«der arbeitsmarkt» 09/2006

Kaum in Fahrt und schon ausgebremst

Sie haben gerade die Lehre hinter sich, sie möchten loslegen. Aber nicht alle finden eine Stelle. Das vom seco geförderte halbjährige Berufspraktikum ALV mildert Härten und verbessert die Chancen.

Wir konsumieren so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr, wir kurbeln an der Wirtschaft, wir schaffen Arbeit. Es geht aufwärts, so lesen wir. Aber viele Junge fühlen sich von diesem Trend nicht mitgenommen. Jener wichtige Wechsel vom Stiftenlohn zum ersten richtigen «Zaster» und zu einem neuen Selbstwertgefühl klappt bei vielen nicht. In der Lehrfirma bleiben konnten sie nicht. Und täglich haben sie vergeblich die Stellenanzeiger und im Internet die Stellenportale abgegrast. Sie erfuhren: Wer sucht, der findet nicht. Die Bewerbungsunterlagen erhalten sie zurück mit netten Floskeln. Sie sind begierig darauf, Berufserfahrung zu sammeln. Aber gerade dass sie diese noch nicht haben, ist oft der Grund für eine Absage. Es ist so, als würde man von jemand verlangen, er müsse schwimmen können, lässt ihn aber nicht ins Wasser, wo er es beweisen könnte. Wenn der Alltag in dieser schwierigen Phase diesen jungen Menschen nicht Halt und Sinn und Hoffnung gibt, dann braut sich zusammen, was Politiker gerne n den Mund nehmen: «sozialpolitischer Sprengstoff». Man soll den Tag nicht vor em Herbst loben, wenn die Zahlen beweisen werden, wie es wirklich steht, doch die Sommerzeichen versprechen immerhin, dass die Situation um einiges besser ist als im Vorjahr – und weiterhin eine Katastrophe bleibt … Denn ein einziger junger Mann, er sein Gelerntes nicht schnell anwenden kann, eine einzige junge Frau, die nach der Lehrzeit keine Berufserfahrungen sammeln darf, ist einer und eine zu viel. Als Notlösung in dieser Phase gibt es seit wenigen Jahren das Berufspraktikum der Arbeitslosenversicherung. Diese Praktikumsplätze sollen enen helfen, die nach Lehrabschluss ohne Anstellung bleiben, eine Brücke zu schlagen.

Das Ziel nicht erreicht, aber ositive Wirkung erzielt

Sechs Monate in einer öffentlichen Verwaltung oder in einem Privatunternehmen sorgen dafür, dass der Berufsneuling zu einer weiteren Portion «Gewusst wie» und zu neuen Fertigkeiten kommt, also den Anschluss nicht verpasst. 2002 gab es schweizweit 800 solcher Berufspraktika der Arbeitslosenversicherung (ALV). Konzertierte Aktionen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) und des Verbandes Schweizerischer Arbeitsämter (VSAA) steigerten die Zahl auf 4000 im letzten Jahr. Etwa gleich viel werden es auch 2006 sein. «Es stimmt, dass wir letztes Jahr auf 6000 Plätze kommen wollten», bestätigt Markus Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim seco, Ressort Arbeitsmarktliche Massnahmen. «Das haben wir nicht erreicht, zugegeben, aber unser Aufruf war wichtig und trotzdem ein Treffer, er hat – im Sinne einer Langzeitwirkung – weite Kreise für die Problematik sensibilisiert.» Es habe Anrufe gegeben von sehr besorgten Arbeitgebern, die sich entschuldigten, weil sie nicht mitmachen würden, sie hätten aber gerade eine neue Lehrstelle geschaffen – vielleicht ächstes Jahr. Oft seien Praktikumsstellen n Feststellen umgewandelt worden, was dem Gesamtziel ja nur dienlich sei, aber on der Statistik nicht positiv ausgewiesen werde. «Sicher braucht es auch dieses Jahr wieder Praktikumsplätze», so Weber, «doch wir gehen davon aus, dass die Jungen gesamthaft betrachtet bessere Chancen haben.» Bei der neuen Konjunktursituation seien sie attraktive Arbeitnehmer: nicht nur jung und gut ausgebildet, sondern flexibel und auch weniger teuer.

Praktikumsplätze können urzfristig geschaffen werden

Von wegen Geld: Bei den sechsmonatigen erufspraktika könnten sie nur profitieren, erinnerte Jean-Luc Nordmann, Direktor für Arbeit im seco, im Mai in einer Botschaft die Unternehmen. «Sie erhalten qualifizierte Mitarbeitende, die Sie ohne Risiko testen können. Zudem trägt die Arbeitslosenversicherung bis zu 75 Prozent der Kosten in Form von Taggeldern, so dass für Sie geringe Kosten entstehen.» Diese Berufspraktika sind theoretisch in jedem Beruf möglich – auch praktisch. Grossbedarf scheint es bei den KV-Abgängern und -Abgängerinnen zu geben. Ende Juli waren noch 50 Prozent ohne Stelle. Wobei: Darunter waren auch jene, die noch gar nicht ernsthaft suchten, weil bei ihnen der gute Abschluss Vorrang hatte, oder auch jene, die einen Auslandaufenthalt oder die RS vor sich haben. Vier Fünftel jener, die bereits eine Stelle hatten, werden von ihrem Lehrbetrieb weiterbeschäftigt. Der Kaufmännische Verband würde es als ideal erachten, dass viele ein weiteres Jahr bei ihrem Lehrmeister bleiben könnten. Zwei Drittel der «Ausgelernten» würden dies auch gerne tun. Bei den rund 3000 Ausgebildeten im Gastgewerbe sind die Chancen auf eine Festanstellung sehr gut, auch bei den Handwerkern, etwa bei Schreinern oder Maurern und Gipsern, weniger rosig dagegen sieht es aus für Informatiker, Elektroniker oder Betriebspraktiker. Wer nun glaubt, einen Praktikumsplatz zu bekommen, sei wohl gleich schwer, wie eine Festanstellung zu finden, darf sich überraschen lassen. Dieser kann in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft werden, ganz ohne Amtsschimmel. Gemeinden und Firmen müssen lediglich ein einfaches Formular ausfüllen. Stellensuchenden ist es auch nicht verboten, clever zu sein: Sie überzeugen ihre Wunschfirma, ihnen ein Berufspraktikum einzurichten. Vielleicht bleiben sie nach einem halben Jahr als geschätzte Mitarbeitende dort hängen. Ziel erreicht. Auf jeden Fall sind sie um wertvolle Erfahrungen reicher.

Text und Foto Gallus Keel
Wir konsumieren so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr, wir kurbeln an der Wirtschaft, wir schaffen Arbeit. Es geht aufwärts, so lesen wir. Aber viele Junge fühlen sich von diesem Trend nicht mitgenommen. Jener wichtige Wechsel vom Stiftenlohn zum ersten richtigen «Zaster» und zu einem neuen Selbstwertgefühl klappt bei vielen nicht. In der Lehrfirma bleiben konnten sie nicht. Und täglich haben sie vergeblich die Stellenanzeiger und im Internet die Stellenportale abgegrast. Sie erfuhren: Wer sucht, der findet nicht. Die Bewerbungsunterlagen erhalten sie zurück mit netten Floskeln. Sie sind begierig darauf, Berufserfahrung zu sammeln. Aber gerade dass sie diese noch nicht haben, ist oft der Grund für eine Absage. Es ist so, als würde man von jemand verlangen, er müsse schwimmen können, lässt ihn aber nicht ins Wasser, wo er es beweisen könnte. Wenn der Alltag in dieser schwierigen Phase diesen jungen Menschen nicht Halt und Sinn und Hoffnung gibt, dann braut sich zusammen, was Politiker gerne
in den Mund nehmen: «sozialpolitischer Sprengstoff». Man soll den Tag nicht vor
dem Herbst loben, wenn die Zahlen beweisen werden, wie es wirklich steht, doch die Sommerzeichen versprechen immerhin, dass die Situation um einiges besser ist als im Vorjahr – und weiterhin eine Katastrophe bleibt … Denn ein einziger junger Mann,
der sein Gelerntes nicht schnell anwenden kann, eine einzige junge Frau, die nach der Lehrzeit keine Berufserfahrungen sammeln darf, ist einer und eine zu viel. Als Notlösung in dieser Phase gibt es seit wenigen Jahren das Berufspraktikum der Arbeitslosenversicherung. Diese Praktikumsplätze sollen
jenen helfen, die nach Lehrabschluss ohne Anstellung bleiben, eine Brücke zu schlagen.

Das Ziel nicht erreicht, aber ositive Wirkung erzielt

Sechs Monate in einer öffentlichen Verwaltung oder in einem Privatunternehmen sorgen dafür, dass der Berufsneuling zu einer weiteren Portion «Gewusst wie» und zu neuen Fertigkeiten kommt, also den Anschluss nicht verpasst. 2002 gab es schweizweit 800 solcher Berufspraktika der Arbeitslosenversicherung (ALV). Konzertierte Aktionen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) und des Verbandes Schweizerischer Arbeitsämter (VSAA) steigerten die Zahl auf 4000 im letzten Jahr. Etwa gleich viel werden es auch 2006 sein. «Es stimmt, dass wir letztes Jahr auf 6000 Plätze kommen wollten», bestätigt Markus Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim seco, Ressort Arbeitsmarktliche Massnahmen. «Das haben wir nicht erreicht, zugegeben, aber unser Aufruf war wichtig und trotzdem ein Treffer, er hat – im Sinne einer Langzeitwirkung – weite Kreise für die Problematik sensibilisiert.» Es habe Anrufe gegeben von sehr besorgten Arbeitgebern, die sich entschuldigten, weil sie nicht mitmachen würden, sie hätten aber gerade eine neue Lehrstelle geschaffen – vielleicht ächstes Jahr. Oft seien Praktikumsstellen n Feststellen umgewandelt worden, was dem Gesamtziel ja nur dienlich sei, aber on der Statistik nicht positiv ausgewiesen werde. «Sicher braucht es auch dieses Jahr wieder Praktikumsplätze», so Weber, «doch wir gehen davon aus, dass die Jungen gesamthaft betrachtet bessere Chancen haben.» Bei der neuen Konjunktursituation seien sie attraktive Arbeitnehmer: nicht nur jung und gut ausgebildet, sondern flexibel und auch weniger teuer.

Praktikumsplätze können kurzfristig geschaffen werden

Von wegen Geld: Bei den sechsmonatigen erufspraktika könnten sie nur profitieren, erinnerte Jean-Luc Nordmann, Direktor für Arbeit im seco, im Mai in einer Botschaft die Unternehmen. «Sie erhalten qualifizierte Mitarbeitende, die Sie ohne Risiko testen können. Zudem trägt die Arbeitslosenversicherung bis zu 75 Prozent der Kosten in Form von Taggeldern, so dass für Sie geringe Kosten entstehen.» Diese Berufspraktika sind theoretisch in jedem Beruf möglich – auch praktisch. Grossbedarf scheint es bei den KV-Abgängern und -Abgängerinnen zu geben. Ende Juli waren noch 50 Prozent ohne Stelle. Wobei: Darunter waren auch jene, die noch gar nicht ernsthaft suchten, weil bei ihnen der gute Abschluss Vorrang hatte, oder auch jene, die einen Auslandaufenthalt oder die RS vor sich haben. Vier Fünftel jener, die bereits eine Stelle hatten, werden von ihrem Lehrbetrieb weiterbeschäftigt. Der Kaufmännische Verband würde es als ideal erachten, dass viele ein weiteres Jahr bei ihrem Lehrmeister bleiben könnten. Zwei Drittel der «Ausgelernten» würden dies auch gerne tun. Bei den rund 3000 Ausgebildeten im Gastgewerbe sind die Chancen auf eine Festanstellung sehr gut, auch bei den Handwerkern, etwa bei Schreinern oder Maurern und Gipsern, weniger rosig dagegen sieht es aus für Informatiker, Elektroniker oder Betriebspraktiker. Wer nun glaubt, einen Praktikumsplatz zu bekommen, sei wohl gleich schwer, wie eine Festanstellung zu finden, darf sich überraschen lassen. Dieser kann in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft werden, ganz ohne Amtsschimmel. Gemeinden und Firmen müssen lediglich ein einfaches Formular ausfüllen. Stellensuchenden ist es auch nicht verboten, clever zu sein: Sie überzeugen ihre Wunschfirma, ihnen ein Berufspraktikum einzurichten. Vielleicht bleiben sie nach einem halben Jahr als geschätzte Mitarbeitende dort hängen. Ziel erreicht. Auf jeden Fall sind sie um wertvolle Erfahrungen reicher.

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