«der arbeitsmarkt» 02/2006

Hausfrauenfamilie ist out

Langzeitstudie In der Schweiz sind sie noch exotisch: Paare, die sich Beruf und Kindererziehung gleichmässig aufteilen.
Wie geht es eigentlich Kindern, die in solchen Beziehungen aufwachsen? Besser als denen in traditionellen Familien, sagt eine Nationalfondsstudie.

Das Bundesamt für Statistik weiss: Zwei Drittel aller Paare in der Schweiz leben mit der klassischen Rollenverteilung. Er arbeitet Vollzeit, sie kümmert sich vor allem um den Haushalt, hat höchstens eine niederprozentige Teilzeitstelle ohne Karriereaussichten. Und sie erzieht die Kinder, sofern es welche gibt. Die Mutter als Vollzeithausfrau wird landläufig als das Beste für den Nachwuchs angesehen. Fehlende Tagesschulen, Krippen- und Hortplätze tragen das ihre dazu bei, dass sich die egalitäre Rollenverteilung nur schleichend durchsetzt.

Kinder können vom Erfahrungsschatz beider Eltern profitieren

Wie geht es aber Kindern aus Familien, in denen Mutter und Vater Teilzeitstellen haben, um sich um die Kinder kümmern zu können? Im Rahmen der Nationalfondsstudie 52 hat die Soziologin Margret Bürgisser vom Institut für Sozialforschung, Bildung und Medienarbeit (ISAB) in Bremgarten mit ihrem Team 28 Familien begleitet. Die Eltern wurden erstmals 1994 befragt. Nun wurden auch die Kinder miteinbezogen. Bürgisser: «Die meisten Kinder schätzen das egalitäre elterliche Rollenmodell sehr.» Sie mögen die Abwechslung in der Lebens- und Beziehungswelt und geniessen auch den gemeinsamen Alltag mit dem Vater.
Bei ihren Freunden sehen sie, welche Einseitigkeiten die traditionelle Rollenverteilung mit sich bringt. «Sie glauben, dass dieses Modell ihre Familie tendenziell unglücklich machen würde», so die Soziologin weiter. Die Kinder bekommen mit, dass beide Eltern breitere Erfahrungsbereiche haben als nur Familie oder nur Beruf. Dadurch erleben sie sie als viel anregender und vielfältiger und mit mehr Facetten ihrer Persönlichkeit. Im Gegensatz dazu werden in traditionellen Familien die Mütter sehr einseitig gesehen. Besonders Knaben nehmen sie nur mit wenigen Eigenschaften wahr, obwohl sie immer zuhause ist. Die Knaben legen starkes Augenmerk auf das Kochen. Weitere Eigenschaften realisieren sie nur bedingt.
Margret Bürgisser erklärt weiter: «Kinder in Hausfrauenfamilien haben sich mit ihrem Familienmodell eher arrangiert, als dass sie es wirklich schätzen.» Wirklich gut finden sie es nicht, da es kaum gemeinsamen Alltag mit dem Vater gibt. Sie wünschen sich «weniger Mutter», dafür eine bessere Beziehung zum Vater, der im täglichen Leben zu wenig vorkommt. «Vielfach fühlen sie sich zudem von der Mutter zu sehr kontrolliert, da sich diese stark auf die Familie konzentriert», erläutert Bürgisser.
Knaben aus traditionellen Familien sind auch heute noch stark geschlechts- und rollentypisch geprägt und sehen sich selbst künftig in der Rolle des Ernährers. Sie haben das Gefühl, etwas zu verlieren, wenn sie später bei der Erwerbsarbeit zurückstecken und dadurch einen Prestigeverlust in Kauf nehmen würden. Knaben aus egalitären Familien erleben diesen Prestigeverlust auch und wissen daher noch nicht, ob sie das Modell ihrer Väter auch für sich nachleben wollen.

Egalitäre Rollenteilung macht Paarbeziehungen stabiler

Mädchen aus egalitären Familien profitieren dagegen stark. Sie sind in ihrem Denken nur wenig geschlechts- und rollenspezifisch geprägt. Zudem profitieren sie sehr von der engen Beziehung zum Vater. Bürgisser stellt fest, dass das Rollenteilungsmodell auch in der Langzeitperspektive sehr erfolgreich ist: «Die Paarbeziehungen sind erstaunlich stabil.» Es gibt wenig Arbeitgeber- und Berufswechsel und auffallend wenig Trennungen. Die Soziologin sieht den Grund darin, dass solche Paare hohe Verhandlungs-, Konflikt- und Kompromissbereitschaft mitbringen. Beide Partner wissen, was es bedeutet, im Beruf zu stehen, aber auch, Hausarbeit zu verrichten und Kinder zu betreuen. Das fördert das gegenseitige Verständnis. Im Berufsleben zeigen egalitäre Paare hohe Motivation und Leistungsbereitschaft. Sie sind jedoch nicht bereit zu «Verschleisskarrieren» mit hohem Stressfaktor und überlangen Arbeitszeiten. Das würde sich mit dem Familienmodell nicht vertragen.

Mehr zum Thema:
Die Studie «Elternpaare mit egalitärer Rollenteilung. Die Langzeitperspektive und die Sicht der Kinder» von Margret Bürgisser, Diana Baumgarten, Gilbert Ganguillet und Inge Schröder steht zum Download bereit unter www.isab.ch

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