«der arbeitsmarkt» 04/2010

Gute Weiterbildung, bessere Chancen beim Wiedereinstieg

Angebote und Unterstützung für den Wiedereinstieg ins Berufsleben sind in den verschiedenen Berufssparten ebenso verschieden wie die individuellen Bedürfnisse der Wiedereinsteigerinnen. Ohne Weiterbildung wird es für viele schwierig.

Still ist es, sechs Frauen im Alter zwischen 30 und 50 sitzen ab­wartend an den Pulten. Sie haben sich an diesem Abend im Schulzimmer der Bildung Formation Biel-Bienne (BFB) zum Informationsanlass «Wiedereinstieg in den kaufmännischen Beruf» eingefunden. Die ehemalige Kaufmännische Berufsschule Biel informiert über einen KV-Kurs für Frauen, die nach einer beruflichen Pause wieder in die Erwerbstätigkeit einsteigen und sich dafür erst fit machen wollen. Zwei der Frauen sind gemeinsam gekommen, haben sich selbstbewusst in die zweite Reihe gesetzt. Die anderen vier blättern in der BFB-Broschüre, studieren den Boden oder schauen abwesend in die Luft. Die Situation erinnert an längst vergangene Schultage, als man sich nicht gleich vor die Nase des Lehrers setzte und eher die Anonymität der hinteren Reihen suchte. Einige der Fragen, die im Anschluss an die Präsentation gestellt werden, lassen Unsicherheiten erahnen: Bis zu welchem Alter macht ein Besuch des Kurses Sinn? Muss ich zuhause für den Kurs viel zusätzlich machen? Müssen wir eine Abschlussarbeit schreiben?
Brigitte Burkhardt leitet an der BFB seit sechs Jahren die Lehrgänge für Wiedereinsteigerinnen. Sie kennt die Befindlichkeiten vieler Kursanwärterinnen. «Anfangs wirken viele von ihnen etwas unsicher», stellt sie fest. An der BFB, so ihre Erfahrung, melden sich Frauen, die nur ein paar Jahre aus dem Beruf weg waren und ihre Fachkenntnisse auffrischen wollen, ebenso wie solche, die eine Auszeit von über zehn Jahren hinter sich haben und ein eingehendes Update brauchen. «Ist eine Frau über fünf Jahre ausgestiegen, ist der Besuch eines Auffrischungskurses fast zwingend», erläutert Burkhardt, «denn die technische Entwicklung schreitet im Kaufmännischen rasant voran.» Wer sich weiterbildet, habe Chancen, eine Stelle zu finden, obwohl das für Wiedereinsteigerinnen schwierig sein könne. Grund: Sie interessieren sich oft für Teilpensen von 20 bis 40 Prozent. «Aber gerade für KMU kann das auch sehr interessant sein. Diese Frauen sind hochmotiviert», sagt Burkhardt.
«Eines haben viele Frauen gemeinsam: Es fehlt ihnen an Wahrnehmung, was sie alles können, und an der Selbstsicherheit, dies zu präsentieren.» Brigitte Burkhardt legt deshalb viel Wert darauf, dass im neun Monate dauernden und 234 Lektionen umfassenden Kurs nicht nur die Fachkenntnisse auf den neusten Stand gebracht werden. Ebenso wichtig sei jener umfangreiche Kursteil, der auf die Persönlichkeitsentwicklung der Frauen abzielt. Dieser soll ihnen helfen, eine Bilanz über ihre Kompetenzen zu ziehen, um sich erfolgreich bewerben zu können: Was kann ich? Welche Fähigkeiten habe ich durch die Familienarbeit, aber auch durch Einsätze in der Freiwilligen- oder Vereinsarbeit erworben? Und, ganz wesentlich: Was will ich kurz-, mittel- und langfristig?
Die 44-jährige Angelika Stettler hat mit dem BFB-Kurs gute Erfahrungen gemacht. Die zweifache Mutter hat ihn 2008 abgeschlossen und fand nach acht Jahren Berufsabstinenz noch während des Kurses eine Stelle beim Kantonalverband des Schweizerischen Roten Kreuzes in Biel. Zwei Bewerbungen habe sie geschrieben. Eine davon - bei dem Arbeitgeber, den sie bevorzugte, führte zum Erfolg. Ein Erfolg, den sie dem Kurs zuschreibt. «In den Jahren, in denen ich weg war, hat sich viel verändert. Die Weiterbildung hat mir vor allem geholfen, mich auf den neusten Stand zu bringen.» Heute arbeitet Stettler im 40-Prozent-Pensum. Wenn ihre Kinder in ein, zwei Jahren unabhängiger sind, möchte sie auf 50 bis 60 Prozent aufstocken.

Der Wiedereinstieg ist abhängig von der Vorbildung

Am besten sind die Chancen auf ein erfolgreiches Comeback in kaufmännischen Berufen, so die Erfahrung von Yvonne Baumgartner Muckly, Regionaldirektorin bei der Manpower AG. Das ist aber bei weitem nicht der einzige Einsatzbereich für Wiedereinsteigende. Grundsätzlich, so die übereinstimmende Feststellung dreier grosser Stellenvermittlungsunternehmen, kommen sie in allen Branchen zum Einsatz. «Meistens müssen Wiedereinsteigende eine Position ein bis zwei Stufen tiefer akzeptieren als diejenige, die sie vor dem Ausstieg innehatten - mit entsprechenden Lohneinbussen», stellt Baumgartner Muckly fest.
Wie Frauen nach der Familienpause im Arbeitsmarkt wieder Fuss fassen, sei oft abhängig von der Branche, in der sie vorher tätig waren, und von ihrer Berufsausbildung, sagt Susanne Weiss, Marketingberaterin bei Randstad Schweiz AG. «Wenn eine junge Mutter vorher in einem Produktionsbetrieb gearbeitet hat, wird sie am ehesten in derselben Branche wieder einsteigen. Eine Direktionsassistentin jedoch wird vielleicht von einer Versicherung in ein Architekturbüro wechseln, aber kaum ihre berufliche Orientierung grundlegend verändern.» Ausserdem, so Weiss, hängen die Chancen, den Wiedereinstieg zu schaffen, stark von den individuellen Kompetenzen ab. Verfüge jemand über besondere Fähigkeiten, wie Sprachkenntnisse, die ihn von anderen Bewerbern unterscheiden, werde ihm der Wiedereinstieg leichter fallen. «Wiedereinsteiger sind überall da gefragt, wo es viele offene Stellen und wenig Kandidaten hat», bringt es Susanne Weiss auf den Punkt.
Unterschiede bezüglich Branchen und Berufsbildern liessen sich anhand der Dauer eines Unterbruchs beobachten, stellt José M. San José, Mediensprecher von Adecco Switzerland, fest. «Je spezialisierter, ausgebildeter und sprachgewandter jemand ist beziehungsweise je anspruchsvoller und attraktiver dessen vor­herige Arbeitsstelle war, desto kürzer ist der Unterbruch und desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass wieder der gleiche Beruf in der gleichen Position ausgeübt wird.» Das betreffe vor allem wiedereinsteigende Spezialisten und Fachkräfte aus den Bereichen Gesundheits-, Ausbildungs- und Sozialwesen, Engineering, Informationstechnologie, Life Sciences, Marketing und Kommunika­tion sowie Führungspositionen in den Stabsstellen der Industrie. Bei allgemeiner Berufserfahrung ohne Fachspezialisierung oder Führungserfahrungen oder nach einem längeren Unterbruch seien die typischen Wiedereinsteigerpositionen, je nach Ausbildung, im kaufmännischen Bereich, in Call-Centern, im Verkauf, im Gastgewerbe, in der Hotellerie, in den persönlichen Dienst­leistungen und in der industriellen Produktion zu finden.

Gute Chancen bei den Pflegeberufen

Gefragt seien Wiedereinsteiger, stellt der Adecco-Sprecher weiter fest, «überall, wo Spezialisten für schwierig zu besetzende Vakanzen gesucht werden, besonders im Gesundheitswesen». Das bedeutet unter anderem: In Pflegeberufen klappt die Rückkehr ins Berufsleben gut, weil gerade da grosser Mangel an qualifiziertem Personal besteht.
«In den Pflegeberufen arbeiten viele Wiedereinsteigerinnen. In den Beruf zurück kommen vor allem Familienfrauen zwischen 35 und 45 mit Auszeiten zwischen 5 und 15 Jahren», bestätigt Irene Mahnig, Bildungsbeauftragte bei Curaviva, dem Verband für Heime und Institutionen, und stellvertretende Leiterin Weiterbildung. Diese Tatsache gehe teilweise auf die Nachfrage nach Personal zurück, aber auch darauf, dass in den Pflegeberufen schon von Grund auf mehrheitlich Frauen arbeiten. «Im Pflegebereich ist es möglich, im Teilzeitpensum zu arbeiten», erklärt Mahnig eine Attraktion der Pflegeberufe. Kleinere Pensen als 50 Prozent, wie sie von vielen Wiedereinsteigerinnen gewünscht werden, seien oft nicht realisierbar. Wer weniger arbeite, habe es schwerer, sich in ein Team zu integrieren. «Während der Auszeit erwerben Familienfrauen ganz spezifische Kompetenzen, die sie gerade im Pflegebereich gut nutzen können», sagt die Laufbahnberaterin. Dazu gehören Management- und Organisationsfähigkeiten, Multitasking, aber auch «weichere» Kompetenzen wie Beziehungsgestaltung und Kommunikation. Das seien alles Basiskompetenzen, die in der Pflege nebst den Fachkenntnissen sehr gefragt seien.
Die Weiterbildungen für Wiedereinsteigerinnen im Pflegebereich, welche Curaviva anbietet, reichen von Kursen zur Selbst- und Sozialkompetenz bis hin zu fachspezifischer Weiterbildung in Pflege und Betreuung. Mahnig unterteilt die Wiedereinsteigenden in zwei Kategorien: Wer eine Grundausbildung in einem Pflegeberuf hat, braucht einfach ein Update, in der Regel ist das ein achttägiger Kurs. Die zweite Kategorie stellen Personen, die keine pflegerische Grundausbildung aufweisen, also eher Quereinsteigende. Ihnen steht die Möglichkeit einer ergänzenden Ausbildung offen. Das heisst, ihr Dossier wird von einem Expertengremium geprüft, das festlegt, welche Lehrfächer die Quereinsteigerin belegen muss. Voraussetzung für diese Ausbildung ist jedoch, dass ein Lehrvertrag vorliegt. «Ab 2011 wird es möglich sein, in einer praxisnahen zweijährigen Ausbildung ein eidgenössisches Berufsattest zu erlangen», erläutert die Laufbahnberaterin. Darauf könne man auch aufbauen, sich weiterbilden und das eidgenössische Fähigkeitszeugnis erarbeiten. Eine weitere Möglichkeit, um in die Pflege einzusteigen, sei, beim Schweizerischen Roten Kreuz einen 20-tägigen Kurs für Pflegehelferinnen zu absolvieren. «Als Einstieg ist das eine gute Sache, denn der Kurs kostet nicht viel und zeigt früh, ob eine Person für diesen Beruf geeignet ist und ob sie das wirklich will.» Darauf kann sie weiter aufbauen, sich weiterbilden und je nach Bildungsniveau ein eidgenössisches Berufsattest oder das eidgenössische Fähigkeitszeugnis erwerben. Mit Letzterem haben Wiedereinsteigerinnen ausserdem Zugang zur Höheren Fachschule.

Rückkehr für Lehrerinnen kaum ein Problem

Ein weiteres Berufsfeld, in dem Mangel an Fachkräften besteht, ist die Lehrerschaft. Auch hier finden sich Wiedereinsteigerinnen, wie Franziska Peterhans bestätigt. Die Zentralsekretärin des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) stellt aber fest, dass gerade Lehrerinnen zunehmend nicht ganz aus dem Beruf aussteigen, sondern ihr Unterrichtspensum deutlich reduzieren. Steigt eine Frau jedoch ganz aus, kann sie in gewissen Kantonen zu dem Lohn und auf der Qualifikationsstufe wiedereinsteigen, die ihrem Alter entsprechen. Dies ist so, weil die Erfahrungen, die eine Person in den berufsfernen Jahren erwirbt, als Kompetenzsteigerung verstanden werden. «Ich würde es aber niemandem raten, nach zehn, fünfzehn Jahren ohne Weiterbildung wiedereinzusteigen», so Peterhans. Denn die Anforderungen des Berufes veränderten sich dauernd.
Angesichts der vor allem in der Deutschschweiz drohenden Lehrerknappheit bieten die Pädagogischen Hochschulen Angebote für Wiedereinsteigende an. «Der Besuch von Wiedereinsteigerkursen ist zwar nicht obligatorisch, weil das Lehrerdiplom nicht verfällt, aber sicher ratsam», erläutert Willi Stadelmann, Präsident der Schweizerischen Konferenz der Rektorinnen und Rektoren der Pädagogischen Hochschulen (Cohep). Es werden nicht nur Wochenkurse angeboten, sondern auch individuelle Begleitungen, Coachings, Vermittlung von Praxisplätzen und an einigen Orten Praxistreffs für Wiedereinsteigende, wo sie ihre Erfahrungen austauschen können.
Gerade wegen des Lehrermangels werden in manchen Kantonen auch Möglichkeiten für Quereinsteiger in den Lehrerberuf diskutiert. «Den Schulen gehen zwar die Berufsleute aus, eine Anlehre reicht jedoch nicht aus», warnt Peterhans. Stadelmann stösst ins gleiche Horn: «Wir müssen aufpassen, dass wir aus der Notsituation heraus nicht eine Verminderung der Qualität hinnehmen.» Es gebe zwar Kantone, die für Quereinsteigende vereinfachte Ausbildungen anböten. «Diese Lehrpersonen erlangen jedoch nur ein kantonales Diplom anstelle des gesamtschweizerischen und international anerkannten Lehrerdiploms.»
Einen grossen Vorteil haben Lehrerinnen, die wieder im Beruf arbeiten wollen. Die Weiterbildungsangebote der Pädagogischen Hochschulen sind für sie in der Regel sehr günstig, wenn nicht gar gratis. Auch in der Pflege, sagt Irene Mahnig von Curaviva, sind manche Angebote von der öffentlichen Hand unterstützt. So werden beispielsweise die SRK-Kurse vom Bund subventioniert. Und einige Angebote der ergänzenden Bildung werden von den Kantonen mitfinanziert. «Ausserdem sind unsere Lehrgänge alle praxisnah und berufsbegleitend konzipiert, so dass die Kurse auch von Frauen in finanziell und zeitlich schwierigen Situationen bewältigt werden können.»

Unterschiedlich unterstützt

So viel Förderung erfahren Frauen aber nicht in allen Berufsfeldern. So zeigt der Schweizerische Bildungsbericht, der unlängst veröffentlicht wurde, dass die meisten Frauen ihre Weiterbildungen selbst bezahlen. Und wie das Beispiel KV-Kurs an der BFB in Biel verdeutlicht, kann das bei Kosten von rund 3000 Franken ein rechtes Loch ins Portemonnaie reissen. Für viele Interessentinnen ist eine Weiterbildung da nur machbar, wenn ihnen nahestehende Personen diese mittragen. Unüberwindbar schwierig kann es für Frauen in der Trennung oder Scheidung werden. Eine Ausnahme gibt es indes: Das eidgenössische Berufsbildungsgesetz garantiert Personen, die noch keine Erstausbildung abgeschlossen haben, dass sie diese nachholen können.
«Eine einheitliche Regelung zur Unterstützung von weiterbildungs- und wiedereinstiegswilligen Frauen gibt es nicht», sagt Marie-Louise Spiegel Preuck von der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung Bern-Mittelland. «Es ist von Kanton zu Kanton, von Gemeinde zu Gemeinde sowie Kirchgemeinde zu Kirchgemeinde verschieden, ob und welche Projekte oder Institutionen unterstützt werden.» Spiegel Preuck verweist deshalb auf Fonds und Stiftungen, bei denen Frauen sich um Mittel bewerben können, was allerdings eine recht aufwändige Arbeit ist.
«Wiedereinsteigerinnen haben keine Lobby. Es gibt keine gesamtschweizerische Anlaufstelle, die sich gezielt für Wiedereinsteigerinnen einsetzt», stellt Regina Rutishauser, die geschäftsführende Präsidentin des Vereins WEFA in Zürich, fest. Der Verein wurde 1989 auf Initiative der Jungen Wirtschaftskammer gegründet und ist ein Kompetenzzentrum für arbeitsmarktorientierte Weiterbildungen, das insbesondere auch Frauen fördert. Er bietet sowohl Einzelberatungen, Wiedereinsteigerkurse im Pflege- und im kaufmännischen Bereich als auch Standortbestimmungen an. Rutishauser wünscht sich, dass Unternehmen, Politik und Behörden aktiv würden.
Anita Fetz, SP-Ständerätin aus Basel und Inhaberin der Beratungsfirma «femmedia ChangeAssist», wundert sich indes nicht über den Mangel an zentralen Stellen oder einheitlichen Strategien. «Die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt ist sehr von der individuellen Situation der Frauen abhängig», sagt sie. Entsprechend viele unterschiedliche Angebote gebe es. Hier eine Linie hineinzubringen, würde sehr schwierig. Bund und Kantone würden aber einzelne Projekte unterstützen. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das zentral regeln könnte.» Eine Möglichkeit sähe sie jedoch, die finanziellen Mittel besser zu verteilen: durch die Einführung von Bildungsgutscheinen. «Damit werden nicht die Bildungsinstitutionen unterstützt, sondern die Personen, die sich bilden wollen - was letztlich auch wieder den Institutionen zugutekommt.»

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