«der arbeitsmarkt» 02/2006

Invasion der Deutschen

Schweizer Professoren geraten zunehmend unter Druck. Immer mehr Deutsche lehren der besseren Verdienstmöglichkeiten und Sozialleistungen wegen in hiesigen Auditorien.

232 Schweizer stehen an der Universität Zürich 127 deutschen Professoren gegenüber. An der Basler Universität sind es 151 Schweizer und 95 deutsche Dozierende. Bei den Berufungen an die ETH Zürich erhielten im vergangenen Sommer zwei Schweizer und sechs Deutsche eine Professur. Neue deutsche Literatur lehren am Zürcher Germanistikseminar vier Deutsche und ein Schweizer, am Theologischen Seminar Zürich lautet das Verhältnis Schweizer – Deutsche gerade noch acht zu sechs.
Die Zahlen sind beeindruckend. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Anzahl der deutschen Professoren an den zwölf Schweizer Hochschulen von 289 auf 536 gestiegen. An Deutschschweizer Unis kommt heute jeder dritte Professor aus dem nördlichen Nachbarland. Attraktiv ist unser Land vor allem der Gehälter wegen. So verdient ein ordentlicher Professor an der Universität Zürich zwischen 148000 und 232000 Franken im Jahr. An deutschen Unis dagegen erhalten Professoren höchstens 95000 Franken plus Zulagen.

Neben dem Lohn spielt auch das Renommee eine Rolle

Generell ist gegen einen internationalen Austausch nichts einzuwenden. Er wird für ein breit abgestütztes Know-how sogar gefördert. An Schweizer Unis wird für die Stelle als Fakultäts- oder Institutsvorsteher Auslandserfahrung vorausgesetzt oder empfohlen. Die Stelle wird international ausgeschrieben – vor allem mit Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum. Sobald bei einem Interessenten die Professur bewilligt wird, entscheidet eine Berufungskommission über die endgültige Wahl.
Wird aber ein Deutscher einem vermeintlich gleichwertigen Schweizer vorgezogen, erhitzen sich die Gemüter. Der ehemalige Chefarzt der medizinischen Onkologie am Universitätsspital Zürich, Professor Christian Sauter, schlug Anfang 1998 den Schweizer Rolf Stahel als seinen Nachfolger vor. «Sowohl fachlich als auch in der Sozialkompetenz hätte Stahel bei der Berufungskommission erste Wahl sein müssen», erklärt Sauter gegenüber dem «arbeitsmarkt». Stattdessen wurde der deutsche Professor Alexander Knuth zum Chefarzt gewählt. Die Gründe für diesen Entscheid kennt Sauter, im Jahr 2003 Prix-Courage-Träger der Zeitschrift «Beobachter», nicht. Er ist aber der Meinung, dass Berufungskommissionen an Schweizer Universitäten besser zusammengesetzt werden müssten: «Diese Kommission setzt sich aus dem Dekan und Mitgliedern des Universitätsrats zusammen. Der Fakultätsvorsteher hat lediglich eine Rolle als Vermittler. Die betroffene
Fakultät hat somit sehr wenig Einfluss auf deren Vorsteher.»

Die Schweiz hat die akademische Nachwuchsförderung verschlafen

Von derlei Kritik will Petra Seeburger von der Abteilung Kommunikation des Unispitals nichts wissen. Das Aufnahmeprozedere und die davon abhängigen Bedingungen seien international verbindlich und zulässig. Seeburger stellt fest, dass früher bei der Nachwuchsarbeit im akademischen Mittelbau zu wenig getan wurde: «Die Betreuung und Förderung von Assistierenden und Doktorierenden wurden vor ein paar Jahren in der Schweiz eher vernachlässigt. Mittlerweile hat man das Problem erkannt und reagiert. Bis mehr Schweizer Professuranwärter auf den Markt drängen, braucht es allerdings seine Zeit.»
Im Umfeld von Universitäten und Hochschulen wird gelegentlich von cleverem deutschem Networking gesprochen. Aber belegen lässt sich das nicht. Wolfgang Mathias, Mediensprecher der Universität Köln, spricht von gemässigtem Networking, wie das auch in der Privatwirtschaft üblich sei. Seiner Meinung nach finden Schweizer Unis und Hochschulen in Deutschland vor allem des guten Renommees wegen Anklang: «Im internationalen Ranking findet man deutsche Unis höchstens im Mittelfeld. Aber die zürcherische ETH beispielsweise hat Weltruf. Für manche Deutsche bedeutet es eine Menge, an einer renommierten Hochschule oder Uni arbeiten zu können.»
Für Mathias ist nebst den besseren Verdienstmöglichkeiten auch die gemeinsame Lehrsprache ein Argument. Das könnte auch umgekehrt den Wettbewerb beleben. Schweizer Professoren in Deutschland findet man allerdings selten. Mathias weiss neben Briten, Amerikanern und Österreichern gerade mal von einem Schweizer Professor an der Universität Köln.
Achim Conzelmann ist seit 1. Oktober letzten Jahres in Bern angestellt. Der Sportwissenschafter fühlt sich sehr wohl in der Schweiz: «Ich war schon in der Ostschweiz im Urlaub, als ich noch in Deutschland weilte. Ich liebe die Schweiz!» Auch zwischenmenschlich hat der in der Nähe von Tübingen aufgewachsene Conzelmann nichts auszusetzen: «Sowohl deutsche als auch Schweizer Kollegen behandeln mich ausnahmslos respektvoll. Das habe ich übrigens schon beim Vorstellungsgespräch in Bern festgestellt.» Conzelmann hat sich auch an seiner Heimat-Uni in Tübingen beworben. Dort habe das Vorstellungsgespräch anderthalb Stunden gedauert und die Uni-Leitung sei schlecht vorbereitet gewesen. An der Uni Bern gab man ihm das Gefühl, dass er gebraucht werde: «Das Gespräch in der Schweiz verlief mehr als doppelt so lang, und die Leitung machte einen äusserst seriösen und freundlichen Eindruck.»

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