedien. Demgegenüber verzichtet Lena Schneller (FDP/ZH) auf Inserate, «da diese sehr teuer sind und nur wirken, wenn man mehrmals in einer Zeitung inserieren kann». Balsiger und Roth attestieren den Inseraten insgesamt eine relativ gute Wirksamkeit. Sie folgen diesbezüglich gleich hinter Podien und Referaten sowie Medienauftritten.
Als bewährte Wahlkampfklassiker gelten nach wie vor die grossen Plakate. Die Marktführerin APG Affichage verkauft 75 Prozent der Flächen in der Schweiz und hat dementsprechend viel Erfahrung mit politischer Plakatwerbung. Während bereits seit dem Frühling einzelne Plakatwände mit Werbung für Parteien belegt sind, strahlen uns spätestens sechs bis acht Wochen vor dem Wahltag die zu wählenden Gesichter entgegen, wie APG-PR-Leiter Othmar Casutt weiss. «Sobald die Wahlunterlagen an die Stimmbürger verschickt sind, muss heute auch die grösste Werbeoffensive stattfinden.» Das wäre dann etwa drei bis vier Wochen vor dem Stichtag. Laut Mark Balsiger kommen Plakatkampagnen gut an, sie gelten als sympathisch: «Die Schweiz ist ein eigentliches Plakatland.» Und das Gesamtvolumen dieser Art von Werbung nimmt in unserem Land stetig zu.
Die Plakatierung politischer Werbung unterliegt einigen Richtlinien. In der Stadt Zürich beispielsweise erhält jede für die Wahl gemeldete Liste ein bestimmtes Kontingent an Plakatstellen zugeteilt. Dies ist vertraglich so geregelt und als eine Art Chancengleichheit und Service public zu betrachten. Während der heissen Phase haben Wahlplakate gegenüber der übrigen Werbung Vorrang. Je nach Verfügbarkeit sind die
Parteien frei, über den kontingentierten Rahmen hinaus weitere Flächen zu kaufen. Insgesamt verfügt Zürich über 2100 Plakatstellen, die während des Wahlkampfes laut Casutt zu 30 bis 40 Prozent mit politischer Werbung zugeklebt sind.
Neben den Plakaten haben im Wahlkampf auch kleinere Drucksachen wie Flyer, Postkarten, Broschüren oder Wahlzeitungen ihren festen Platz. Besonders den Postkarten wird in entsprechenden Analysen eine sehr gute Wirksamkeit bescheinigt. Flyer und Broschüren werden – mit relativ grossem Streuverlust allerdings – auf der Strasse an Passanten verteilt oder als Postwurfsendung verschickt. Im Idealfall lässt man diese
Materialien den offiziellen Wahlunterlagen beilegen.

Wahlen werden (noch) nicht im Internet gewonnen

Grundsätzlich gilt: Wer wenig Geld zur Verfügung hat, muss sich etwas einfallen lassen und sein persönliches Engagement steigern. CVP-Generalsekretär und Nationalratskandidat Reto Nause spricht von «Guerilla-Taktiken», die er auf Grund der knappen Mittel anwenden müsse. Darunter versteht er Internet-Aktionen oder Leserbriefe, aber auch den klassischen Strassenwahlkampf, wie er besonders in der heissen Schlussphase vor dem Urnengang zu beobachten ist. Hier kommen häufig so genannte Give-aways zum Einsatz, also kleine Werbepräsente wie die legendären orangen Zahnbürsteli der CVP vor vier Jahren. Im aktuellen Wahlkampf hat nach eigenen Angaben rund ein Viertel unserer befragten Kandidierenden solche Geschenke vorgesehen. Klassiker sind Kugelschreiber und Feuerzeuge, wie sie Christian Wasserfallen (FDP/BE) plant, aber auch Jasskarten wie im Fall von Natalie Rickli (SVP/ZH). Wichtig ist laut Balsiger und Roth aber, dass man mit den potenziellen Wählern nicht nur flüchtige Begegnungen auf der Strasse hat, sondern möglichst persönliche Gespräche mit ihnen führt.
Ein weniger beachtetes aber sehr effektives Mittel sind Wahlempfehlungsschreiben im persönlichen Umfeld. Kaum von Bedeutung sind hingegen Hausbesuche, wie sie etwa in den USA gern praktiziert werden. Und auch das Telefonmarketing hat sich in der Schweiz bisher nicht durchgesetzt. Immer wichtiger wird indes der eigene Internet-Auftritt. Vor vier Jahren hatten 30 Prozent aller Kandidierenden eine eigene Website, heute sind es deutlich mehr. Auf die Wahlen hin hat Kommunikationsfachmann René Zeyer von der gleichnamigen Agentur die Anstrengungen der Bundesratsparteien diesbezüglich untersucht. Während CVP, SP und FDP gerade mal mittelmässige Noten erhalten, kommt in seiner Analyse die SVP klar am besten weg. Die Volkspartei hat eine spezielle Wahlplattform eingerichtet mit Videoauftritt von Präsident Ueli Maurer,
Diskussionsforum und Live-Bildern aus dem Ziegenstall von Maskottchen Zottel.
Verantwortlich für diesen Auftritt ist die Firma INM in Wetzikon. Geschäftsführer Philipp Sauber erklärt das Prinzip: «Mit den vielen teils interaktiven Elementen können besonders Neuwähler angesprochen werden.» Noch werde das Potenzial des Internets längst nicht ausgeschöpft. «Die Politik nutzt das Web bisher nur beschränkt», gibt Sauber zu bedenken. Auch Patrick Kappeler, Geschäftsführer von imotions film & media in Bern, ist dieser Ansicht: «Viele sehen das Potenzial noch nicht. Die heutigen Websites der Parteien sind mehrheitlich Alibi-übungen.»
Während mit der Gestaltung von professionellen Internet-Auftritten zahlreiche Agenturen ihr Geld verdienen, gibt es auch einfachere und billigere Methoden, übers Netz Wahlkampf zu machen – etwa mittels Blogs. Diese Internet-Tagebücher erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit und sind auch für Anfänger gut zu bedienen. Mit Blogs lässt sich das Zielpublikum schnell und direkt ansprechen, ohne Umweg über die eigentlichen Medien. Der Erfolg der Blogs hängt aber neben den Inhalten auch davon ab, ob und wie Zeitungen und TV darüber berichten und wie stark sie verlinkt sind. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist Nationalratskandidat Reto Gamma (SP/BE). «Das ist eine neue Art, mit den Wählerinnen und Wählern in Kontakt zu treten», begründet der frühere Generalsekretär der SP Schweiz sein Vorgehen.
Im Gegensatz zum bereits recht weit verbreiteten schriftlichen Blog haben sich die so genannten Vlogs, respektive Videoblogs, in der Schweiz noch gar nicht durchgesetzt. Ein Grund dafür ist auch, dass Wahlen in der Schweiz – so Balsiger und Roth – (noch) nicht im Netz gewonnen werden. Dass nicht alle Kandidierenden derart stark aufs Internet setzen, erklärt Patrick Kappeler mit der fehlenden Risikobereitschaft. «Die Politiker geben lieber 100000 Franken für eine teure Plakatkampagne aus.»
Ein neueres Phänomen im Online-Wahlkampf sind spezielle Features auf der Homepage, wie etwa Video-Streams. Die imotions film & media hat sich neben klassischer PR-Beratung auf die Produktion solcher Angebote spezialisiert. Ab 7000 Franken ist beispielsweise ein Imagefilm zu haben. Auch ein eigentliches Web-TV lässt sich einrichten, bei dem der Inhaber der Website selber Videos aufnehmen und hochladen kann. Im grossen Stil macht dies bisher erst der Berner SVP-Kandidat Thomas Fuchs, der mit seinem Kleinkrieg gegen die Schweizer Rap-Szene seit Monaten für Aufsehen sorgt. Publizität ist ihm damit gewiss. «Solche Methoden sorgen für Präsenz auch in den klassischen Medien», weiss Kappeler.
Dass nicht nur die Kandidatinnen und Kandidaten, sondern auch ihre Agenturen und die Branche ganz allgemein vom zu erwartenden Boom in diesem Bereich profitieren wollen, geben Kappeler und Sauber gerne zu. «Ja, solche Aufträge sind ein gutes Geschäft für uns», heisst es bei INM. Ein Blick auf den amerikanischen Präsidentschafts-wahlkampf zeigt, dass dort das Internet längst eine Hauptrolle spielt und riesige Summen von Geld in diese Technologien investiert werden. «In der Schweiz läuft die politische Kommunikation noch nicht übers Internet», erklärt Mark Balsiger. «Aber vor allem die jüngeren Politiker und Wähler sind mit diesem Medium sehr gut vertraut.» Es sei daher anzunehmen, dass der nächste Wahlkampf vermehrt online geführt werde.
Wie auch immer geworben wird, es bleibt die Frage, ob sich die Investitionen überhaupt gelohnt haben. Mark Balsiger und Hubert Roth kommen in ihrem Buch zur Erkenntnis, dass das Geld im Wahlkampf oft planlos ausgegeben wird. «Es wird überall ein wenig mitgemischt, statt Schwerpunkte zu setzen», so Balsiger. Vielmehr sollten sich die Kandidierenden rechtzeitig überlegen, wie sie ihr spezifisches Publikum gezielt ansprechen können. Und ihre Mittel dann konzentriert einsetzen.
Recht hat letztlich, wer gewählt wird. In diesem Fall spielt keine Rolle mehr, wie und mit wie viel Geld der Wahlkampf geführt worden ist. Und jene, die leer ausgehen, haben anschliessend vier Jahre lang Zeit, sich über die verlorenen Investitionen zu ärgern – oder eine bessere Strategie auszudenken.

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