«der arbeitsmarkt» 11/2005

Führen als eine geistige Aufgabe

Sinnstiftung statt Gewinnmaximierung: Pater Anselm Grün, Benediktinermönch und Erfolgsautor, versucht Managern die christliche Dimension des Führens näher zu bringen.

«der arbeitsmarkt»: Pater Anselm, Sie bieten spirituelle Kurse für Manager an. Wie kam es dazu?
Anselm Grün: Ich gebe seit dreissig Jahren Kurse zu spirituellen Themen – Fasten, Meditation, Traumdeutung. Seit zehn Jahren biete ich auch Führungskurse für Kaderleute an. Die Anfrage dazu kam von aussen.
DaimlerChrysler bat mich, zweimal im Jahr einen Kurs für ihre Führungskräfte abzuhalten. Mittlerweile hat sich das etabliert, und es kommen auch andere Firmen mit derselben Bitte. Aufgrund der grossen Nachfrage
haben wir in Würzburg ein spezielles Programm «Führen und geführt werden» ins Leben gerufen. Dort versuchen zahlreiche Mitarbeitende und ich, den Managern die spirituelle Dimension des Führens aufzuzeigen.

Suchen Manager vermehrt nach Spiritualität?
A.G.: Diese Nachfrage hat in der Tat stark zugenommen. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl spiritueller Kurse für Führungskräfte. Solche, die vom christlichen Glauben ausgehen, und andere, die mehr an östliche Denkformen, beispielsweise Zen-Meditation oder auch an die Esoterik, anknüpfen. Es herrscht heute eine grosse Sehnsucht danach, aus anderen Quellen zu schöpfen, als sie uns von betriebswirtschaftlichen Führungsmodellen angeboten werden. Vor allem Führungskräfte aus mittelständischen Unternehmen, aber auch Leute aus dem mittleren Kader grosser Firmen spüren deutlich, dass es so, wie es jetzt läuft, nicht weitergehen kann. Sie suchen nach Lösungen für persönliche Probleme wie: Was ist der Sinn meiner
Arbeit? Wie kann ich mit Stress umgehen? Wie kann ich Beruf und Privatleben vereinbaren? Zum Teil aber suchen sie auch Antworten auf die Frage, wie man als Christ in der Wirtschaft arbeiten kann oder wie christliche Werte in der Unternehmensführung verwirklicht werden können.

Dennoch ist das Bild des Managers in der Gesellschaft und den Medien vorwiegend negativ besetzt.
A.G.: Es gibt zwei Tendenzen. Die eine Tendenz ist, dass die Arbeitswelt immer rauer und brutaler wird.
Vor allem in grossen Firmen gibt es Manager, die ihre Firma «melken» und dazu missbrauchen, die eigene
Karriere voranzutreiben. Dieses reine «Managerprofil» hat sicherlich zum schlechten Image beigetragen. Solche Leute kommen nicht in unsere Kurse. Aber ich erlebe eben auch die andere Tendenz. Ich begegne immer häufiger Managern aus mittelständischen Unternehmen, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind und sich um ihre Mitarbeiter sorgen, die – auch für sich selber – versuchen, Mensch zu sein und nicht bloss eine Maschine, die nach Zahlen geht.

Wie erklären Sie sich, dass das Interesse an spirituellen Werten gerade heute so «aufscheint»?
A.G.: Der Grund ist, dass sich Gesellschaft und Wirtschaft in einer Krise befinden. Die Globalisierung hat mit ihren weltweiten Verknüpfungen neue Verhaltensweisen geschaffen. Sie läuft Gefahr, einem reinen
«Raubtierkapitalismus», wie alt Bundeskanzler Helmut Schmidt das nennt, den Weg zu ebnen und die soziale Marktwirtschaft kaputtzumachen. Auf der anderen Seite kann man an der Globalisierung natürlich nicht vorbeigehen. Sie beinhaltet ja auch die enorme Chance, im Zeichen der Völkerverständigung gemeinsam die
Zukunft zu gestalten. Ich denke, wir befinden uns momentan an einem Scheidepunkt. Wir stehen vor der grundsätzlichen Entscheidung: Soll in der Welt künftig die Macht des Stärkeren vorherrschen oder wollen wir unsere soziale Verantwortung wahrnehmen und uns gemeinsam bemühen, eine menschlichere Welt zu schaffen? Hier können christliche Werte in ihrer sozialen und politischen Dimension – zum Beispiel die Würde des Menschen, die in der christlichen Tradition tief verankert ist – eine bedeutende Funktion als Leitfaden übernehmen. Wichtig ist, dass christliche Spiritualität nicht einfach als «Wellness-Spiritualität», wo ich mich selber wohl fühle, missverstanden wird. Christliche Spiritualität hat immer etwas mit Weltgestaltung zu tun.

Was genau heisst «Spiritualität»?
A.G.: Spiritualität kommt vom lateinischen Wort «spiritus», «Geist». «Spiritualität» heisst «Leben aus dem Geist» und für mich als Christen «Leben aus dem Heiligen Geist». Ein solches Leben beinhaltet, gemäss benediktinischem Grundsatz «Ora et labora», sowohl Zeiten der Stille, um an die Quelle des Heiligen Geistes zu gelangen, als auch spirituelles Arbeiten aus der inneren Quelle. Spiritualität ist nicht etwas rein Übernatürliches, sondern drückt sich ebenso in gutem Wirtschaften und verantwortungsvollem Umgang mit Menschen und Dingen aus.

Heutzutage wird das Wort Spiritualität oft in einem sehr weiten Sinne verwendet. Wo ziehen Sie die Grenzen?
A.G.: Ich verstehe meine Spiritualität als christliche Spiritualität. Ich habe zwar auch einmal Zen-Meditation gemacht, aber das war für mich vor allem ein Weg, um besser an die christlichen Quellen der Meditation heranzukommen. Viele Manager verstehen Spiritualität jedoch nicht sofort als christliche. Manche von ihnen haben mit dem Christentum negative Erfahrungen gemacht und sind offener für andere Formen von Meditation. Ich propagiere solche anderen Formen nicht, aber ich versuche die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Ich biete zwar den christlichen an, aber nicht in einem engen, missionarischen Sinn. Ich versuche eine Sprache zu sprechen, die offen ist für andere Formen.

Welche Eigenschaften zeichnen einen spirituellen Manager aus?
A.G.: Das Wichtigste ist, dass er sehr ehrlich zu sich selber und mit sich ausgesöhnt ist. Er muss sich kennengelernt haben mit all seinen Höhen und Tiefen und bereit sein, sich stets aufs Neue kennen zu lernen. Es gibt keine bestimmten Eigenschaften, die er bereits haben muss. Entscheidend ist die Bereitschaft, sich selbst mit Grenzen und Stärken anzunehmen. Nur dann ist er fähig, die Menschen, die er führt, anzunehmen. Es geht darum, dass jeder das eigene Mass findet. Ich muss zum Beispiel nicht alles selber können, ich kann auch delegieren. Wenn ein Mitarbeitender besser Konflikte lösen kann als ich, dann sollte ich ihn ins Gespräch schicken. Wichtig sind auch die christlichen Grundtugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe. Ein Manager muss an das Gute in den Menschen glauben können, er muss Hoffnung haben für die Menschen, damit sie sich entwickeln können, und letztlich muss er die Menschen lieben können. Ein pessimistischer Manager, der die Menschen im Grunde verachtet, dem nützen alle Führungsinstrumente nichts, weil sein Pessimismus auf die Mitarbeiter ausstrahlt. Führen ist eine spirituelle Aufgabe.

Worin besteht die spirituelle Dimension des Führens?
A.G.: Spirituelles Führen bedeutet, Leben zu wecken, Mitarbeitende zur Lust an der Arbeit zu motivieren, ihnen Mut machen, ihre eigenen Ideen einzubringen. Es bedeutet auch, die Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Besonderheit anzuerkennen und zu fördern, ihnen zu vertrauen, statt sie zu kontrollieren. Der Arbeitsort sollte ein Raum sein, in dem die Seele aufatmen kann. Wir führen dann richtig, wenn die Menschen aufrecht nach Hause gehen. Wenn sie aufrecht nach Hause gehen, brauchen sie nicht andere zu unterdrücken, ihre Familie nicht und die
Menschen in ihrer Umgebung nicht. Es ist wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird und viele Wellen schlägt. Deshalb trägt jeder, der eine Firma, eine Abteilung oder ein Team führt, eine gesellschaftspolitische Verantwortung und prägt letztendlich das ganze Klima. Wenn das Klima in der Wirtschaft rau ist, dann wird es auch in der Gesellschaft rau. Wenn ein Manager seine Mitarbeitenden unterdrückt, werden auch die Menschen gedrückt.

Sind die Menschen heute generell gedrückt?
A.G.: Es ist immer schwierig zu pauschalisieren. Aber es gibt heute viele Menschen, die wenig Motivation haben und ein Stück weit erdrückt und ausgebrannt sind. Ich weiss nicht, inwiefern das auch für die Schweiz zutrifft, aber in Deutschland ist die Jammerkultur ziemlich stark ausgeprägt. Man sieht alles pessimistisch. Es herrscht
ein weitverbreitetes Gefühl, dass sich alles nur zum Schlechten entwickle. Depressionen sind heute bereits die zweithäufigste Ursache, warum Menschen der
Arbeit fernbleiben.

Woran liegt das?
A.G.: Daniel Hell, ein Schweizer Psychiater, sagt, dass die Depression oft ein Hilfeschrei der Seele gegen zu grosse Mobilität, zu grosse Veränderungen und zu grosse Unsicherheit sei. Heutzutage kann man sich auf nichts mehr verlassen, alles ist im Fluss. Es ist dringend notwendig, dass man hier menschlichere Verhältnisse schafft, die zwar zu Wandel führen, aber nicht zu einer ständigen hektischen Veränderung, wie ich sie in vielen grossen Firmen erlebe. Diese Veränderungen und Umstrukturierungen kommen in den seltensten Fällen aus einer Vision, sondern meistens aus dem Druck, sich selbst bestätigen zu müssen. Das deutsche Wort «hetzen» kommt von «hassen» – mit Hass kann ich keinem Menschen dienen.

Spirituelles Führen bedeutet also, Menschen zu dienen.
A.G.: Nicht nur den Menschen, sondern auch der Firma. Ich muss zugeben, vor zwanzig Jahren hätte mich das Wort «dienen» auch nicht besonders fasziniert, weil es die Assoziation von Unterwürfigkeit weckt. Von Jesus stammen die berühmten Worte: «Die Könige unterdrücken die Völker, die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch sollte es anders sein, der Führende soll der Diener aller sein.» Hier werden zwei Auffassungen von Führen einander gegenübergestellt: das Führen als Herrschen und das Führen als Dienen. Im Führen als Herrschen drückt sich eine enorme Menschenverachtung aus. Es bedeutet ja nichts anderes, als dass ich andere klein machen muss, um an meine eigene Grösse glauben zu können – damit diene ich keinem, weder den Menschen noch der Firma noch letztlich mir selbst. Der Münchner Psychologe Albert Görres sagte einmal treffend, dass es viele Abteilungsleiter gebe, die um sich herum lauter «Bewunderungszwerge» sammelten. Wer aus so trüben Quellen wie Eitelkeit, Perfektionismus und Ehrgeiz heraus führt, der schafft lediglich ein aggressives Betriebsklima. In vielen Firmen herrscht heute ein regelrechter Emotionsbrei. Wer jedoch aus der spirituellen Quelle heraus führt, der ist frei von seinem Ego und kann andere positiv anstecken.

Ist ein spirituell geführtes Unternehmen überhaupt konkurrenzfähig?
A.G.: Auf jeden Fall. Die Mitarbeitenden sind motivierter und effizienter, weil sie Lust an der Arbeit haben. Es ist bedenklich, dass heute etwa 40 Prozent der Kapazitäten durch interne Macht- und Eitelkeitsspielchen
verpufft werden. Natürlich muss eine Firma auch Gewinn machen. Aber die Frage ist: Setze ich bei den Zahlen oder bei den Menschen an? Und wenn ich die Menschen nur den Zahlen unterordne und auspresse, wie es oft
genug geschieht, dann ist das langfristig kontraproduktiv. Die Menschen werden krank. Das kommt auf die Dauer teurer. Ich muss also beiden Polen dienen: den Menschen und der Firma. Gewinn heisst aber nicht, dass ich immer mehr Gewinn machen muss. Gewinnmaximierung ist nicht das Ziel. Gewinn ist schon das Ziel.

Manche Manager sagen: «Zuerst kommen die Zahlen und dann erst der Mensch.»
A.G.: Diesen Satz höre ich sehr oft. Ich sage darauf immer: «Nein, zuerst kommt der Mensch und dann
stimmen auch die Zahlen.» Aber natürlich brauche ich manchmal einen langen Atem.

Was heisst das konkret?
A.G.: Zum Beispiel: Viele Firmenverantwortliche meinen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zuerst beim Personal sparen zu müssen. Ein solches Totsparen ist unkreativ und darüber hinaus unproduktiv. Wenn man diese Entlassungsgeschichten nämlich etwas genauer untersucht, sieht man, dass da viel mehr Geld verbraucht wird, als wenn ich einen langen Atem habe und die Mitarbeitenden weiterbeschäftige. Ein anderes Beispiel: In vielen Firmenleitungen herrscht die Ansicht, alles über den Preis, also möglichst billig, machen zu müssen, um an Aufträge zu kommen. Natürlich muss man Aufträge haben, aber Untersuchungen zeigen auch, dass der
Gewinn mit den Stammkunden gemacht wird. Die Stammkunden orientieren sich jedoch nicht nur an Zahlen, sondern am ganzen Betriebsklima: an der Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Qualität usw. Wenn das alles stimmt, dann ist es für die Firma auf Dauer sinnvoller, ihre Produkte zu einem vernünftigen Preis anzubieten, als den Konkurrenten unbedingt unterbieten zu wollen und sich damit gegenseitig kaputtzumachen. Ein solch aggressives Klima nützt nie etwas. Was es braucht, ist ein fairer Wettkampf, bei dem man sich gegenseitig anstachelt, wie beim Sport. Dort will man zwar auch gewinnen, aber der Verlierer fühlt sich nicht unbedingt als Verlierer. Er war halt jetzt nicht gut genug, aber er kann ja weiter trainieren. Es ist erschreckend, in wie vielen Firmen es an einer Vision, an Kreativität und Innovation mangelt.

Sie sprechen von Kreativität und Innovation. Im Kloster aber wird seit mehr als tausend Jahren der gleiche Lebensstil gepflegt.
A.G.: Es ist richtig, dass das Kloster seit 1500 Jahren gewisse gemeinsame Wurzeln hat. Natürlich gibt es im Vergleich zu damals Unterschiede, aber Regeln und Struktur des Lebens sind die gleichen. Auch bei uns muss sich die Gemeinschaft jedoch ständig wandeln, wir können uns nicht einfach auf äusseren Formen ausruhen. Diese müssen gefüllt werden. Dabei stellen sich immer wieder Fragen: Wie geht man miteinander um oder wie soll die Arbeit im Kloster organisiert werden? Das Kloster muss sich selbst finanzieren. Da wir an
den äusseren wirtschaftlichen Verhältnissen teilhaben, müssen wir kreative Wege finden, unsere Fähigkeiten und Botschaften so umzusetzen, dass sie wirtschaftlich tragen. Auch eine Firma braucht Kontinuiät und Wandel. Nur Wandel ist zu wenig, das schafft Unsicherheit und Angst. Aber wenn nur Kontinuität vorherrscht, besteht die Gefahr der Erstarrung.

Welche Motivation haben Sie als Mönch, solche Seminare anzubieten?
A.G.: Darin steckt sicherlich auch ein missionarisches Moment. Wir sind Missionsbenediktiner. Wir besitzen Missionen in Afrika, Korea und Südamerika. Mich persönlich hat es schon immer gereizt, in Bereiche vorzudringen, die von der Kirche nicht viel halten. Die Arbeitswelt, die Firmen sind solche Bereiche, zu denen die Kirche bisher wenig Zutritt hatte. Das ist das eine. Das andere ist, dass der einzelne Mensch, aber auch die Gesellschaft als Ganzes zu einem wesentlichen Teil von der Wirtschaft geprägt werden. Durch Moralisieren und Predigen kann ich die Gesellschaft nicht verbessern. Ich muss dort ansetzen, wo die Probleme liegen. Wenn es mir gelingt, ein besseres Klima am Arbeitsplatz zu schaffen, hat das positive Auswirkungen auf weitere Lebensbereiche: auf die Familie, auf das Zusammenleben in einer Stadt oder einem Dorf, auf den Alltag. Es ist also letztlich eine Verchristlichung durch das ganz konkrete Tun.

Ist das auch der Grund, warum Sie Cellerar, also wirtschaftlicher Leiter des Klosters, geworden sind?
A.G.: Ich fühle mich in erster Linie als Priester, nicht als Manager. Ich wollte nie in die Wirtschaft gehen, auch nicht Cellerar werden. Ich wollte Seelsorge betreiben. Als man mir den Posten des Cellerars anbot, bin ich zum Abt gegangen und habe ihm gesagt: «Das ist nichts für mich.» Daraufhin gab er mir zwei Wochen Bedenkzeit. In dieser Zeit und dank unzähliger Gespräche mit jungen Mitbrüdern habe ich gemerkt, was für einen grossen Einfluss man als Cellerar auf die Gestaltung der Arbeitswelt und letztlich auf die Gemeinschaft hat. Wenn die Arbeit gut organisiert ist, wenn die Mitarbeiter gerne arbeiten und den Sinn ihrer Arbeit sehen, ist das auch eine Form von Seelsorge, ein Dienst an den Menschen. Aber natürlich gibt es in der Verwaltung auch Ärger und Konflikte.

Sind Sie in Ihrer Funktion als wirtschaftlicher Leiter des Klosters auch schon mit christlichen Werten in Konflikt geraten ?
A.G.: Nun, es ist klar, dass die Wünsche immer grösser sind, als man sie erfüllen kann. Das ist ein altes Thema. Aber ich empfinde das Neinsagen, die Bescheidung nicht als unchristlich. Im Gegenteil, wenn man meint, alle Wünsche müssten erfüllbar sein, bleibt man im infantilen Bereich. Dass ich jemals in einen ernsthaften Konflikt geraten wäre, kann ich nicht behaupten. Ich musste zwar einmal zwei Leute entlassen, dies hatte jedoch keine wirtschaftlichen Gründe.

Viele kirchliche Institutionen stehen auf Grund von rückgängigen Mitgliederzahlen unter finanziellem Druck und müssen anfangen, wirtschaftlicher zu denken. Besteht nicht die Gefahr, dass die Kirche zu einem reinen Dienstleistungsunternehmen wird?
A.G.: Uns trifft das zum Glück nicht so stark. Die Klöster bekommen ja nichts von der Kirchensteuer. Aber sicher ist es immer eine Gratwanderung. Wie gehe ich mit Geld um, ohne dass das Geld die absolute Macht innehat und ohne dass ich die gleichen Mechanismen anwende wie die Wirtschaft? Wichtig sind vor allem drei Grundprinzipien: Geld dient den Menschen und nicht mir selber, es braucht eine innere Freiheit vom Geld, und es braucht einen spirituellen, kreativen Umgang mit Geld.

Was verstehen Sie darunter?
A.G.: Das bedeutet, dass ich die verschiedenen Möglichkeiten, Geld zu verdienen, ausschöpfe. Zum Beispiel, indem ich auf die Bedürfnisse der Menschen reagiere und das produziere, was die Menschen heute wollen. Oder indem ich in der Aktienanlage auf Firmen setze, die eine Vision haben und ethischen Massstäben gerecht werden. Oder auch, indem ich die Währungssituation und Zinssituation ausnütze, um günstige Kredite aufzunehmen und dann besser anzulegen.

Sie haben diesbezüglich also auch einiges von den Managern gelernt.
A.G.: Es ist nicht so, dass ich von ihnen Tipps erhalte, wie ich das Geld besser anlegen kann. Aber natürlich lerne ich auch viel von ihnen. Beispielsweise, wie konsequent sie Probleme angehen.

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