«der arbeitsmarkt» 06/2007

Ein Dach für Arbeitswillige

Die Buchli Bedachungen GmbH ist eine der zwei Gewinnerinnen des Basler Sozialpreises 2007. «der arbeitsmarkt» hat den engagierten
Geschäftsinhaber Meinrad Buchli besucht.

Eigentlich ist das Büro von Meinrad Buchli eine Mischung aus Arbeitsplatz und Wohnung und das passt auch, denn der gelernte Zimmermann hat sich selbständig gemacht, damit er als siebenfacher Vater aktiv bei der Kinderbetreuung mitwirken kann.
Auf einem grossen, schweren Schreibtisch am Fenster stapeln sich noch nicht verschickte Offerten, Zeichnungen und Pläne. Daneben befinden sich ein Computer, Telefon, Fax und Drucker. An einer Wand hängt eine vergrösserte Fotografie. Sie zeigt die Familie Buchli beim Strassenkonzert in der Freienstrasse in Basel. Auf einem Büchergestell am Fussende eines Bettes steht ein grosser Fernseher. Weitere Gestelle, Schränke und ein paar Stühle verstellen den Raum.

Kameradschaftlichkeit und Respekt sind Pflicht

Die Buchli Bedachungen GmbH für Zimmermann- und Spenglerarbeiten in Basel wurde 1979 gegründet und beschäftigt normalerweise neun bis zwölf Angestellte. Stellenausschreibungen hat der Patron allerdings nicht nötig. Es gibt immer genug Arbeits-suchende, die auf ihn zukommen. Denn es hat sich herumgesprochen: Da gibt es jemanden, der für jeden Arbeitswilligen eine Aufgabe findet. Auch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva oder die Psychiatrische Universitätsklinik PUK schicken ihm manchmal Leute vorbei. Hier arbeiten Leute, die sich wieder an einen geordneten Ablauf im Arbeitsleben gewöhnen müssen oder gesundheitlich geschädigt sind, auch Menschen mit Suchtproblemen. Es herrscht ein reger Wechsel im Team. Einige Arbeiter bleiben Monate und Jahre, andere tauchen nach wenigen Tagen nicht mehr auf.
Berufliche Mindestanforderungen gibt es nicht, gefordert werden weder Arbeitszeugnisse noch ein Berufsabschluss. «Es wäre aber schon gut, wenn jemand schwindelfrei ist und sich sicher auf einem Dach bewegen kann», sagt Meinrad Buchli. Und da gibt es noch ein paar Kriterien, auf die er besonderen Wert legt. Das oberste Gebot lautet: Kameradschaftlichkeit und Respekt.

Von der Ehefrau für den Sozialpreis nominiert

Als grösste Schwierigkeit bezeichnet der grosszügige Geschäftsführer den Umstand, dass gewisse Mitarbeitende nicht sehr zuverlässig sind. Manchmal melden sie sich kurzfristig ab, erscheinen einfach nicht mehr oder sind nicht gerade eifrig bei der Sache. Buchli erinnert sich an einen Beschäftigten, der lieber im «Blick» las, als auf dem Dach zu arbeiten. Das tat er ausgerechnet vor dem Eingang, so dass niemand vorbei konnte.
Anderswo hätte ein solches Verhalten Konsequenzen. Bei Buchli? «Ich sagte ihm, lies doch deine Zeitung einen Meter weiter, dann bist du niemandem im Weg.»
Grundsätzlich benötigt die Buchli GmbH mehr Arbeitsstunden als andere Unternehmen, da je nach Leistungsstärke für eine Arbeit mehr Personen als üblich eingesetzt werden. Da jedoch Pauschalpreise vereinbart werden, stören sich die Kunden kaum daran. Und über die Qualität der Arbeit brauchen sie sich erst recht keine Gedanken zu machen. Die Endkontrolle liegt in den Händen erfahrener Vorarbeiter oder des
Meisters selbst.
Im Laufe der Zeit hat der aus dem Safiental stammende 62-Jährige schon so einiges erlebt. Geschichten über Mitarbeitende gibt es viele, schöne, aber auch weniger schöne. So wurde Buchli schon mehrfach bestohlen. Vor zwei Monaten etwa verschwand sein Spenglerbus, beladen mit Material für den nächsten Einsatz. Die ganze Truppe ging den Geschäftswagen suchen, doch dieser blieb wie vom Erdboden verschluckt. Beweisen kann der Patron nichts, aber eigentlich hat er keine andere Erklärung, als dass ein damals beschäftigter Suchtkranker den Wagen mitlaufen liess und ihn im Ausland verscherbelt hat. Der Mann ist bei den Behörden und der Heilsarmee bekannt und seit dem Vorfall unauffindbar.
Für viele wäre es eine grosse Enttäuschung, von Menschen hintergangen zu werden, denen man eine Chance geboten hat. Und Buchli? Er sagt, er sei froh, bei guter Gesundheit zu sein.
Für den Basler Sozialpreis angemeldet hat ihn seine Frau Margrit Buchli. Sie befürwortet sein Engagement zwar, kann aber nicht verstehen, weshalb er keine Unterstützung für seinen sozialen Einsatz erhält und manchmal sogar noch draufzahlen muss. Denn wenn Ende Monat nicht genug da ist, um alle Löhne zu bezahlen oder auch um einem Mitarbeitenden die Wohnungsmiete zu berappen, wird die private Kasse angezapft. In ihrem Schreiben an die Sozialpreisjury liess die siebenfache Mutter etwas Dampf ab. Kein Wunder, denn während ihr Mann Sozialfälle unterstützt, ging sie in schlechten Wintern, wenn das Geschäft nicht so gut lief, mit ihrer Familie auf der Strasse musizieren, um sich einen «Zustupf» zu verdienen.

Weitsicht und Fernweh auf den Dächern der Stadt

Für die Zukunft hat Meinrad Buchli noch diverse Projekte und Ideen parat. «Da gibt es noch einige Erfindungen, die auf mich warten», meint er schmunzelnd, will aber nicht mehr verraten. Kein Geheimnis ist, dass es den Bündner wieder nach Australien zieht, wo er mit seiner Familie während dreier
Jahre gelebt hat.
Bis es so weit ist, freut sich der leidenschaftliche Handwerker über seine Einsätze auf den Dächern von Basel. Dort geniesst er die Weitsicht über die ganze Stadt.

 

Zwei Preisträger: Buchli und Roche

Der Basler Sozialpreis würdigt Unternehmungen, die sich für die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Menschen mit Leistungseinschränkungen einsetzen und arbeitsplatzerhaltende Massnahmen ergreifen. Personen, «die wegen einer körperlichen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigung oder aus sozialen Gründen in ihrer Leistung eingeschränkt sind», können durch die berufliche Integration ihre Funktion in der Gesellschaft wahrnehmen. Das schafft persönliche Befriedigung und entlastet die Sozialversicherungen.

Der Preis ist mit 20 000 Franken dotiert und wird alle zwei Jahre durch den Regierungsrat verliehen. Eine interdisziplinäre Jury mit Vertretern aus Sozialversicherung, Verwaltung, Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden sowie Betroffenen wählt den Gewinner. Bewertet werden unter Berücksichtigung der Unternehmensgrösse die Kontinuität und Qualität der Ausbildungs- und Arbeitsplätze, besondere Projekte und Arbeitsplatzerhaltung. Nebst dem Preisgeld werden die Honorierten auch in einer öffentlichen Plakatkampagne gewürdigt. Teilnehmen können alle nicht-subventionierten Unternehmungen des Kantons Basel-Stadt.

Die Verleihung fand im Mai 2007 im antiken Saal des Kleinen Klingentals am Unteren Rheinweg statt. Die Feier wurde begleitet durch musikalische Einspielungen von der Musikgruppe «Die Einweicher». Die Band besteht aus einer wechselnden Zahl an geistig behinderten und drei nicht behinderten Bandmitgliedern. Die Musik entsteht bei Improvisationen und ist so facettenreich wie die einzelnen Gruppenmitglieder. Die wilden oder auch sanft melancholischen Songs ergaben zusammen mit dem schönen Raum und den ausgestellten Originalstatuen des Basler Münsters eine stimmige Atmosphäre.

Geehrt wurden schliesslich zwei Unternehmungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nebst der Kleinfirma Buchli GmbH hat die Jury auch den Weltkonzern Roche Basel ausgezeichnet. Der Pharmariese erhält den Preis für sein vorbildliches Engagement in der Mitarbeitendenförderung. Roche erhebt den Anspruch, bei Schwierigkeiten rechtzeitig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das in allen Bereichen implementierte Case Management, ein spezifisches Verfahren zur koordinierten Bearbeitung komplexer Fragestellungen im Sozial-, Gesundheits- und Versicherungsbereich, unterstützt die Früherkennung der Problemlagen von Angestellten.
Die Rehabilitation von kranken oder verunfallten Mitarbeitenden wird frühzeitig angegangen. Falls eine Weiterführung der bisherigen Tätigkeit nicht mehr möglich ist, setzt sich Roche dafür ein, für die Betroffenen eine neue Aufgabe zu finden und so eine Ausgliederung zu vermeiden. Dabei schafft Roche auch Sozialstellen für Mitarbeitende, deren Sozialversicherer die Verantwortung nicht übernehmen wollen.

Der Preis wurde das erste Mal im Jahre 2003 verliehen. Damals wurde der Firma Rudin Reinigungen die Anerkennung zugesprochen. Zwei Jahre später konnte mangels passender Kandidaturen kein Preis verliehen werden. Der Regierungsrat hielt jedoch an der Preisverleihung fest und hat mit Hilfe einer Werbekampagne für den Sozialpreis geworben.
Die hohe Beteiligung zeigt, dass sich die Bemühungen gelohnt haben: 17 Kandidaturen wurden eingereicht, eine Verdreifachung
gegenüber 2003.

Weitere Informationen zum Basler Sozialpreis:
www.awa.bs.ch/dl-sozialpreis.htm Der Basler Sozialpreis würdigt Unternehmungen, die sich für die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Menschen mit Leistungseinschränkungen einsetzen und arbeitsplatzerhaltende Massnahmen ergreifen. Personen, «die wegen einer körperlichen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigung oder aus sozialen Gründen in ihrer Leistung eingeschränkt sind», können durch die berufliche Integration ihre Funktion in der Gesellschaft wahrnehmen. Das schafft persönliche Befriedigung und entlastet die Sozialversicherungen.

Der Preis ist mit 20 000 Franken dotiert und wird alle zwei Jahre durch den Regierungsrat verliehen. Eine interdisziplinäre Jury mit Vertretern aus Sozialversicherung, Verwaltung, Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden sowie Betroffenen wählt den Gewinner. Bewertet werden unter Berücksichtigung der Unternehmensgrösse die Kontinuität und Qualität der Ausbildungs- und Arbeitsplätze, besondere Projekte und Arbeitsplatzerhaltung. Nebst dem Preisgeld werden die Honorierten auch in einer öffentlichen Plakatkampagne gewürdigt. Teilnehmen können alle nicht-subventionierten Unternehmungen des Kantons Basel-Stadt.

Die Verleihung fand im Mai 2007 im antiken Saal des Kleinen Klingentals am Unteren Rheinweg statt. Die Feier wurde begleitet durch musikalische Einspielungen von der Musikgruppe «Die Einweicher». Die Band besteht aus einer wechselnden Zahl an geistig behinderten und drei nicht behinderten Bandmitgliedern. Die Musik entsteht bei Improvisationen und ist so facettenreich wie die einzelnen Gruppenmitglieder. Die wilden oder auch sanft melancholischen Songs ergaben zusammen mit dem schönen Raum und den ausgestellten Originalstatuen des Basler Münsters eine stimmige Atmosphäre.

Geehrt wurden schliesslich zwei Unternehmungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nebst der Kleinfirma Buchli GmbH hat die Jury auch den Weltkonzern Roche Basel ausgezeichnet. Der Pharmariese erhält den Preis für sein vorbildliches Engagement in der Mitarbeitendenförderung. Roche erhebt den Anspruch, bei Schwierigkeiten rechtzeitig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das in allen Bereichen implementierte Case Management, ein spezifisches Verfahren zur koordinierten Bearbeitung komplexer Fragestellungen im Sozial-, Gesundheits- und Versicherungsbereich, unterstützt die Früherkennung der Problemlagen von Angestellten.
Die Rehabilitation von kranken oder verunfallten Mitarbeitenden wird frühzeitig angegangen. Falls eine Weiterführung der bisherigen Tätigkeit nicht mehr möglich ist, setzt sich Roche dafür ein, für die Betroffenen eine neue Aufgabe zu finden und so eine Ausgliederung zu vermeiden. Dabei schafft Roche auch Sozialstellen für Mitarbeitende, deren Sozialversicherer die Verantwortung nicht übernehmen wollen.

Der Preis wurde das erste Mal im Jahre 2003 verliehen. Damals wurde der Firma Rudin Reinigungen die Anerkennung zugesprochen. Zwei Jahre später konnte mangels passender Kandidaturen kein Preis verliehen werden. Der Regierungsrat hielt jedoch an der Preisverleihung fest und hat mit Hilfe einer Werbekampagne für den Sozialpreis geworben.
Die hohe Beteiligung zeigt, dass sich die Bemühungen gelohnt haben: 17 Kandidaturen wurden eingereicht, eine Verdreifachung gegenüber 2003.

Weitere Informationen zum Basler Sozialpreis:
www.awa.bs.ch/dl-sozialpreis.htm

Zur PDF-Version: