«der arbeitsmarkt» 01/2006

Kommunizieren statt herumschreien

Die Scharmützel mit dem Abwart gehören zur Schule wie das Zeugnis oder der Klassenfez. An der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern soll ein Kommunikationstraining dem Klischee vom bärbeissigen Nörgler den Garaus machen.

Der Abwart von früher putzte das Schulhaus, mähte den Fussballplatz, den die Schüler nie bespielen durften, zog aufmüpfige Kinder an den Ohren oder verpetzte sie beim Rektor. Heute ist der Abwart ein Hauswart oder eine Hauswartin. «Der Hauswart ist ein Generalmanager: Das heisst, er ist Reinigungsprofi, Gärtner, Elektriker, Sanitärinstallateur, Schreiner, Maler, Buchhalter, Psychologe und so weiter», steht im Berufsprofil auf der Homepage des Berufsverbands ausgebildeter Hauswarte (BVAH). Als Reinigungsprofi und Maler will er Böden und Wände sauber und als Gärtner den Garten schön ordentlich halten. Seine Interessen muss er gegen jugendlichen Un- und Übermut genauso verteidigen wie gegen die Bedürfnisse der Lehrer, die ihn als «Mädchen für alles» gern pausenlos zu ihrer Verfügung hätten. So wirkt der Hauswart als Scharnier zwischen den Benutzergruppen der von ihm gewarteten Gebäude – und fällt dabei oft zwischen Tisch und Bank.

Kommunikationstraining für technische Fachkräfte

Willy Obrist, Kursleiter und Mitglied der Schulleitung der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern (GIBB), drückt es so aus: «Der Hauswart hat eine wichtige Funktion, und trotzdem dreht sich alles nur um Schüler und Lehrer.» Zudem seien die Anforderungen im Umgang mit Jugendlichen in den letzten Jahren gestiegen: «Die Jungen sind heute kritischer und haben weniger Respekt vor Autoritäten. Sie lassen sich nicht einfach irgendwas sagen, sondern wollen gute Argumente hören.»
Ein Hauswart braucht also ein gerüttelt Mass an kommunikativem Geschick. Doch wo erwirbt er diese Fähigkeit? Die GIBB, mit 7000 Schülern die grösste Berufsschule der Schweiz, stellte im Dialog mit ihren zehn Hauswarten fest, dass diesbezüglich ein Bedürfnis bestand, und organisierte eine entsprechende Weiterbildung. «Die Hauswarte sind gut ausgebildete Fachleute, die im technischen Bereich viel Ahnung haben. Wir wollten ihnen helfen, einen guten Umgang mit den Leuten zu schaffen, so dass sie auch als gute Hauswarte wahrgenommen werden», erklärt Willy Obrist. Das Kommunikationstraining trug den Namen «Reden beim Putzen». Unter dem Motto «Von der Praxis in die Praxis» übten sich zwei Frauen und acht Männer an vier Nachmittagen in lösungsorientierten Rollenspielen. Neben der Reflexion der eigenen Rolle und dem Umgang mit Schülern und Lehrern war auch das Führen von Angestellten ein Thema. Die Kursteilnehmer trainierten Konfliktlösung, Besprechungen, Auftragsvergabe, Teamarbeit und Feedback, setzten das Gelernte in der Praxis um und berichteten am nächsten Kurstag von ihren Erfahrungen.
Diese waren durchwegs positiv. Werner Bürki, Hauswart im GIBB-Hauptgebäude an der Lorrainestrasse, betont die Wichtigkeit der Weiterbildung und stellt den Kursleitern ein gutes Zeugnis aus: «Es war mir ein Anliegen, das Spektrum zu erweitern und die haben das auch gut rübergebracht.» Heute erinnert er sich in entsprechenden Situationen sofort an den Kurs. «Ich arbeite nicht anders, aber überlegter», sagt er. «Wie sag ich es meinem Kinde?», komme ihm jeweils in den Sinn. Er arbeite seit bald 25 Jahren in dem Beruf und habe schon vorher ein gutes Verhältnis zu den Schülern gehabt. Heute versuche er jedoch, etwas freundlicher zu den Leuten zu sein. Auch sein Team führe er jetzt bewusster.

Gutes Feedback für gewachsenes Selbstvertrauen

Therese Akçasajar, verantwortlich für das Schulhaus der Gewerbe-, Dienstleistungs- und Laborberufe an der Seftigenstrasse in Bern, ist auch heute noch begeistert vom Kommunikationstraining. Sie lag damals krankgeschrieben im Spital und habe jeweils Himmel und Hölle in Gang gesetzt, um am Kurs teilnehmen zu können. Das Gelernte sei heute bereits alltäglich und fliesse unbewusst ein. «Vorher ging es auch, aber es hat sich einiges verbessert, vor allem die Kommunikation mit den Lehrern», sagt sie rückblickend. Früher sei sie Konfrontationen aus dem Weg gegangen, heute könne sie sich mit ihren Anliegen durchsetzen. «Im Kurs wurde rübergebracht, dass man auch bei unsympathischen Menschen erst mal dahinterschauen, sich in die Person reinversetzen muss und dann realisieren kann, dass die etwas vielleicht nicht aus purer Bösartigkeit tut.» Das habe dazu geführt, dass sie gerade von den Schülern anders wahrgenommen werde. «Ich würde mich in diesem Bereich gern noch weiterbilden», wünscht sie sich.
Willy Obrist glaubt nicht, dass «seine» Hauswarte durch den Kurs andere Menschen geworden seien, aber wenn das nötig gewesen wäre, hätte ja vorher etwas im Argen gelegen. Mit dem Training und dem erhaltenen Feedback ist er vollauf zufrieden: «Wir konnten das Selbstbewusstsein unserer Hauswarte stärken und sie fühlen sich ernst genommen», bilanziert er. Dass das Kommunikationstraining einen der Weiterbildungspreise des Lernfestivals’05 gewann, hat ihn dennoch überrascht. «Wahrscheinlich bekamen wir den Preis, weil wir Weiterbildung für Berufsleute organisiert haben, denen sonst kaum solche Angebote gemacht werden», mutmasst er. Die Auszeichnung zeigte Wirkung: Die GIBB erhält immer noch Anfragen von Gemeinden, Liegenschaftsverwaltungen und Institutionen, die ihre Hauswarte gern in ein Kommunikationstraining schicken würden. «Zurzeit arbeiten wir einen dritten Ausbilder ein und stellen das Programm für das nächste Jahr zusammen», erläutert Obrist die Zukunftsabsichten. «Wir werden auf jeden Fall weitere Kurse anbieten.» Das Kommunikationstraining wird aber vorerst im Weiterbildungsprogramm bleiben. In der Ausbildung der Hauswarte nimmt das Thema weiterhin nur wenig Platz ein.

Gewerbeschulen haben den Anschluss verpasst

Laut Marcel Rieben, dem Präsidenten des Berufsverbands ausgebildeter Hauswarte (BVAH), ist Kommunikationsfähigkeit «in gewissem Sinn das A und O» im Alltag des Hauswarts. Die Schulung ist dem Berufsverband deshalb ein grosses Anliegen. «Man muss aber bedenken, dass der Aufwand bei 400 berufsbegleitenden Lektionen schon sehr gross ist», moniert er. In den Lehrgängen, die auf die Berufsprüfung «Hauswart mit eidgenössischem Fachausweis» vorbereiten, bleibt neben den technischen Fächern von Gebäudeunterhalt bis Gartenbau, neben Giftkunde und der Bildung in Betriebsführung und Administration kaum Zeit für Kommunikationstraining. Im Lehrplan der privaten Hauswartschulen Meyer finden sich immerhin zehn Lektionen «Zwischenmenschliches Verhalten». Die Gewerbeschulen hingegen haben gemäss Rieben den Anschluss verpasst. Deshalb arbeiten der BVAH und der Schweizerische Fachverband der Hauswarte (SFH) in einer Steuerungsgruppe gemeinsam mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) an der Integration der Kommunikationsschulung in die Ausbildung. Ein Pilotprojekt in interkultureller Kompetenz fand dieses Jahr an zwei Schulen in Luzern und Sion statt.
Dieses Ausbildungsmodul befasste sich mit der Rolle des Hauswarts sowie mit der Kommunikation und der Konfliktlösung im Umgang mit Menschen fremder Herkunft. Auch auf diese mehrtägigen Kurse seien die Reaktionen durchaus positiv ausgefallen. «Wir haben keinen Einfluss darauf, wie weit die staatlichen Gewerbeschulen das dann im Stundenplan haben werden», gibt Marcel Rieben zu bedenken, da allein das Prüfungsreglement massgebend und der Stundenplan Sache des Schulleiters sei.
Man darf gespannt sein, welche Abwartgeschichten sich die heutigen und künftigen Schüler dereinst erzählen werden.

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