«der arbeitsmarkt» 01/2005

Black Belt, Food Stylist und Head Greenkeeper

Die Welt wird globaler, Berufsbezeichnungen werden es auch. So haben sich die Anglizismen in Schweizer Stelleninseraten seit 1990 mehr als verdreifacht. Dabei überbieten sich Unternehmen und Personalberater im Kreieren neuer Jobs.

Gabriela Bättig*, 37, ist eine Bankkauffrau und arbeitet in einer Grossbank. «Project Managerin/Human Resource Management» steht auf ihrer Visitenkarte. Nach einer sechsmonatigen Babypause sucht sie einen neuen Job: «Auf Februar 2005, aber nur für 40 Prozent. Mehr ist nicht drin.» Wegen der neuen Stelle traf sich Gabriela letzte Woche mit ihrem bisherigen Teamleiter. Er sagte ihr, dass Black Belt Manager gerade die Bank durchkämmen würden. Sie sollten feststellen, wo man Prozesse optimieren könne. Erst danach wisse er, ob noch Stellen frei wären.
Deshalb durchforstet Gabriela den Stellenmarkt. Heute ist die einzige Teilzeitstelle im Bankbereich ein «Sales Manager Fixed Income». Gabriela spricht Englisch auf Proficiency-Level, ist seit 16 Jahren in der Branche und arbeitet im Personalwesen. Sie hat jedoch keine Ahnung, was das für ein Job sein könnte: «Hört sich nach Verkaufsinnendienst an.»
Von der zuständigen Personalberaterin wissen wir, dass in den nächsten zehn Tagen auf diese Stelle bis zu 200 Dossiers eingehen werden. Rund die Hälfte wird das Anforderungsprofil nicht erfüllen. Falsche Selbsteinschätzung und Fehlinterpretation des Inserats seien die Hauptgründe, wird uns gesagt. Wir fragen: «Was bedeutet Fixed Income?» Es töne nach Verkaufsinnendienst, meint die Personalberaterin. Für Details müsse sie die zuständige Kollegin fragen.
Black Belts, Java Developer, Head Greenkeeper, Sales Engineer Overseas, Sales Assistant Fixed Income: Im Schweizer Stellenmarkt wimmelt es von englischsprachigen Ausdrücken. Seit 1990 hat sich die Zahl der
Anglizismen in Schweizer Stelleninseraten mehr als verdreifacht.
Das ist das Resultat einer Studie. Cécile Oberholzer, 25, studiert Soziologie an der Universität Zürich. Ihr fiel die Häufung von Anglizismen auf. In einer wissenschaftlichen Arbeit hat sie 26500 Stelleninserate ausgewertet und dabei 2742 verschiedene Anglizismen gefunden. Auf rund drei englische Wörter bringt es heute jedes Inserat durchschnittlich. Bis zu 43 Anglizismen sind es im Einzelfall (siehe Grafik).

Englisch besitzt ein hohes Prestige

Die Entwicklung beschleunigte sich Mitte der Neunzigerjahre parallel zu Internet und zur Globalisierungsdebatte. Für Cécile Oberholzer ist die rasante Zunahme von Anglizismen in Stelleninseraten deshalb eine logische Folge unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung. Ihre Studie bestätigt, was viele schon vermutet hatten: Anglizismen werden am häufigsten in Ballungsräumen, grösseren Unternehmen und im so genannten White-Collar-Bereich, das heisst von Angestellten, verwendet. In Banken, Versicherungen, Beratungs- und Informatikunternehmen werden Anglizismen viel häufiger benutzt als im Baugewerbe, Einzelhandel oder in der öffentlichen Verwaltung.
Am häufigsten sind es Begriffe aus Business, Marketing und Technik, die der Anglisierung zum Opfer fallen. Nach Meinung von Fachleuten ist die englische Sprache hier oft treffender und präziser. Anglizismen beziehen sich oft auf Marken und Produkte. Beispiele sind der Flash Designer oder der Fund Manager. Diese Stellen auf Englisch zu benennen macht Sinn: Flash ist ein Markenname, die Begriffe Designer, Fund und Manager sind allgemein bekannt. Fachleute sind sich darin einig, dass in solchen Fällen die Verwendung von Anglizismen nützlich ist. Sie gehen davon aus, dass sie allgemein verstanden werden.
So entstandene Anglizismen machen aber nur rund 30 Prozent aus. Für die restlichen rund 70 Prozent aller in Stellensinseraten verwendeten Anglizismen gäbe es ein deutsches Pendant. Sie werden kreiert aus Gründen der Unternehmenskultur und des Personalmarketings. Die meisten Unternehmen verfassen ihre Stelleininserate individuell. Andere passen sich an und übernehmen die Bezeichnungen ihrer Konkurrenten. So wird aus einem Anwaltssekretär schon mal der Paralegal oder aus einem Hauswart der Facility Manager.
Sich hier für die falsche Sprache zu entscheiden, kann Folgen haben. Benutzt man zu wenig Anglizismen, gilt man als altbacken. Verwendet man zu viele, erscheint das Unternehmen unseriös. Richtig liegen Unternehmen, die eine professionelle Sprachregelung für Stelleninserate festgelegt haben. Sie wird in den meisten Fällen von Marketing- und Personalfachleuten gemeinsam erarbeitet und ist Teil der Unternehmenskultur.
«Das Erfolgsrezept ist, das richtige Mass zu finden», meint Iris von Deschwanden von der BGGK Personalberatung AG in Zürich. Die meisten Stelleninserate müssten gewissenhafter formuliert werden. Dann könnten die Unternehmen den Rekrutierungsprozess genauer steuern. Viele Personaldienste stünden aber auch unter Erfolgsdruck. Sie müssten pro Mandat eine gewisse Anzahl von guten Dossiers generieren. «Viele Kunden erwarten das. Da wird schon mal das eine oder andere Inserat aufgepeppt. Dabei ziehen englischsprachige Titel mehr, aber nicht unbedingt bessere Bewerber an.»
Oft fehlt es beim Verfassen eines Inserats an einer geeigneten deutschen Übersetzung. Dann werden englische Bezeichnungen einfach als Fachwörter adoptiert. Unternehmen und Personalberater adoptieren gerne, denn Englisch steht für Jugendlichkeit und Dynamik. Und Englisch hat in der Geschäftswelt ein höheres Prestige. Das heisst im Klartext: Anglizismen unterstreichen die globale und innovative Ausrichtung eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Sprache ist ein Instrument der Unternehmensführung und des Marketings.

Imagetauglichkeit unter Freunden

Eine weitere Ursache für die sprachlichen Veränderungen im Stellenmarkt ist der deutlich verschärfte nationale und internationale Wettbewerb. Um Kosten zu senken, bearbeiten viele Grossunternehmen die Länder nach international standardisierten Konzepten. «Globalisieren» nennt das die Fachwelt. Das funktioniert aber nicht überall: Die verschiedenen internationalen Märkte unterscheiden sich nicht nur durch Grösse, sondern auch durch Kultur, räumliche Entfernung und Sprache. Unternehmen müssen diesen spezifischen Merkmalen gerecht werden. Möchte ein solches Unternehmen in einem Stelleninserat richtig verstanden und interpretiert werden, muss es auch der Unternehmenskultur, der Region oder der angesprochenen Berufsgruppe gerecht werden. In jedem Falle beeinflusst jedes Stelleninserat mit Anglizismen unsere Sprache. Unbedacht verwendet führen sie
zu einer Verwässerung und dazu, dass bald keiner mehr weiss, worum es im Stelleninserat geht.
Cornel Müller ist Kernbereichsleiter für Personalmanagement an der Fernfachhochschule Schweiz. Für ihn ist die Sogwirkung der «Bologna»-Erklärung ein nicht zu unterschätzender Faktor. In dieser Erklärung hat sich die Schweiz 1999 zusammen mit 28 anderen europäischen Staaten auf eine gemeinsame Hochschulreform verständigt. Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Dazu soll unter anderem ein gemeinsames System verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse geschaffen werden. Aus einem Universitätsabschluss wird ein Master, aus einem Fachhochschulabschluss ein Bachelor. Müller vermutet, dass auch andere Berufsbereiche diese Erklärung zum Vorbild nehmen. Der Anglizismus ist ein probates Mittel zur Stellenaufwertung geworden.
Der Personalmanager ortet noch einen weiteren Trend: «Wichtig ist nicht, was man ist, sondern was man macht. Bei der Stellenbezeichnung bewegt man sich weg vom Beruf und hin zum Tätigkeitsprofil.»
Den Wandel hin zu trendigen Berufsbezeichnungen belegt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung in Berlin. Vor allem Jugendliche lesen Stelleninserate auf eine ganz neue Art. Sie verbinden den Namen eines Berufs nicht nur mit den damit verbundenen Tätigkeiten, sondern prüfen vor allem auch dessen Imagetauglichkeit unter Freunden. Wichtig ist für sie der Eindruck, den seine blosse Erwähnung macht. Schadet die Berufsbezeichnung dem eigenen Ansehen, wird eine solche Stelle gar nicht erst in Betracht gezogen.
Angesichts dieser Entwicklung übt Müller auch Kritik an den Schweizer Behörden. Das zuständige Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) nehme seine Aufgaben nur zaghaft wahr. Es sei auch nicht am Puls der Zeit. Einen Sales Manager könne man heutzutage einfach nicht mehr einen «eidgenössisch diplomierten Agenten» nennen.

Deutsch-englische Sprachverwirrung

Dani Duttweiler vom BBT, Leistungsbereich Berufsbildung, weist diesen Vorwurf zurück. Berufsbezeichnungen seien Sache der Berufsverbände. Die wüssten besser, was aktuelle und auf dem Arbeitsmarkt anerkannte Bezeichnungen seien: «Seitens des BBT geben wir lediglich vor, dass die Berufsbezeichnungen einer gesamtheitlichen, berufsfeldbezogenen Logik folgen müssen.» Was den Fachhochschulbereich betreffe, sei die No-menklatur kürzlich bereinigt und auf den neuesten Stand gebracht worden. Die vorgegebenen Bezeichnungen seien durchaus am Puls der Zeit und hätten das Ziel, die geforderte Transparenz zu schaffen. Duttweiler betont, dass entsprechende Titelvorschläge von den Fachhochschulen selbst kämen.
Die Konsequenz aus der gesamten Konstellation ist ein heilloser Wirrwarr aus deutschen und englischen Berufs- und Stellenbezeichnungen im Schweizer Stellenmarkt. Von den negativen Auswirkungen am stärksten betroffen sind dabei die Stellensuchenden. Sie wissen oft nicht mehr, was sich hinter einer spannend klingenden Stelle tatsächlich verbirgt.
Aus dieser Not machte Cornel Müller dieses Jahr eine Tugend. Um Licht in den Berufs- und Weiterbildungsdschungel zu bringen, gründete seine Firma OE GmbH die Internet-Plattform careertool.ch. Erstmalig in der Schweiz sollen alle Informationen zur beruflichen Neuorientierung auf einer einzigen Plattform angeboten werden. «Es gibt heute viel zu viele Stellen- und Berufsbezeichnungen parallel. Die möchten wir den Stellensuchenden zumindest erklären und wenn möglich vereinheitlichen.» In der Datenbank von careertool.ch werden deshalb 850 White-Collar-Berufe erklärt. Mehrere Tausend Vakanzen werden angeboten. Über 2000 Weiterbildungsangebote können online verglichen werden.
Ob dieser Plattform der Durchbruch gelingt, bleibt abzuwarten. Gabriela Bättig, der Bankerin, hat careertool.ch jedenfalls bereits geholfen. Sie suchte in der Datenbank nach der Bedeutung des Sales Manager Fixed Income. Das Ergebnis: Es handelt sich um einen Verkaufsberater für festverzinsliche Anlagen. Das hätte man ja auch im Inserat schreiben können, meint sie und bewirbt sich diesmal nicht: «Porto sparen.»

* Name von der Redaktion geändert

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