01.09.2015
FOTO UND TEXT: Sandro Pfammatter

Thomas Schwegler ist oft auf Kundenbesuch. Immer dabei: Kaffeebohnen, Kapseln und ein Kafisack.

Mein Tag als

Kaffeeproduzent und Karriereberater

Thomas Schwegler, 40, baut Arabica-Kaffee in Peru an. Daneben arbeitet er 50 Prozent als Karriereberater. Bald möchte er ganz vom Kaffeegeschäft leben. Bis dahin ist noch viel Reisen, Verhandeln und Koffein vonnöten.

«Ein Gewohnheitstier bin ich bloss unmittelbar nach dem Aufstehen. Da gibt’s ein Müesli und Kaffee schwarz. Vom eigenen, natürlich. Typische Arbeitstage kenne ich kaum – denn keiner ist wie der andere. Am ehesten gleicht sich der Ablauf noch beim Lorange Institute in Horgen, weil ich dort fest angestellt bin. So berate ich Menschen aus allen möglichen Branchen in ihrer Karriereplanung. Wir verkaufen etwa höhere Ausbildungen für Führungskräfte, wie das Executive MBA. Diese Arbeit beinhaltet Offerten, Abklärungen und persönliche Treffen mit möglichen Kunden. Dabei gefallen mir die stets neuen Ansprüche und Lebensgeschichten. Während der eine Kunde vielleicht bloss einen Zweitages-Kurs in Social Media belegen möchte, um den Trend zu verstehen, will eine andere Kundin ihr ganzes Berufsleben umgestalten. Sie hat in Russland alle Zelte abgebrochen, sich in der Schweiz selbständig gemacht – und ist bereit, viel Zeit und Kraft in ihren Master zu investieren. 

Meine selbständige Arbeit gehört ganz dem Kaffee. Nach dem Wirtschaftsstudium war ich erst mit der NGO «Interteam» in Bolivien. Ich arbeitete für eine Kaffee-Kooperative. Da nahm es mir den Ärmel rein. Heute besitze ich im peruanischen Hochland (1300 bis 1800 m.ü.M.) eine Farm von 70 Hektaren. Zweimal pro Jahr bin ich je einen Monat dort und arbeite mit. Meine Frau, selbst Peruanerin aus Lima, ist als Farm-Managerin die meiste Zeit vor Ort. Ich in der Schweiz mache derweil Kundenakquise, verantworte Vertrieb und Verkauf sowie Marketing und Administration.

In meinem Business brennt es oft an vielen Orten gleichzeitig. Aktuell beschäftigt uns zum Beispiel der Bau einer Kaffee-Verarbeitungsanlage, direkt auf der Farm. Noch müssen wir die Bohnen in eine weiter weg gelegene Fabrik fahren, wo sie selektioniert, geschält und getrocknet werden. Von der fertigen Anlage werden auch meine Farm-Nachbarn profitieren, die sie dann mitbenutzen können. So produziert die ganze Region am Ende günstiger, effizienter und auch nachhaltiger. 

Zudem bin ich oft an Meetings und Präsentationen, wo ich meine Kaffeekapseln vorstelle. «What else?» fragt George Clooney in der Nespresso-Werbung. Ich bin überzeugt, dass Tropical Mountains darauf eine gute Antwort weiss. Unsere Kapseln sind nämlich aus nachwachsenden Rohstoffen, statt aus Aluminium. Das macht sie industriell kompostierbar. Landen sie im Müll, brennen sie dreimal besser als Holz. Unser Single-Farm-Kapselkaffee ist für den Konsumenten überdies transparent rückverfolgbar. Von der einen Farm bis zum Frühstückstisch – von der Bohne bis zur Tasse. 

Mein Zahltag? Mit einem regelmässigen Lohn Ende Monat hat der wenig gemeinsam. Gerade in den Sommermonaten wird sowieso weniger Kafi getrunken. Zudem bin ich erst daran, mir einen Kundenstamm aufzubauen, von dem es sich in einigen Jahren leben lässt. Das heisst: Weiter ins Geschäft investieren, Zinsen auf Kredite zahlen – und schrittweise die Schulden bei meinen Investoren abtragen. 

Die Arbeitsstunden pro Woche zähle ich nicht. Aber 60 sind es sicher. Irgendwie ist der Kaffee halt mein Leben – wodurch ich mit dem Begriff Work-Life-Balance wenig anfangen kann. In meiner Freizeit treffe ich gerne Freunde, gehe Joggen und spiele Tennis. Jeweils so um 1 Uhr gehe ich ins Bett.

Meine Träume? In spätestens fünf Jahren möchte ich eine rentable und schuldenfreie Firma haben. Und eine Lösung für die Fernbeziehung, die meine Frau und ich führen. Etwa einen guten Geschäftsführer, der die Farm betreut. Oder einen Ersatz für mich in der Schweiz, während wir beide in Peru leben. Dann wäre es auch schön, in die Ferien und den Ausgang gehen zu können, ohne «den Rappen umzudrehen». Denn es ist so: Wir schränken uns derzeit klar ein, damit das gemeinsame Projekt gedeiht. Doch ich bin sicher, dass sich alle Mühen am Ende lohnen werden.»

Thomas Schwegler und seine Frau Gisella Iriarte-Schwegler teilen sich die Aufgaben. Er arbeitet in Zürich, sie in Chanchamayo, Peru. Esel Diego ist im unwegsamen Gelände mobil – und durch Rüben motivierbar. Nur am obersten Punkt der Farm hat Thomas Schwegler mobiles Internet. Unter einer Regenplane. Zwei Mal pro Jahr arbeitet Thomas Schwegler auf der Farm mit, «Aber wirklich schnell bin ich nicht.» Erst nach drei-vier Jahren tragen die Kaffeepflanzen zum ersten Mal Früchte. Nicht jede Bohne gehört in die Tasse. Thomas Schwegler testet den Aufguss aus der neusten Charge.
«Meine Farm»: Impressionen aus dem peruanischen Hochland, wo Thomas Schwegler und Gisella Iriarte-Schwegler ihren Arabica anpflanzen.Fotos: Fotos: zVg