«der arbeitsmarkt» 07/2006

Bewegung für Beschäftigung

Move On, ein Zürcher Beschäftigungsprogramm für junge Stellensuchende, setzt auf Selbstbestimmung
und gemeinnützige Arbeit.

Jung, desillusioniert und dennoch hoffnungsvoll, in naher Zukunft eine längerfristige Arbeitsstelle zu finden. So lassen sich die 30 Teilnehmenden des PvB Move On in Fehraltorf beschreiben. Im Januar 2004 vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) initiiert, bietet das Beschäftigungsprogramm jungen Stellensuchenden Unterstützung bei der (Wieder-)Eingliederung ins Berufsleben an. Auf dem Programm stehen Bildungskurse, eine individuelle Beratung sowie gemeinnützige praktische Arbeit. Die Vermittlungsquote des PvB lag in den letzten beiden Jahren bei 40 Prozent.

Lernen, selber mitbestimmen zu dürfen

Für Programmleiter Rico Jordi ist wichtig, dass Move On auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden abgestimmt ist: «Es nützt wenig, den Teilnehmenden Bildungsmöglichkeiten zu unterbreiten, wenn sie in erster Linie praktisch arbeiten wollen.» Strenge Vorgaben vergrössern laut Jordi bloss die Frustration der Jugendlichen, die reflexartig mit Ablehnung reagieren. Die Move-On-Leitung versucht deshalb zusammen mit den Teilnehmenden, Richtlinien auszuhandeln, und unterstützt sie dabei, diese zu befolgen. «Die meisten Teilnehmenden befinden sich in einer Situation der Ohnmacht», beteuert Jordi. «Entweder suchen sie schon lange eine Arbeitsstelle, brechen ihre Ausbildung ab oder verlieren plötzlich ihren Job. Ihre Berufsidentität geht somit verloren, wodurch ihre gesunde Selbsteinschätzung deutlich beeinträchtigt wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es in ihrer Lage wichtig ist, wieder zu lernen, selber mitbestimmen zu dürfen.»
Das Nachholen eines Berufsabschlusses sowie die Aneignung der Berufserfahrung würden den Rahmen eines PvB finanziell sprengen. Move On versucht deshalb, mit Weiterbildungskursen oder gemeinnütziger Arbeit diese Löcher zu stopfen. Die Teilnehmenden können sich in der Werkstatt mit Schreinertätigkeiten oder aber im Naturschutz mit Waldarbeiten beschäftigen. Derzeit bessern sie Fensterläden aus, die für eine heilpädagogische Pflegefamilie in Bauma neu geschliffen und bemalt werden müssen.
Im Naturschutzgebiet entsorgen die Move-On-Mitglieder momentan das durch den Schneefall geknickte Holz. Die meisten gehen motiviert an die Arbeit heran. Auch Ron Thomet (22) gefällt es in der freien Natur. Er überlegt sogar, ob er künftig diesen Berufspfad einschlagen möchte. Falls sich Ron für eine berufliche Ausrichtung in der Försterbranche entscheidet, kann ein gutes Arbeitszeugnis, welches bei Move On mit der Positionsbeschreibung «Allrounder» ausgestellt wird, für ihn nur zum Vorteil werden.
Der Begriff Allrounder deckt alle Beschäftigungen bei Move On ab. Eine branchenspezifische Berufsrichtung wird mit dem Begriff allerdings nicht abgedeckt. Wie soll demzufolge ein Teilnehmer wie Güney Karapinar (22) der seine letzte Stelle in einem Call Center hatte, in seine Branche zurückfinden, wenn er im Lebenslauf auf seine letzte Tätigkeit im Naturschutzgebiet und in der Werkstatt zurückverweist? Jordi gibt jedoch zu bedenken, dass die meisten, die zu Move On stossen, aus Hilfsarbeiterbranchen kommen. Sie sind flexibel in ihrer Wahl, nehmen die verschiedensten Jobs an und sind bereit, sich in ein neues Arbeitsfeld einzuarbeiten.
Güney hat eine Vergangenheit, die er mit vielen anderen Teilnehmenden teilt. Er hat seine Lehre im Detailhandel abgebrochen, jobbte im Gastronomieservice und verrichtete vielerlei Hilfsarbeiten, bis er als Telefonist in einem Call Center angestellt wurde. Er konnte sich in bescheidenem Rahmen weiterentwickeln, indem er beauftragt wurde, Verkaufsgespräche und Einführungskurse zu führen. Güney gefällt es bei Move On, er fühlt sich wohl in der Gruppe. Die Selbstbestimmung bei der Auswahl der Arbeits- sowie der Bildungsfelder, von der Jordi sprach, ist für ihn sehr wichtig: «Ich hätte Mühe damit, wenn mir jemand vorschreiben würde, welche Arbeit ich bei Move On zu verrichten hätte.»
Güney würde grundsätzlich nur etwas im Move-On-Projekt ändern: «Für Frauen sollte es meiner Meinung nach mehr Beschäftigungen geben.» Dazu meint Jordi: «Es stimmt, dass Frauen tendenziell ungern Waldarbeit verrichten, aber für die Werkstatt trifft dies nicht zu. Frauen haben einen ausgeprägten feinmotorischen Sinn, und dieser ist in sehr vielen Berufsbranchen gefragt.» Roman Flück, Fachleiter für den Bereich Waldarbeiten im Naturschutzgebiet, hat hingegen gute Erfahrungen mit der Teilnahme der Frauen gemacht: «Wenn es schön ist, kommt die eine oder andere Frau auch mit nach draussen, um Säuberungsarbeiten im Wald zu verrichten. Es ist immer auch eine Frage der physischen Belastbarkeit.»
Fatima Killias (25) ist mit Flück einverstanden: «Ja, wenn es schön ist, dann ist das noch okay. Aber sobald es regnet, bin ich lieber in der Werkstatt.»

Jugendliche zwischen Jobben und Arbeitslosigkeit

In der Schreinerei ist Fatima in ihrem Element. Ursprünglich begann sie als Plattenlegerin, brach dann eine Lehre als Hafnerin ab. Ein halbes Jahr lang jobbte sie im Detailhandel. Sie möchte sich wieder in diesem Bereich etablieren, aber leider ist ein halbes Jahr an Berufserfahrung viel zu wenig, um wieder eine Stelle zu finden. Seit eineinhalb Jahren ist sie erwerbslos und seit Januar bei Move On dabei. Prinzipiell ist sie gern im Programm, doch die geringe Motivation der andern Teilnehmenden macht ihr zu schaffen. Dennoch kann sie aus dem Coaching gute Bewerbungstipps für sich in Anspruch nehmen, wie etwa richtiges Bewerben am Telefonhörer.
Das Coaching bei Move On ist so organisiert, dass regelmässig individuelle Beratungsgespräche mit den Teilnehmenden durchgeführt und Bewerbungsdossiers optimiert werden. Die Trainer arbeiten mit den jungen Erwerbslosen in Kleingruppen, wenn es um das Schreiben von Bewerbungen oder um das Üben von Vorstellungsgesprächen geht. Die Bildungsabteilung wiederum kümmert sich um die individuellen Lerndefizite der jungen Erwerblosen. Selbstbestimmung ist in diesen Kursen sehr gefragt: Die Teilnehmenden bringen eigene Vorschläge ein wie das Erlernen des Zehnfingersystems oder Englischunterricht. Je nach Themenfindung bilden sich kleinere Gruppen, die von den Bildungsleitenden gutgeheissen werden.
So entstand auch das «Kafi Philo», wo man über die Stellensuche philosophieren kann. Nicola Franco (20) und Sara Dove (20) zwei ehemalige Teilnehmende des Move-OnProjektes, denken allerdings ungern an das «Kafi Philo» zurück. Nicola meint: «Man hätte sich dort über ein gewisses Thema im Zusammenhang mit der Stellensuche spontan äussern sollen. Die meisten schwiegen jedoch, und es herrschte eine gedrückte Stimmung.» Im grossen Ganzen konnte Move On ihm wie auch Sara jedenfalls eine Tagesstruktur bieten, was sie durchaus schätzten. «Es war schon noch easy», erinnert sich Sara. «Man hatte den ganzen Tag etwas zu tun.» Ausserdem haben die beiden zwar keinen Job, aber aus Liebe zueinander gefunden.

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