«der arbeitsmarkt» 08/2005

Hochsaison für Gartenbeizen mit Herz

In der heissen Jahreszeit sind Lokale mit Terrassen oder Gärten heiss begehrt. Das erfahren die Betreiber von Gaststätten, die auf sozialem Engagement begründet sind. «der arbeitsmarkt» hat degustiert.

Endlich sind die heissen Tage da, und auf den Terrassen, in den Gärten oder auf den Vorplätzen der Restaurants herrscht reger Betrieb. Schliesslich gibt es fast nichts Angenehmeres, als einen Imbiss oder einen Apéro im Freien zu geniessen.
Das gilt nicht nur für jene Restaurants, die nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft funktionieren. An der frischen Luft sitzt man derzeit auch in vielen Gaststätten, für die das soziale Engagement eine wichtige Rolle spielt. In vielen Schweizer Städten werden vom Ergänzenden Arbeitsmarkt (EAM) oder von unabhängigen Vereinen und Genossenschaften Gastrobetriebe geführt. Arbeitslosen wird eine vorübergehende Beschäftigung geboten, Fürsorgeempfängern die Arbeitsintegration ermöglicht und IV-Bezüger finden in der Gastronomie einen Beschäftigungsrahmen, der es ihnen erlaubt, trotz ihrer körperlichen oder geistigen Einschränkungen zu arbeiten. So können sie sich ins alltägliche Leben integrieren und Selbstvertrauen gewinnen. Ziel all dieser
Gastroprojekte ist es, den Mitarbeitenden eine dauerhafte berufliche und soziale Integration zu ermöglichen.

Geregelter Tagesablauf stärkt das Selbstbewusstsein

Mittagszeit am Byfangweg in Basel. Die Terrasse des Ristorante Borromeo füllt sich mit Leuten, die hier ein preiswertes Mittagsmenü zu sich nehmen. Für zwölf oder vierzehn Franken kann ein täglich frisch zubereitetes Menü mit Salat und Suppe gegessen werden. Der Name «Borromeo» kommt daher, dass die Räumlichkeiten von OVERALL innerhalb der Gebäude der Jesuitengemeinde Borromäum zu finden sind. Die Genossenschaft OVERALL wurde 1976 gegründet. Ursprünglich wurde vorwiegend Arbeit im Baubereich angeboten. Heute reicht das Angebot vom House Keeping über einen Secondhandladen bis hin zur Gastronomie. Realisiert werden Trainingsprogramme und Integrationsmassnahmen für Menschen, die auf Stellensuche sind.
Freundlich empfängt Heinz-Thomas Grolimund die Gäste an der Kasse: «Ich arbeite gerne hier, es macht mir Spass, und an der Kasse kann man mehr Verantwortung übernehmen.» Hier wird bestellt, danach werden die Speisen an den Tisch gebracht. Ravi Poopalapillai ist einer der Kellner, die täglich bis zu 120 Personen bedienen. Er serviert seit knapp zwei Jahren im «Borromeo» und ist zuversichtlich, bald eine passende Stelle im ersten Arbeitsmarkt zu finden.
Um der Hitze des Sommers entgegenzuwirken, eröffnete das Ristorante Borromeo Ende Juni einen Glacegarten mit Sonnenschirmen und Liegestühlen. Bis 17.00 Uhr können hier Glaces, Getränke und die Sonne genossen werden.
In Baden ist das Café und Restaurant Roter Turm mitten in der Altstadt zu finden. Vor dem Restaurant stehen einige Tischchen bereit, grösser ist das Sitzangebot auf dem Kirchenplatz auf der hinteren Seite des «Roten Turms». An sehr heissen Nachmittagen sind kaum Tische auf dem Vorplatz des Restaurants besetzt. Erst wenn es gegen Abend kühler wird, kommen die Leute.
Im «Roten Turm» arbeiten 20 IV-Bezüger mit psychischen Problemen. Sandra Wirt serviert seit zwei Jahren und schätzt an ihrer Arbeit vor allem den Kontakt mit den Gästen, aber auch mit ihren Mitarbeitenden. «Manchmal herrscht ein ziemlich grosser Druck für einen quasigeschützten Arbeitsplatz, man muss wirklich präsent sein. Aber das Wichtigste ist, dass ich hier arbeiten kann und einen geregelten Tagesablauf habe. Wenn man nur zuhause sitzt, geht es einem auf die Dauer schlecht.» Mit ihrer Tätigkeit im Restaurant Roter Turm hat sie an Selbstbewusstsein gewonnen. Sie freut sich auf jeden Gast.

Limmat oder Pavillon – Charme ist garantiert

Ein etwas anderes Gastronomieerlebnis bietet die MittagsBEIZ im und um den Pavillon «Podium 41» in Zug. Hier, in unmittelbarer Nähe zum See, fühlt man sich im Sommer auch drinnen wie im Freien, denn durch die offene Fensterfront wird der Garten in den Pavillon geholt. Abends dienen die Räumlichkeiten als Jugendtreffpunkt. Martin Keller und Britta Kiefer sind neben dem Mittagsrestaurant auch für die «Yellow», das Lagerschiff auf dem Zugersee, verantwortlich. Im Winter, wenn es nicht als schwimmendes Lagerhaus benutzt werden kann, wird die MittagsBEIZ auf dem Schiff geführt. Die Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zug ist für das Projekt verantwortlich.
Besucht wird die Beiz vorwiegend von Leuten mit schmalem Budget. Wer eine SolID-Karte besitzt, kann für fünf Franken ein Mittagsmenü beziehen. Man ist aber grosszügig, ein Sandwich wird manchmal auch gratis serviert. «Für Normalverdiener ist die MittagsBEIZ nicht gedacht», meint Britta Kiefer: «Aber wer per Zufall hier landet, den schicken wir sicher nicht weg.» Diese Gäste bezahlen für das Mittagsmenü 14 Franken und leisten damit einen Solidaritätsbeitrag.
Die Schipfe16 in Zürich hat ihre Gartenwirtschaft direkt an der Limmat, unter den weissen Stoffschirmen ist es auch bei grosser Hitze recht angenehm. Dank der ausgezeichneten Lage der Schipfe16 werden oft auch Bankette veranstaltet. Zürich Tourismus besucht die Gartenwirtschaft regelmässig mit den Teilnehmenden einer Stadtbesichtigung und offeriert ihnen einen Apéro im Herzen der Stadt.
Zwölf bis siebzehn Fürsorgeempfänger finden im Restaurant ihren vorübergehenden Arbeitsplatz. «Unser Ziel ist es, sämtliche Mitarbeitenden möglichst schnell in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln zu können», erklärt Zeno Schuler, stellvertretender Projektleiter des EAM Gastro: «Die Kunst besteht darin, den Betrieb trotz häufigem Personalwechsel auf einem konstanten Niveau zu halten.» Die Schipfe16 bietet zudem zusammen mit der HelvetiaKantine fünf Ausbildungsplätze in Küche und Service.
Nach Möglichkeit wird für die jungen Erwachsenen während der Lehrzeit ein Nachfolgebetrieb gesucht.
Liegestühle in Basel, ein stimmungsvoller Platz in Baden, ein Pavillon in Zug oder ein Sitzplatz am Fluss im Zentrum von Zürich – all diese besuchten Restaurants haben ihren eigenen Charme. Die sozial motivierte Gastronomie freut sich auf Ihren Besuch.
Der «arbeitsmarkt»-Beizenführer: siehe pdf-Version

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