«der arbeitsmarkt» 12/2006

Fördern statt strafen

In Luzern gibt es seit kurzem, wie in einigen andern Städten, eine Time-out-Klasse für Problemschülerinnen und -schüler. Nach einigen Monaten sollen sie wieder in ihre Stammklassen zurückkehren.

Schülerinnen und Schüler, die sich im Unterricht ihrer Stammklasse nicht mehr zurechtfinden und eine spezielle Betreuung nötig haben, gibt es immer mehr. Während früher der Schulausschluss oder eine Einweisung ins geschlossene Schulheim oft die einzigen Alternativen zum ordentlichen Unterricht waren, gibt es heute in verschiedenen Städten so genannte «Time-out-Klassen».
Vorreiter war der Kanton St.Gallen, wo es heute in verschiedenen Gemeinden bereits sechs solche Klassen unter dem Projektnamen «Kajak» gibt. Bald zogen Zürich, Bern und Solothurn nach und Anfang November 2006 hat auch der Kanton Luzern ein solches Angebot geschaffen.
Im Unterschied zur «normalen» Schule besuchen Time-out-Schülerinnen und -Schüler nur an zwei Tagen pro Woche den Unterricht und verbringen die übrigen drei Tage in einem Berufspraktikum. Während etwa in Zürich die Programme des zweiten Arbeitsmarktes für den praktischen Teil genutzt werden, sind es in Luzern verschiedene private und öffentliche Firmen und Betriebe, die Praktikantinnen und Praktikanten für drei Tage pro Woche aufnehmen. So etwa eine Gärtnerei, eine Garage und ein Hotel; aber auch Stellen in der Verwaltung, in Heimen oder in einer Grossküche werden angeboten.
Die Luzerner Time-out-Klasse steht sechs bis acht Jugendlichen vom siebten bis zum neunten Schuljahr offen. Klassenlehrer ist Willi Lüthi, unterstützt wird er von der Sozialarbeiterin Ruth Welti. Die Schule ist als Tagesschule konzipiert, wo an den Schultagen auch zusammen gekocht und gegessen wird. Dafür leisten die Eltern einen Beitrag von 25 Franken pro Woche ans Essen. Überhaupt ist der Einbezug des Elternhauses ein wichtiger Teil des Projektes. Die Eltern müssen den Aufenthalt ihres Kindes in der Time-out-Klasse aktiv unterstützen und werden regelmässig über die Fortschritte informiert.
Willi Lüthi legt denn auch Wert darauf, dass seine Time-out-Klasse «kein Straflager» für besonders renitente Jugendliche ist, sondern eine niederschwellige Fördermassnahme, deren Ziel die Wiederaufnahme der Jugendlichen in ihrer Stammklasse ist. Im Kanton St.Gallen gelingt dies heute bei rund 80 Prozent der Teilnehmenden. «Wir bieten mit unserem Projekt den Jugendlichen eine Schwimmhilfe in schwierigen Situationen an», erklärt Willi Lüthi, der vor seiner Tätigkeit als Sekundarlehrer eine Lehrwerkstatt mit Textillaboranten geleitet hat. So kennt er neben dem schulischen Alltag auch die Anforderungen, die von der Berufswelt an Jugendliche gestellt werden. Neben der Arbeit in den Betrieben werden die Jugendlichen unter seiner Anleitung auch praktische Arbeiten in Schulhäusern oder auf Schulhöfen verrichten. So waren sie etwa bereits im Maihof-Schulhaus zum Holzsägen und -hacken. Für diese Einsätze hat sich der Lehrer vom Zivilschutz alte Arbeitskleidungen ausgeliehen.
Für die Luzerner Time-out-Klasse werden rund 200 000 Franken pro Jahr aufgewendet. Schülerinnen und Schüler aus andern Gemeinden als der Stadt Luzern müssen für die Teilnahme pro Woche 570 Franken bezahlen, die von der jeweiligen Schulbehörde übernommen werden. Das ganze Programm teilt sich in drei Phasen auf, die je eineinhalb bis zwei Monate dauern. In der Beobachtungs- und Orientierungsphase werden nach einem Aufnahmegespräch persönliche Ziele gesteckt und von Eltern, Jugendlichen und Projektverantwortlichen gemeinsam eine Aufnahmevereinbarung unterschrieben. Zuerst geht es vor allem darum, soziale Grundkompetenzen zu üben: Anstand, Verlässlichkeit, sorgfältiges Verwenden von Material und nicht zuletzt das Anerkennen von Autoritäten stehen dabei im Vordergrund.
Die zweite Phase dient der Entwicklung und Vertiefung der gesteckten Ziele. Dabei lernen die Jugendlichen auch, eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entdecken und weiterzuverfolgen.
Als Drittes folgt die Austrittsphase, wobei die Rückkehr in die Stammklasse geplant wird. Ausserdem ist eine Nachbetreuung durch die Sozialarbeiterin gewährleistet: Rund zwei Wochen nach der Rückkehr findet ein Abschlussgespräch statt und falls nötig werden dabei weitere Gespräche oder Massnahmen geplant.
Wie überfällig das Angebot einer Time-out-Klasse in Luzern ist, lässt sich auch daran erkennen, dass bereits kurz nach Start des Projektes bis auf weiteres alle Plätze ausgebucht sind.

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