«der arbeitsmarkt» 10/2013TEXT: paola pitton
Getarnt

Fokus: Arbeitsbekleidung

Nie habe ich mich auffälliger gefühlt als im Tarnanzug. In der Uniform, die mich während neun Monaten den anderen Swisscoy-Soldaten so ähnlich machte, erregte ich ausserhalb von Kaserne oder Militärcamp Aufmerksamkeit. Trotz korrekter Berufsbekleidung vom Béret bis zu den Kampfstiefeln ergab sich offensichtlich kein den Sehgewohnheiten entsprechendes Berufsbild. Als Frau in den Vierzigern stach ich mit meiner tarnfarbenen Kleidung heraus wie die sprichwörtliche weisse Fliege.

Die Irritation verdeutlicht: Arbeitsbekleidung «macht» – normalerweise – die Berufsfrau, den Berufsmann. Wer in sein berufliches Outfit schlüpft, schlüpft in seine Funktion. Das gilt insbesondere für offizielle Bekleidung, wie sie nebst Soldaten etwa Ärztinnen, Richter oder Polizistinnen tragen. In dieser Uniform verschwindet das private Ich hinter das Amt, das die Person repräsentiert. Wie uniforme Kleidung neben der beruflichen Rolle Autorität, Macht und auch Schutz verleiht, erklärt eine Kulturwissenschaftlerin im Interview.

Zur uniformen Kleidung gehört nicht nur jene funktionelle, wie sie etwa Handwerker tragen, sondern auch die Anzüge und Zweiteiler von Bank- und Versicherungsangestellten oder anderen Dienstleistern. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Hersteller und Vertreiber von Berufsbekleidung auch Sakkos, Bundfaltenhosen und Jupes im Katalog führen. Sie bieten damit quasi Orientierungshilfe, wo korrekte Kleidung wichtig ist, es aber keinen festen Kleiderkodex (mehr) gibt. Denn Kleidung ist ein Statement. Als Teil unserer Erscheinung ist sie das Erste, was Mitmenschen von uns wahrnehmen – der erste Eindruck zählt. Und dass die «Uniform» gut sitzt, ist gerade bei Stellensuchenden wichtig.

Der Vorteil von uniformer Berufskleidung ist die Erkennbarkeit als Teil einer Gruppe nach innen und aussen. Und tatsächlich: Selbst wenn der eine oder andere Zivilist die Stirne runzelte ob meiner Aufmachung in Tarnfarben, alle wussten sofort, wo ich beruflich hingehörte. Und militärintern verlieh mir das Gradabzeichen, das meinen Rang darstellte, während des Einsatzes die Autorität, um meine Aufgabe wahrzunehmen. Alter und Geschlecht «verschwanden» dahinter. Ebenso wie die Frage: Was ziehe ich heute an?

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