«der arbeitsmarkt» 08/2005

Diskussionen vor Ort

Grosse Resonanz erzeugte die Einladung des AWA Zürich zum Tag der offenen Tür in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung. Fast 300 RAV-Berater nutzten die Gelegenheit, sich vor Ort über die Angebote zu informieren. Nebenbei lernte der eine oder andere auch etwas über das Innenleben eines PC-Monitors.

Zwei Gemeinsamkeiten gab es überall: Kaffee und angeregte Diskussion. Am PvB-Tag, der heuer erstmals stattfand, gab es scheinbar nur zufriedene Gesichter. RAV-Berater und Mitarbeitende der Sozialdienste reisten quer durch den Kanton Zürich, um sich die PvB, EAM oder Motivationssemester vor Ort anzusehen, die sie sich aus 35 Angeboten ausgewählt hatten. Je ein Programm konnte am Vormittag, eines am Nachmittag besucht werden. Das AWA (Amt für Wirtschaft und Arbeit) Zürich hatte den Begegnungstag initiiert.
Christine Weilenmann, Produktverantwortliche PvB beim AWA, zeigte sich sehr zufrieden mit der Resonanz: «Laut un-seren Zahlen haben über 270 Personalberatende der RAV teilgenommen.» Der beachtliche organisatorische Aufwand habe sich gelohnt.
Der Besuchstag löste die PvB-Messe ab, die das AWA seit dem Jahr 2000 jährlich veranstaltete. Diese Messe hatte man erfunden, um den RAV-Beratern einen Überblick über das vielfältige Angebot zu ermöglichen. Dort sollten sich alle Anbieter präsentieren und Kontakte untereinander und mit den RAV-Beratern knüpfen. Christine Weilenmann: «Damals waren gerade sehr viele neue Angebote entstanden und andererseits viele Personalberater neu eingestellt worden. Der Informationsbedarf war entsprechend gross.» Nach vier Jahren sei «die grosse Palette» der Anbieter bekannt, man habe also nach einer neuen Form der Veranstaltung gesucht. Noch sei nicht entschieden, ob der Besuchstag künftig die Messe ersetzen soll.
Teilnehmende und Anbieter schätzten die persönlichere Atmosphäre, die der Besuchstag gegenüber der Messe bot. Cathrina Raschein, Coach bei Vulkaro Adliswil, einem PvB, das sich mit dem Recycling von Haushaltsgeräten beschäftigt, erzählt: «Es war spannend, die Leute zu sehen, die man so oft am Telefon hat.» Die Kontakte und der Meinungsaustausch über die Zusammenarbeit seien intensiver gewesen, als dies an der Messe möglich gewesen wäre.

Begegnungen in persönlicher Arbeitsatmosphäre

Kleiner Nebeneffekt: Manch ein RAV-Berater konnte sich vor Ort überzeugen, dass mittlerweile alle PvB über ausreichend Bewerbungsinfrastruktur verfügen. Einige nahmen das überrascht zur Kenntnis, weil sie von ihren
Klienten anderes erzählt bekommen hatten. Die Ausrede gilt nicht mehr, man habe keine Möglichkeit gehabt, Bewerbungen zu schreiben, weil man den ganzen Tag ohne Zugang zu einem PC in der Werkstatt arbeiten müsse.
An den meisten Orten kamen die PvB-Leiter zumindest in den Pausen zwischen den Besuchergruppen sogar ein wenig zum Arbeiten und blieben für ihre Mitarbeitenden vor Ort erreichbar. Während der Messeteilnahme war stets ein ganzer Arbeitstag belegt. Ohnehin wurde der wesentlich persönlichere Kontakt, den der Besuch vor Ort ermöglichte, gelobt. Auf der Messe habe man eher Marketing betreiben müssen, und das liege nicht allen Anbietern gleichermassen, so der allgemeine Tenor. Peter Baltensberger vom KAP (Koordinationsstelle für Arbeitsprojekte) Winterthur bestätigt: «Wir hatten sehr schöne Begegnungen und es wurde allseits geschätzt, dass wir in den Gesprächen in die Tiefe gehen konnten.» Wichtig sei ihm auch, dass die Besucher die persönliche Arbeitsatmosphäre spüren konnten, bei einer Messe ein Ding der Unmöglichkeit. Baltensberger: «Es kam zu einem echten Austausch, an der Messe hätten wir vor allem Prospekte verteilt.»
Auch Rolf Munz von HOP! Züri findet: «Der PvB-Tag ist eine bessere Form als die Messe. Die Begegnungen sind intensiver, der inhaltliche Austausch grösser. Uns war es möglich, den Beratern unser Angebot zu verdeutlichen.» HOP! Züri sei bekannt als Anbieter von Gastroplätzen. Die Plätze im Handwerksbereich würden oft nicht wahrgenommen. «Diese Plätze in natura zu präsentieren, war ein grosser Vorteil. Es hat uns auch gefreut, dass etwa ein Drittel unserer Besucher die Gelegenheit wahrnahmen, sich über Mittag in unseren Restaurants zu verpflegen», so Munz weiter.

«Man müsste mehr miteinander reden»

Während sich die meisten Programme auf Führung und anschliessende Diskussion beschränkten, wurde beim Zweckverband SNH (Soziales Netz Horgen) Hand angelegt. Alle Besucher schlüpften in die Rolle der PvB-Teilnehmenden und konnten wählen, ob sie einen ausgedienten PC-Monitor fachgerecht zerlegen oder an einem Filzprodukt arbeiten wollten. Bei der gemeinsamen Arbeit sei es zu sehr angeregten Diskussionen gekommen, erzählt Bereichsleiter Hans Vogel. Weil das SNH eines der wenigen Projekte war, bei denen nicht nur RAV-Berater, sondern auch Mitarbeitende der Sozialdienste der Gemeinden den Besuchstag nutzten, gab es reichlich «interdisziplinären» Diskussionsstoff. Vogel: «Fazit war: Man müsste mehr miteinander reden.» Beispielsweise wäre es oft möglich, einen Versicherten, dessen Taggelder vor Beendigung der üblichen sechs Monate PvB-Teilnahme auslaufen, anschliessend über die Sozialdienste weiter im Programm zu belassen. So bekämen auch Leute eine Chance, bei denen zu spät über eine Zuweisung nachgedacht wurde.
Rechtzeitige Absprache zwischen den zuständigen Behörden könnte häufig helfen, findet aber an manchen Orten noch zu wenig statt. Ruedi Hofstetter, Amtschef des Sozialamtes Zürich, wünscht sich das ohnehin: «Wir haben grosses Interesse an sozialer Integration. Der Zugang zu den vorhandenen Angeboten muss einfacher möglich werden.» Sein Amt empfehle immer wieder dringend, dass sich die Gemeinden zusammenschliessen sollten, um beispielsweise Angebotsplätze einzukaufen. Eine kleine Gemeinde sei sicherlich überfordert, wenn sie alles selbst anbieten wolle. Auch darum habe man in Zusammenarbeit mit dem AWA die Fürsorgebehörden und regionalen Sozialdienste ebenfalls zum Besuchstag eingeladen, damit sich diese einen Überblick über das vorhandene Angebot verschaffen konnten. Noch nahmen nur wenige das Angebot wahr.

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