«der arbeitsmarkt» 07/2005

Grosser Aufwand – geringe Ausbeute

Der Kanton Bern hat die Programme zur vorübergehenden Beschäftigung neu vergeben und einen politischen Miniwirbel erzeugt.

«Ausschreibung der Programme zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB) für Stellensuchende des Kantons Bern. Referenz des Dossiers: fie-11-d.» Hinter der bürokratischen Formulierung steckt eine grosse Geldsumme. Knapp 20 Millionen Franken stehen dem Kanton Bern jährlich für die Durchführung von Beschäftigungsprogrammen zur Verfügung. Damit werden 588 Jahresplätze finanziert, die wiederum von rund 1500 Stellensuchenden durchlaufen werden.
Angesichts dieses Auftragsvolumens war das beco Berner Wirtschaft verpflichtet, die Programme zur vorübergehenden Beschäftigung öffentlich auszuschreiben. Es wählte das «offene Verfahren», bei dem jedermann ein Angebot einreichen kann. Weniger Kosten und mehr Qualität dank eines Wettbewerbs zwischen verschiedenen Anbietern – so die Hoffnung des beco.
Unbegründet war dies nicht: Durch die Ausschreibung der Kollektivkurse – etwa Computer- und Sprachkurse – im vergangenen Jahr konnte das beco nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Franken sparen (siehe Interview). Dagegen hat Blaise Kropf, Gross-rat der Jungen Alternativen, gar nichts einzuwenden. «Auf diesem Gebiet tummeln sich viele miteinander konkurrierende private Anbieter.»
Ganz anders sehe dies bei den PvB aus. «Wo kein Markt existiert, macht eine Ausschreibung keinen Sinn», sagt Kropf. Das Resultat scheint ihm Recht zu geben: Auf die acht ausgeschriebenen Programmpakete gab es nur neun Bewerbungen. «Der ganze Prozess war ein Leerlauf», findet Kropf, der in einem parlamentarischen Vorstoss die Kantonsregierung zu einer Erklärung aufforderte. Er gibt ausserdem zu bedenken, dass es sich bei den Anbietern um öffentliche oder halböffentliche Trägerschaften handelt. «Wozu braucht es eine Ausschreibung bei der Auftragsvergabe innerhalb der öffentlichen Hand?», fragt er.
Der Leiter Logistik Arbeitsmarktliche Massnahmen im beco, Beat Niklaus, räumt ein, dass der Aufwand angesichts des eingeschränkten Wettbewerbs gross war. Allgemein gelte aber nach wie vor, dass das
Ausschreibungsverfahren für eine Standardisierung und Professionalisierung eine gute Variante darstelle. Oberstes Ziel sei, die Qualität der PvB zu verbessern. «Wir haben in der Ausschreibung die Anforderungen
erhöht. Ob öffentlich oder nicht – ein Anbieter muss gewisse Standards einhalten.»
Kropf meldet einen weiteren Vorbehalt an: «Viele Anbieter von PvB führen auch Beschäftigungsprogramme für die Fürsorgedirektion durch. Wenn die Aufträge im Rahmen der Arbeitslosenversicherung nun wegfallen, besteht die Gefahr, dass die anderen nicht mehr wirtschaftlich durchgeführt werden können.» Er wirft dem beco vor, die Gesundheits- und Fürsorgedirektion ungenügend über die Ausschreibung informiert zu haben.
«Wir haben die Ausschreibung von langer Hand vorbereitet und mit den Anbietern und den RAV gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt», hält Niklaus entgegen.
Gegenüber der Gesundheits- und Fürsorgedirektion sei die Kommunikation vielleicht nicht optimal gewesen. Dies habe sich jetzt aber bereits gebessert. «Eine verbesserte interinstitutionelle Zusammenarbeit ist
das erklärte Ziel aller, die in diesem Bereich arbeiten», sagt Niklaus. Der einzige Anbieter, dessen Offerte nicht berücksichtigt wurde, ist der Verein für aktive Arbeitsmarktmassnahmen (VAM) im freiburgischen Düdingen. Trotz der Absage möchte VAM-Geschäftsführer Bruno Bertschy dem beco grundsätzlich «ein
Kränzchen winden». Die Ausschreibung sei sehr transparent erfolgt, die Bedingungen klar erkennbar gewesen.
Die Kritik folgt jedoch auf dem Fuss: Genau diese Bedingungen hätten bestehende Anbieter stark bevorteilt, bemängelt Bertschy. So hätten Neueinsteiger mit ihrem bestehenden Personalbestand anbieten müssen; die Fristen für Eingabe und Realisierung seien ebenso zu kurz bemessen gewesen wie die Laufzeit von drei Jahren. «Neueinsteiger werden so gezwungen, sehr kurz zu kalkulieren. Denn falls jemand nach drei Jahren nicht mehr berücksichtigt wird – wie soll er jemals seine Investitionen amortisieren?», fragt Bertschy.
Das Kreuzfeuer von bestehenden und neuen Anbietern ist am beco nicht spurlos vorübergegangen. Für das nächste Jahr ist die Vergabe weiterer arbeitsmarktlicher Massnahmen, wie des Stellennetz-Programms, der Motivationssemester oder der Übungsfirmen, geplant. Nun geht das Amt nochmals über die Bücher. «Wir machen uns für die dritte Phase den Entscheid nicht leicht», sagt Beat Niklaus. Erst nach einer neuerlichen Analyse werde entschieden, ob das gesamte Paket oder einzelne Teile ausgeschrieben werden oder ob ein
anderes Verfahren, etwa mit Vorqualifikation, angewendet wird. «Die ganze Angelegenheit hat auch uns wichtige Erfahrungen gebracht.»

Reinigungsprogramme an Stelle von Nähateliers und Papiermaché

Interview  Beat Niklaus, Leiter Logistik Arbeitsmarktliche Massnahmen (LAM) im beco Berner Wirtschaft, erklärt, warum arbeitsmarktliche Massnahmen öffentlich ausgeschrieben wurden und warum Ausschreibungen bei PvB zwar keine Einsparungen, aber dennoch Vorteile bringen.

«der arbeitsmarkt»: Das beco hat die Beschäftigungsprogramme im Kanton Bern öffentlich ausgeschrieben. Warum war dieser Schritt nötig?
Beat Niklaus: Das kantonale Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen aus dem Jahr 2003 verpflichtet uns, Aufträge dieser Grössenordnung auszuschreiben. Die arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM) haben ein Auftragsvolumen von
60 Millionen Franken, wovon ein Grossteil öffentlich ausgeschrieben wird.

Geht es darum, dem «Filz»-Vorwurf
vorzubeugen?
B.N.: Ja. Wir haben dieses Bedürfnis
deutlich bemerkt bei den Kollektivkursen, wo viele private Anbieter miteinander im Wettbewerb stehen. Ich erinnere mich
daran, wie sich ein Anbieter von Informatikkursen beschwert hat, weil er nicht zum Zuge kam, ein Konkurrent hingegen schon.

Was waren die Ziele der Ausschreibung?
B.N.: In erster Linie eine Qualitätsverbesserung bei den AMM. Der Kanton Bern ist bestrebt, die Dauer der Arbeitslosigkeit und den Anteil der Langzeitarbeitslosen kontinuierlich zu verringern, indem er
die AMM weiter professionalisiert. Unter anderem fördern wir gewisse Zielgruppen, zurzeit die Jugendlichen. Wir hoffen auch, durch stärkeren Wettbewerb unter den
Anbietern Einsparungen zu erzielen. Bei den Kollektivkursen, die letztes Jahr ausgeschrieben wurden, ist uns das gelungen. Wir erhielten über 300 Angebote. Davon konnten wir 58 einen Zuschlag erteilen. Dank des Wettbewerbs unter den Anbietern konnten wir 1,5 Millionen Franken sparen, also etwa zehn Prozent.

Bei den Beschäftigungsprogrammen in diesem Jahr war der Erfolg geringer.
B.N.: In der Tat ist die Konkurrenz geringer ausgefallen als erhofft. Ursprünglich interessierten sich zwar 22 Anbieter für die acht
Lose, also Pakete mit mehreren Projekten. Am Ende erhielten wir aber nur neun Angebote. Ein Grund für den nur beschränkten Wettbewerb ist wohl, dass PvB nur von Anbietern durchgeführt werden können, die nicht gewinnorientiert arbeiten, etwa von Stiftungen und öffentlichen Institutionen.

Ist eine Ausschreibung in solch einem Fall überhaupt sinnvoll?
B.N.: Einsparungen haben wir nicht erzielt, aber wir hoffen, für dasselbe Geld mehr
Professionalität zu erhalten. Eine Bilanz
können wir erst ziehen, wenn die Qualität der neuen PvB überprüft worden ist.
Einige Anbieter haben sich zu neuen Bietergemeinschaften zusammengeschlossen – ein allgemeiner Trend?
B.N.: Diese Entwicklung ist bereits seit vier, fünf Jahren im Gang. In grösseren Einheiten zusammenzuarbeiten, hat mehrere Vorteile: Es können mehr Projekte realisiert werden, weil allenfalls auch ein hochqualifizierter Spezialist finanziert werden kann. Schwankungen, zum Beispiel bei einem personellen Wechsel, wirken sich weniger stark aus. Und administrativ können Synergien genutzt werden.

Die Beschäftigungsprogramme in Bern sind auch inhaltlich neu ausgerichtet worden.
B.N.: Wir möchten den Schwerpunkt von der Beschäftigung auf die Qualifikation verschieben. Nähateliers, Töpferei oder Papiermaché werden eingestellt, weil sie nichts mit der heutigen Arbeitswelt im Kanton Bern zu tun haben. Teilweise wurden sie ersetzt durch Programme in Hauswirtschaft oder Reinigung, die viel näher am Arbeitsmarkt liegen. Zweitens müssen die neuen PvB die Stellensuchenden stärker begleiten als früher: ihre
Chancen auf dem Arbeitsmarkt abklären und zur Integration beitragen. Dieser Beratungsaspekt bedeutet aber auch höhere Anforderungen an die Programmleitung. Wer ein PvB durchführen will, muss eine Zusatzausbildung im pädagogischen oder psychosozialen Bereich oder in der Erwachsenenbildung vorweisen können. Zehn Jahre im Service gearbeitet zu haben, reicht nicht, um ein PvB im Gastrobereich zu führen.    

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