«der arbeitsmarkt» 10/2004

Gütesiegel fürs Gütesiegel

eduQua, das schweizerische Gütesiegel für Weiterbildungsinstitutionen, sorgt für Transparenz im Weiterbildungsdschungel. Dieses Jahr sind die ersten Re-Zertifizierungen fällig. Ein Bericht über eine Erfolgsgeschichte nach Anlaufschwierigkeiten – und über neidische Blicke aus dem Ausland.

Rund drei Milliarden Franken jährlich werden in der Schweiz für Weiterbildung ausgegeben, der Anteil des Bundes und der Kantone beträgt etwa 650 Millionen. Das ist eine Menge Geld. Zudem ist der Weiterbildungsmarkt unübersichtlich. Die qualitativen Unterschiede zwischen den schweizweit etwa 6000 Weiterbildungsinstituten sind enorm.

Empfehlung vom seco statt Weisung aus Bern

Um den Wildwuchs im Weiterbildungsdschungel auszulichten, begannen das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) zusammen mit anderen Institutionen 1999, ein Zertifizierungssystem für Weiterbildungsinstitutionen zu schaffen. eduQua sollte die Weiterbildung bewerten, den Markt transparenter und die Angebote vergleichbar machen. Dabei war Unabhängigkeit ein wichtiges Kriterium, das Ziel ein weder durch Partei- noch durch Kantonspolitik beeinflusstes Gütesiegel. Bewusst setzte man darauf, dass in der föderalistischen Schweiz eine blosse Empfehlung des seco besser greift als eine Weisung aus Bern.
Seit dem offiziellen Start 2001 wurden fast 600 Weiterbildungsinstitutionen nach eduQua zertifiziert, und die Tendenz steigt. Denn vor allem die Arbeitsämter setzen die Zertifizierung nach eduQua bei den Anbietern voraus. Allerdings entschied ein Expertenkreis, die Messlatte nicht zu hoch anzusetzen. Olivier Nussbaum
von der Logistik arbeitsmarktliche Massnahmen (LAM) des seco: «eduQua sollte kein elitäres Gütesiegel werden. Es sollte aber Weiterbildungsinstitutionen, die im heutigen Markt gut sind, auszeichnen.»
Der Zertifizierungsprozess an sich ist einfach. Man meldet sich als Anbieter von Weiterbildungsangeboten bei eduQua oder einer der fünf zugelassenen Zertifizierungsstellen. Ein für den Anbieter repräsentatives Angebot wird ausgewählt. Danach nimmt der Anbieter anhand der sechs eduQua-Kriterien eine so genannte Selbstevaluation vor und stellt ein Dossier nach 15 vorgegebenen Prüfpunkten über die Ins-titution und zehn definierten Prüfpunkten über das ausgewählte Angebot zusammen. Die Dokumente werden durch Auditoren geprüft. Besteht der Anbieter diese Dokumentenprüfung, folgt ein «Audit vor Ort». Stellt der Auditor fest, dass die Dokumente und die reale Situation übereinstimmen, wird das eduQua-Gütesiegel erteilt. Es gilt für drei Jahre und wird jährlich durch ein Zwischenaudit überprüft. 3050 Franken muss eine Weiterbildungsinstitution für eine Zertifizierung bezahlen. Davon gehen 300 Franken an eduQua.

Hochglanzprospekt oder schmales Mäppli

Die Vorteile dieses Zertifizierungssystems liegen sowohl für das seco als auch für die Zertifizierungsstellen in der einfachen Handhabung. Man verweist darauf, dass eduQua für den Kunden aussagekräftig genug und günstig im Preis sei. Die Messlatte von eduQua liege so, dass sie von nahezu jedem seriösen Anbieter erreicht werden könne. Gerade für die kleineren Weiterbildungsinstitutionen, die das Gros der Anbieter stellen, sei es von Vorteil, ab und zu die Qualität und Professionalität ihrer Angebote zu überprüfen.
Die Qualitätsunterschiede der eingereichten Zertifizierungsunterlagen sind allerdings beträchtlich. Grosse Unternehmen liefern teils wahre Aktenberge und edle Hochglanzprospekte, während der Einmannbetrieb sein schmales Mäppli zeigt. Zwar können beide den Anforderungen von eduQua entsprechen und denselben Qualitätsanspruch haben. Es sind aber doch eher die kleineren Unternehmen, die mit der Dokumentation Mühe haben. «Probleme gibt es oft, wenn das Know-how im Kopf einer einzigen Person gespeichert ist. Dieses Wissen in allgemein verständlicher Form niederzuschreiben, fällt vielen schwer», so Erwin Hunkeler, Auditor bei einer der Zertifizierungsstellen.

Schwachpunkt: Qualifikation von Lehrpersonen

Ausser diesen Anfangsschwierigkeiten gab es auch ernste Kritik an eduQua. Der Grundgedanke zum Qualitätsverständnis und zur Qualitätsentwicklung wurde laut Hunkeler anfänglich nicht klar formuliert und von den Anbietern nicht richtig verstanden. In der aktuellen Version des eduQua-Handbuchs vom 1. Januar 2004 hat man versucht, diese Mängel auszumerzen. «Das Handbuch hat dadurch entscheidend an Klarheit und Verständlichkeit gewonnen», ist Hunkeler überzeugt.
Es gibt noch weitere Themen, über die man bei eduQua nachdenken müsste. Effizienz, die tatsächliche Leistung oder den Preis der Angebote kann eduQua nicht bewerten. «Schwächen bei der Qualifikation der Lehrpersonen sind noch nicht vollends ausgeräumt», meint auch Erwin Hunkeler. Gerade in der Erwachsenenbildung mangle es zum Teil noch an pädagogischer Kompetenz. «Bei Fachkursen stammen die
Lehrpersonen meist aus ebendiesen Fachberufen. Naturgemäss sind sie beschlagen in der Materie, aber eher selten pädagogisch geschult.»
Dieses Problem hat eduQua erkannt und verlangt im Rahmen der eduQua-Zertfizierung für alle Lehrpersonen, die mehr als 150 Stunden im Jahr unterrichten, eine pädagogische Qualifikation. Die Mindestanforderung ist das SVEB-Zertifikat 1 oder eine analoge Ausbildung. Dass sich die Lehrpersonen nun ebenfalls jährlich fachlich oder pädagogisch weiterbilden müssen, wurde bisher nicht verlangt. eduQua ist bei den Bildungsexperten gut akzeptiert und auch die Bevölkerung weiss je länger je besser, dass das eduQua-Label für Qualitätsdenken steht, denn immer mehr Anbieter besitzen eduQua-Zertifikate und werben damit. Mittlerweile gibt es in allen Schweizer Kantonen eduQua-Zertifikate – ausser in Appenzell Innerrhoden. Die Toleranz der Arbeitsämter gegenüber nicht zertifizierten Anbietern wird geringer. Immer schwieriger wird es für Weiterbildungsinstitutionen ohne eduQua, die Zulassung für Zuweisungen zu bekommen. Obligatorisch ist eduQua heute schon in den Kantonen Aargau, Bern, Basel-Stadt (arbeitsmarktliche Massnahmen), Genf, Luzern, Tessin, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.

Interesse ennet der Grenzen

Seit Juli schmückt sich auch die erste ausländische Institution mit dem Gütesiegel: die Seminarabteilung des Österreichischen Norminstituts. Und auch aus Deutschland und Italien schielt man zu uns ins Land.
eduQua-Geschäftsleiterin Ruth Jermann wird regelmässig von deutschen Weiterbildungsinstitutionen zu Rate gezogen. Das Interesse ist dort so gross geworden, dass man 2001 in Anlehnung an eduQua das Zertifizierungssystem LQW (Lernorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung) ins Leben gerufen hat, was von der eduQua-Geschäftsstelle jedoch nicht als Konkurrenz angesehen wird. Denn, so Ruth Jermann: «Wichtig ist, dass überhaupt Qualitätssicherung in Weiterbildungsinstitutionen betrieben wird, und da kommt es nicht auf das Label an.»
Während in Deutschland noch debattiert wird, gab es in der Schweiz 2004 die ersten Re-Zertifizierungen. Die Messlatte dabei liegt höher als bei der Erstzertifizierung. Die Schwächen aus den Anfangsjahren gibt es laut den Zertifizierungsstellen kaum noch. Erwin Hunkeler: «eduQua hat viel ausgelöst. Die Lernziele sind klarer, die Lehrkräfte besser geschult und die Angebote wurden verbessert. eduQua hat bei vielen zu einem ganz neuen Qualitätsverständnis geführt. Die Entscheidung, mit eduQua eine niedrige Hürde für fast alle Anbieter zu schaffen, war gut.»

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