«der arbeitsmarkt» 11/2006

Hilfe vom erwerbslosen Profi

Jugendarbeitslosigkeit ist ein Dauerbrenner.Damit möglichst viele angehende Lernende eine Stelle finden, hat der Kanton Solothurn eine «Berufswahlplattform» geschaffen, wo stellenlose Kaderleute bei der Vermittlung helfen – und wurde prompt dafür ausgezeichnet.

Der Kanton Solothurn beschreitet neue Wege in der Vermittlung von Lehrstellen: Seit 2004 gibt es ein Coachingangebot, wo stellenlose Kaderleute sich um die angehenden Lernenden kümmern und sie bei der Stellensuche unterstützen. Diese «Berufswahlplattform», wie das Projekt heisst, wurde jetzt
von der Stiftung Enterprise mit einem mit 10000 Franken dotierten Preis ausgezeichnet

Die Idee zur Berufswahlplattform hatte Renato Delfini, Leiter der Berufs- und Studienberatung, vor drei Jahren: «Die Kernaufgaben der Berufs- und Studienberatung liegen in der Beratung und nicht in der Vermittlung. Zudem waren die Ressourcen voll ausgelastet.» So kam er auf der Suche nach Unterstützung auf die Lösung, stellenlose Kaderleute als Coaches der Jungen einzusetzen: «Diese Personen verfügen über hohe Kenntnisse der Arbeitswelt und breite Netzwerke in der Wirtschaft. So können sie die jugendlichen professionell beraten und bei den Lehrbetrieben als Türöffner auftreten.»

Auch für das Coaching muss man sich bewerben

Jeweils im Frühling werden die Schülerinnen und Schüler über das Angebot informiert. Sie müssen zusammen mit ihren Lehrpersonen einen Fragebogen ausfüllen, der Auskunft über ihre Fähigkeiten gibt und darüber, welche Bemühungen bisher unternommen wurden.  Je nachdem wird dann im Gespräch mit der Berufsberatung über die Aufnahme ins Projekt entschieden. Von jenen, die abgelehnt werden, sind etwa ein Drittel noch nicht reif für eine Ausbildung und zwei Drittel bereits so gut durch Freunde und
Familie vernetzt, dass sie die zusätzliche Unterstützung nicht brauchen.

Ich habe im Berufsinformationszentrum (BIZ) von der Plattform erfahren», erzählt Cornelia Brechbühler, die seit August im Solothurner Gasthaus Wirthen zur Restaurationsfachfrau ausgebildet wird. Sie war bereits seit zwei Jahren auf Lehrstellensuche und hatte in dieser Zeit unzählige Bewerbungen verschickt, ohne Erfolg zu haben. Dann traf sie sich mit Coach Christina Cardarelli, die ihr vor allem «viel Mut gemacht» und sie mit Adressen versorgt hat. Dank der persönlichen Bekanntschaft des Coachs mit dem Lehrmeister kam es dann sehr schnell zum Abschluss des Lehrvertrages.

«Das ist leider nicht überall so schnell gegangen», erinnert sich Christina Cardarelli, die vor ihrer Stellenlosigkeit als Atelierleiterin in einem Projekt für Langzeitarbeitslose beschäftigt war. So hat sie auch die Erfahrung gemacht, dass Eltern, gerade aus andern Kulturkreisen, die Lehrstellensuche
ihrer Kinder zu wenig unterstützen – oder gar nicht, wie jener Vater, der seiner Tochter sogar explizit verboten hat, eine Lehrstelle anzutreten.  

Für Christina Cardarelli, die im Moment in der Lernwerkstatt Olten eine Coachingausbildung absolviert, war die Mithilfe beim Projekt eine willkommene Gelegenheit, Praxiserfahrungen zu sammeln. Und nachdem es ihr viel Spass gemacht hat, mit Jugendlichen zu arbeiten, will sie sich auch in Zukunft mit dieser Klientel befassen: «Es war schön, mit Jugendlichen zu arbeiten, und im Vergleich zur Beschäftigung mit Langzeitarbeits
losen hat man auch eher Erfolgserlebnisse.»
Ebenfalls viel gebracht hat das Projekt Verena Lange, die vor ihrer Stellenlosigkeit das Sekretariat eines Berufsverbandes geführt hatte: Sie fand dank ihrem Engagement eine befristete Aushilfestelle in der kantonalen Verwaltung. 2005 leitete sie die «Meldesammelstelle», wo die akquirierten Stellen zentral erfasst werden. Dabei war sie speziell beeindruckt vom grossen persönlichen Engagement der Coaches.
Glück gehabt dank der Berufswahlplattform hat auch Jessica Zürcher, die zuletzt eine Werkklasse besuchte, was die Chancen, eine Lehrstelle zu bekommen, ziemlich schmälert – auch wenn wie bei ihr nur Fünfer und Sechser im Zeugnis stehen. Jetzt konnte sie dank der Vermittlung ihres Coachs eine Vorlehre als Bäckerin-
Konditorin beginnen. Dabei wird sie während eines Jahres auf die eigentliche 3-jährige Lehre vorbereitet.

Keine individuellen Lernziele mehr

Dass es nicht einfach ist, Schülerinnen und Schüler aus Werkklassen zu vermitteln, hat Heinz Bläsi ebenfalls festgestellt. Von seinen sechs Coachingschützlingen aus einer Werkklasse konnte er nur einen in einer Vorlehre unterbringen, die andern mussten mit einer Zwischenlösung vorliebnehmen.
Das wird vom Projektleiter Pius Blümli bestätigt, der eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem Bildungsniveau der Schulabgehenden und den Anforderungen der Lehrbetriebe feststellt. In diesem Zusammenhang bedauert er insbesondere, dass mit dem Verschwinden der Anlehren zu Gunsten der neu geschaffenen Attestausbildungen die Möglichkeit weggefallen ist, individuelle Lernziele festzulegen. Umso wichtiger ist deshalb die Berufswahlplattform als Bindeglied zwischen Stellensuchenden und Betrieben, weil damit auch jene, die nicht über einen Sekundarschulabschluss verfügen, eher zu einer Lehre kommen. Einen weiteren positiven Effekt hatte das Projekt beim gesamten Angebot an Lehrstellen: Dank den guten Beziehungen der Coaches zur Wirtschaft konnten 2005 im Kanton Solothurn sogar rund 100 neue Lehrstellen geschaffen werden.    

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