24.06.2020

Roland Huber bespricht mit seiner Mitarbeiterin Deborah Bach ein aktuelles Projekt.

Immobilienmakler in Zeiten des Coronavirus

Mit Blessuren aus dem Lockdown heraus

Die im Oktober 2019 begonnenen Bauarbeiten liefen auf Hochtouren, denn im Mai wollte Immobilienmakler Roland Huber seine Kunden, Freunde und Bekannten in den Räumen seines neuen Geschäftssitzes mit einem Apéro empfangen. Es kam anders.

Voller Vorfreude und engagiert widmete sich Roland Huber, 60, nebst seinen aktuellen Projekten als Immobilienmakler dem im Entstehen begriffenen neuen Geschäftssitz in Islikon im Kanton Thurgau. Dann kam der 16. März 2020 und mit ihm der Lockdown. Das bedeutete im ersten Moment Unsicherheit für den Unternehmer. Er hatte im Vorfeld das Geschehen aufmerksam verfolgt und war sich bewusst, dass mit Zwangsmassnahmen zu rechnen sein würde. In welcher Form und in welchem Ausmass diese ihn heimsuchen werden, wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht. Es war unklar, wie er weitergeschäften konnte. Wie würden seine potenziellen Kunden reagieren?

Speziell war auch, dass parallel zum Lockdown am 17. März die Stockwerkeigentümer-Versammlung der neu gekauften Geschäftsräumlichkeiten bevorstand. Im umgebauten ehemaligen Postgebäude, in dem Huber sein Maklerbüro betreibt, sind auch ein Architekturbüro, ein Nagelstudio und ein Nähatelier untergebracht. Geplant war die Versammlung in den Räumlichkeiten des Restaurants Sonne, wenige Schritte vom Geschäft entfernt. Die «Sonne» musste schliessen. Ad hoc und improvisiert trafen sich die Teilnehmer also in den alten Geschäftsräumen der Roland Huber Immobilien AG, allerdings nur vier Personen, bevollmächtigt durch die anderen Partner. Just an diesem 17. März wurde der Beschluss gefasst, dass das Gebäude aussen saniert werden soll. Den Gerüstbauer und den Maler hielt Huber zu diesem Zeitpunkt in Bereitschaft. In der Folge sass den Beteiligten der befürchtete Baustopp im Nacken. Die Situation löste sich aber schon bald auf, denn die Sanierungsarbeiten konnten mit den gegebenen Auflagen durchgeführt werden.


Anfragen blieben eine Zeitlang aus.

Stand auf zwei Beinen
Was der Firma sicher zugutekommt in dieser Krise, ist ihr Stand auf zwei Beinen. Sie kümmert sich nicht nur um Immobilienverkäufe, sondern auch um Verwaltungen.

Wichtig in Hubers Situation war auch die Empfehlung diverser Immobilienverbände und des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT), wonach Besichtigungen weiterhin durchgeführt werden sollten, selbstverständlich unter Einhaltung der notwendigen Coronaregeln. Gerade Ende März und Anfang April finden jeweils viele Wohnungsübergaben statt, welche die Verwalter durchführen. Ein gewisses gesundheitliches Risiko nahmen sie bei dieser Tätigkeit allerdings auf sich, so Huber.

Zurückhaltung und Verunsicherung bei den Kunden waren deutlich spürbar. Sie fragten an, ob die Firma überhaupt noch Objektbesichtigungen tätige. Eine Absage hatte Huber klar wegen der Coronakrise zu verzeichnen. Jeder Rückzieher ist für einen Immobilienmakler ein schmerzlicher Verlust, besonders wenn dieser kurz vor Geschäftsabschluss erfolgt, nachdem der Makler schon viel Zeit und Arbeit investiert hat. In besagtem Fall ging es um einen Wohnungskauf. Dieser potenzielle Kunde war, so Huber, negativ beeinflusst. Er hatte einen schlechten Berater, der ihm sagte, dass die Preise am Sinken seien und die Wohnung viel weniger wert sein werde.


«Ein Kunde zog sich klar wegen der Coronakrise zurück. Er hatte einen schlechten Berater, der ihm sagte, die Preise seien am Sinken und dass seine Wohnung viel weniger wert sein werde», sagt Roland Huber.

Was Roland Huber in diesen Ausnahmezeiten deutlich zu spüren bekam, waren die fehlenden Anfragen. Vor und nach Ostern ist normalerweise die beste Zeit für den seit über zehn Jahren tätigen Immobilienmakler. Vereinzelte Hausbesichtigungen führte er zwar noch durch, aber seine Firma schöpfte in dieser Zeit vor allem aus den Verwaltungsmandaten. Diese sind generell einträglicher, da sie über Jahre laufen. Jeder Immobilienverkauf hingegen ist eine einmalige Sache.

Vorsorgliche Sicherheitsmassnahmen
Auch wenn der Bürokomplex grosszügig angelegt ist und unter den Mitarbeitenden der Abstand problemlos eingehalten werden kann, entschied sich Huber für die Einstellung der regulären Öffnungszeiten. Er empfing seine Kundschaft nur noch auf Voranmeldung, obwohl selten mehrere Personen gleichzeitig ins Büro eintreten. Dadurch, dass Hubers Angestellte Deborah Bach 40 Prozent, seine Tochter Nadja, die ebenfalls Immobilienmaklerin ist, 50 Prozent arbeiten und der auszubildende Kaufmann Dardan Asllani zwei Tage in der Woche Schule hat, kommt es ohnehin selten vor, dass alle vier Personen gleichzeitig im Büro sind. Und doch entschied sich Huber aus Sicherheitsgründen für diesen Schritt. Unternehmerisch bedeutete das organisatorische Einschränkungen, aber Huber musste zum Glück keine Kurzarbeit beantragen.


Obwohl die Firma über grosszügige Platzverhältnisse verfügt, entschied sich Roland Huber für die Einstellung der regulären Öffnungszeiten und empfing seine Kunden nur noch auf Voranmeldung.

Fehlende soziale Kontakte
Als einschneidend beschreibt Huber einzig die fehlenden sozialen Kontakte. Ans Feierabendbier am Freitag im Restaurant war nicht mehr zu denken. Diese Kontakte sind für Huber eine wichtige Quelle für Aufträge. «Das wird unterschätzt», so Huber. «Wegen des Netzwerkens müsste ich an sich jeden Abend irgendwo anzutreffen sein.» Auch das regelmässige gemeinsame Mittagessen mit dem Architektenkollegen fiel weg. Der Umbau der Geschäftsliegenschaft gab in dieser Phase viel zu besprechen, und es galt, Entscheidungen zu fällen. Diese weiterführenden Gespräche und Feierabendzusammenkünfte fanden während des Lockdowns am Sitzungstisch von Roland Huber statt. Mehr als vier oder fünf Personen waren jeweils nicht dabei. Huber beachtete die Pandemieregeln.

Organisatorische Änderungen gab es während des Lockdowns für die Familie Huber allerdings schon. In dieser Phase stellte sich ja auch das Problem der Risikogruppen und Grosseltern. Nadja Huber durfte ihren Sohn Jack nicht mehr in die Kita bringen. Francine Huber konnte ihrer Arbeit als Beraterin im Warenhaus C&A nicht mehr nachgehen, hütete dafür ihren Enkel. In dieser Hinsicht hat sich die Familie anders verhalten als viele andere Familien, bei denen die Enkel die Grosseltern nicht mehr besuchten. Schliesslich sind Francine und Roland Huber deutlich unter 65 Jahre alt, also nicht in der definierten Risikogruppe.

Grundbuchämter waren geschlossen
Eigentumsübertragungen, für die man zwingend aufs Grundbuchamt gehen muss, liefen teilweise über den Postweg, nach unterschiedlichen Bestimmungen von Amt zu Amt. Huber hat mit Frauenfeld, Winterthur und Bülach zu tun. Alle handhabten das Vorgehen anders. In Winterthur konnte Huber noch vieles machen. Die Mitarbeitenden des Amts waren allerdings auf Kurzarbeit und im Homeoffice. Der ganze Prozess eines Immobilienkaufs zog sich deshalb hin. Huber durfte zum Teil nicht mehr mit den Kunden ins Amt hinein. Wenn ein Kunde den Auftrag erteilt, ein Haus zu verkaufen oder zu erwerben, wird er vom Makler begleitet. Sehr viele Kunden schätzen das. Sie müssen wichtige Dokumente unterschreiben und möchten sicher sein, dass alles richtig abläuft. Dabei sind sie froh um die Begleitung des Fachmanns. Allerdings bieten das nicht alle Makler an. Einige sagen den Kunden, alles sei organisiert und sie sollen nur noch unterschreiben gehen. Roland Huber bietet diesen Service als Vertrauensperson jedoch vollumfänglich an. Daher war es äusserst ungewöhnlich, dass er nicht mehr aufs Grundbuchamt gehen konnte. Er wartete draussen, bis der Kunde alles erledigt hatte.

Was Huber auch als einschneidend empfand, war die Tatsache, dass man nach dem Abschluss des Geschäfts nicht mehr gemeinsam einkehren konnte. Für Huber gehört es dazu, dass er nach Abschluss eines Geschäfts den Kunden mindestens auf einen Apéro einlädt, manchmal auch zu einem Mittag- oder Abendessen, ausser die Konstellation ist extrem schlecht und es ist klar, dass der Kunde das gar nicht will. Es komme leider – wenn auch äusserst selten – vor, dass man sich gegenseitig nicht mehr verstehe, sagt Roland Huber. Das ist aber die Ausnahme. Sogar in der Coronakrise kam es in Bülach nach einer Eigentumsübertragung einmal vor, dass der Käufer einer Wohnung bei sich auf einen Champagner einlud und auf Distanz quasi angestossen wurde.

In dieser Krisenzeit wurde Roland Huber sehr oft gefragt, wie sich denn die Zinsen entwickelten und ob der Wert der Immobilien nun sinke. Praktisch jeder Kunde wollte das wissen. Da muss der Unternehmer klar sagen, dass er in dieser Sache keine Prognose stellen kann. Jetzt ist die Phase der Entspannung, und es zeigt sich, dass die Coronakrise diesbezüglich keinen Effekt gehabt hat. Am Anfang der Krise konnte aber niemand Seriöses eine Prognose stellen.


«Die grösste Beeinträchtigung war die Schliessung der Grundbuchämter. Viele Kunden schätzen es, dass ich sie dorthin begleite. Das durfte ich nicht mehr», so Roland Huber.

«Eigentlich wären ja, wenn in dieser Krise ernsthafte Gefahr bestanden hätte, dass die Immobilien an Wert verlieren, die Leute bei mir Schlange gestanden und hätten ihre Immobilie schnellstmöglich noch verkaufen wollen. Nur hätte man dann wohl keine Käufer gefunden. Angebot und Nachfrage wären in ein extremes Ungleichgewicht geraten.»

Alles in allem glimpflich davongekommen
Glücklicherweise ist Roland Hubers Firma glimpflich durch die Zeiten der Unsicherheit gekommen. Das zeigt sich jetzt nach der Krise, war aber am Anfang alles andere als klar. Die heutige Objektbesichtigung endet pünktlich, denn Roland Huber hat seinen nächsten Termin – mit Jack.

Varianten eines Maklervertrags
Ein Maklervertrag sieht üblicherweise vor, dass der Makler einen Prozentsatz des Verkaufspreises erhält. Verkäufer und Makler können aber auch eine Pauschale vereinbaren oder eine Erfolgsbeteiligung. Das heisst, wenn der Verkäufer zum Beispiel 800 000 Franken für sein Haus will, kann er festlegen, dass alles, was der Makler darüber hinaus erreichen kann, mit einem Bonus vergütet wird. Konkret heisst das, dass der gewünschte Verkaufspreis zum Beispiel mit drei Prozent und der Rest mit zehn Prozent vergütet wird. Roland Huber hat Erfahrung mit allen Modellen. Manchmal schlagen die Kunden von sich aus das Modell der Erfolgsbeteiligung vor.