«der arbeitsmarkt» 02/2005

Deutschlands Zukunft sieht etwas rosiger aus

Deutschland hat endlich wichtige Sozialreformen angepackt. Führt die Reform des Arbeitsmarktes, kurz Hartz IV genannt, zu mehr Arbeitslosen? Zumindest begründet sie ein neues statistisches Zeitalter. Ungebrochen bleibt 2005 der Trend zu neuen Beschäftigungsformen.

Seit Jahren klagen die Deutschen über die schlechte Wirtschaft. Endlich mehren sich die Zeichen einer Erholung. Die Auguren vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (siehe Kasten IAB) sind der
Meinung, dass 2005 die Wende bringe. Um das zu sehen, muss man aber zwischen den Zahlen lesen: Statistisch steigt die Arbeitslosenquote nämlich erst mal an.
Die deutsche Wirtschaft erlebte 2004 ein Wachstum von 1,7 Prozent. Eine Ziffer, die allerdings mit Vorsicht zu geniessen ist. Der Hauptmotor war die Exportindustrie, also die Weltwirtschaft. Auch der Kalender half mit: Weil überdurchschnittlich viele Feier-tage auf ein Wochenende fielen, stieg die Produktivität automatisch. Für die 4,38 Millionen Arbeitslosen haben sich die Chancen auf eine Stelle deswegen noch nicht verbessert. Das soll sich nun 2005 ändern, zumindest ein wenig.

Ich-AGs, 1-Euro-Jobs und neue Statistiken

Das IAB rechnet für 2005 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,75 Prozent. Weil der Kalender diesmal wieder weniger Arbeitstage enthält, zeugt die Zahl von einem echten Zuwachs an Produktivität. Bundesweit wird es rund 120000 neue Jobs geben. IAB-Arbeitsmarktforscher Hans-Uwe Bach schränkt allerdings ein: «Die neuen Jobs helfen der Arbeitslosenstatistik nur bedingt. Seit fünf Jahren beobachten wir nämlich einen Trend weg von den traditionellen Vollzeitstellen.» Der IAB-Bericht zeigt: Der Beschäftigungszuwachs läuft weitgehend über Selbständigkeit, Teilzeitarbeit oder Mini- beziehungsweise Midi-Jobs (solche mit weniger als 400 beziehungsweise 800 Euro Monatslohn). So sind es oft nicht die gemeldeten Arbeitslosen, die wieder ins Berufsleben einsteigen, sondern Menschen, die bisher nirgends erfasst waren, beispielsweise Studenten, Hausfrauen oder Sozialhilfeempfänger.
Seit 2003 wird in Deutschland eine Arbeitsreform durchgeführt. Die Bundesagentur für Arbeit setzt darin verstärkt auf das Prinzip «Fördern und fordern». Zum einen werden Gründer von Kleinstunternehmen, so genannter Ich-AGs, mit Startgeldern gefördert. Zum anderen gibt es einen sanften Zwang zur Arbeit: Empfänger des neuen «Arbeitslosengeldes II» (das die ehemalige «Arbeitslosenhilfe» für ausgesteuerte Arbeitslose ersetzt) müssen beispielsweise Arbeiten wahrnehmen, wofür sie nur 1 Euro pro Stunde zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld bekommen. Das soll der Wiedereingliederung dienen. Dafür wird die Betreuung der Arbeitssuchenden intensiviert, denn ein Betreuer soll künftig statt für bis zu 800 Arbeitssuchende für maximal 150 zuständig sein. Mit Spannung erwartet das IAB die Auswirkungen von Hartz IV beziehungsweise SGB II. Auf dieser Stufe der Reform wurden am 1. Januar 2005 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt. Dies bringt die Statistik gehörig durcheinander. So rechnet man aufgrund der Voraussetzungen von 2004 im neuen Jahr mit 15000  Arbeitslosen weniger, die Prognosen liegen aber bei einem Zuwachs von 50000.
Warum das? Ein Beispiel: 2004 gab es rund 300000 Sozialhilfeempfänger, die theoretisch erwerbsfähig, aber nicht beim Arbeitsamt gemeldet waren. Nach der neuen Regelung würden diese als arbeitslos registriert. Auf der anderen Seite schätzt das IAB, dass sich 125000 Arbeitslose abmelden werden, weil sie unter dem neuen Gesetz keinen Anspruch auf Taggelder mehr haben. So wird die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen anfänglich stark ansteigen. Je nachdem, wie und wann die Massnahmen greifen, sinken diese Zahlen wieder. Dazu Bach: «Wir müssen erst mal die Anfangsphase überwinden und schauen, was dabei rauskommt. Für Vergleiche bildet 2005 jedenfalls eine völlig neue Basis.»    

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