07.09.2015
FOTOS UND TEXT: René Baumann

Die Swissporarena ist der Arbeitsplatz von Petra Suter.

Frauenpower im Männerfussball

Ihre Ausbildung verlief wenig aufregend, doch dann wagte Petra Suter den Schritt in eine typische Männerdomäne: Materialwart beim Profiklub FC Luzern.

Schauplatz swissporarena, das neue Stadion des Fussballclubs Luzern. Erst wenige Minuten sind vergangen, seit der Schiedsrichter das Spiel gegen St. Gallen abgepfiffen hat. Während die Arbeit «ihrer» elf Männer auf dem Spielfeld zu Ende ist, beginnt für Petra Suter die dritte Halbzeit. Der Job geht vor; Zeit, um sich über die unerwartete Niederlage ihrer Mannschaft zu ärgern, bleibt keine.

Nach dem Spiel ist stets auch vor dem Spiel. Gewissenhaft sammelt sie die Trainingsanzüge und liegengelassenen Gegenstände auf der Ersatzbank zusammen, sortiert in der Spielerkabine saubere und schmutzige Wäsche und ermahnt die Spieler, alles am entsprechenden Ort zu deponieren, was für den nächsten Tag gewaschen werden muss. Nur Minuten später werden die beiden Industriewaschmaschinen von ihr mit Schmutzwäsche gefüttert und für die Nacht programmiert. Denn schon am anderen Morgen steht das nächste Training und drei Tage später das nächste Spiel an.

Wäsche für 200 Personen

Petra Suter besorgt mit ihren beiden Mitarbeitern, die zusammen in einem 140-Prozent-Pensum angestellt sind, täglich die Wäsche für rund 100 Personen. Das sind drei Fussballteams inklusive Staff. Nach den Heimspielen kommen die Arbeitskleider des Servicepersonals aus den verschiedenen VIP-Räumlichkeiten und der Catering-Teams aus den zahlreichen Food-Ständen hinzu. Das sind nochmals rund 100 Personen.

«Welcher Mann erledigt schon gerne das Waschen und weiss, wie eine Waschmaschine funktioniert?»

Damit der Ablauf perfekt funktioniert, ist viel Durchsetzungsvermögen erforderlich. Ein Spielerkader ist ein heterogenes Gebilde, zusammengesetzt aus arrivierten Stars, hoffnungsvollen Talenten, Spielern aus fremden Kulturen und Sprachkreisen. Die meisten sind sich gewohnt, dass alles für sie erledigt wird und sie sich um nichts zu kümmern brauchen. Die 39-Jährige übernimmt diesbezüglich nicht selten eine Nacherziehung, weil ein intaktes Teamgefüge keine Extrawürste oder Bevorzugungen erträgt. «Meistens reicht es, wenn ich den neuen Spielern zu Beginn klipp und klar die Ordnung durchgebe, ansonsten stehen mir die routinierten und langjährigen Teammitglieder zur Seite.»

Hektische Sommerpause

Die tägliche Wäsche ist jedoch nur ein kleiner Teilbereich der vielseitigen Tätigkeit des Materialwarts in einem Profifussballklub. Am meisten Stress und viele Überstunden beschert die Phase der Vorbereitung auf die neue Saison. Dann, wenn die vielen Wechsel von Spielern und Staff stattfinden. Petra Suter ist auch für die Bedruckung der Trainings- und Matchutensilien zuständig.

Materialwart_FC_Luzern

Video: René Baumann

Die Dresses für die Heim- und Auswärtsspiele in der Meisterschaft, im Cup oder Europacup müssen mit der Rückennummer, dem Spielernamen und den Sponsorenlogos versehen werden, die Trainingskleider mit den Sponsorenlogos und praktischerweise mit den Nameninitialen, damit es bei der Wäsche keine Verwechslungen gibt. Hinzu kommen die Trikots für den Fanshop, welche sie individuell nach den Wünschen des Käufers bedruckt.

«Meistens reicht es, wenn ich den neuen Spielern zu Beginn klipp und klar die Ordnung durchgebe.»

Noch vor dem Bedrucken steht die Materialbestellung auf ihrer Aufgabenliste. Die rund 200 Spieler und Staffmitglieder des Profikaders und von drei Nachwuchsteams erhalten vom Ausrüster je drei komplette Kleidersets für den Spiel- und Trainingsbetrieb. Hinzu kommen die Schuhe, die aus werbetechnischen Gründen viermal pro Jahr gewechselt werden. In der sorgfältig geführten Buchhaltung von Petra Suter sammeln sich dergestalt rund 530 Paar Fussball-, Trainings-, Ausgangs- und Laufschuhe. Ein Reich, um das sie jeder Fussballfan beneidet.

Muskelkraft erforderlich

Nicht nur Köpfchen für die korrekte Führung der Buchhaltung, sondern auch viel Kraft in Armen und Beinen benötigt die Luzernerin, die dieses Amt beim FCL seit zwölf Jahren ausübt, wenn ein Auswärtsspiel oder das alljährliche Wintertrainingslager ansteht. Dann gilt es, das benötigte Material an den Spielort zu verschieben. Zusammen mit einem Physiotherapeuten, der ebenfalls einen beachtlichen Materialberg zu transportieren hat, fährt sie dem Teambus mit einem Materialfahrzeug einige Stunden voraus. Bis zu zehn geräumige, aber sperrige und schwere Metallboxen müssen transportiert werden.

Wenn die Spieler schliesslich in der Kabine eintreffen, liegt dort fein säuberlich für jeden einzelnen das persönliche Material bereit. Petra Suter: «Ich weiss genau, was jeder braucht. Der eine spielt lieber mit kurzen, der andere mit langen Ärmeln. Jener benötigt ein Leibchen darunter, dieser will Schuhe mit auswechselbaren Stollen.» Nach dem Spiel kommt alles wieder in die Kisten und in den separaten Materialbus, der meistens erst nach dem Mannschaftscar das fremde Stadion verlässt. So läppern sich Stunden zusammen, die bei einem Auswärtsspiel im Wallis, in Genf, Lugano oder St. Gallen schnell einmal zu einem 13-Stunden-Tag führen können.

Lange Einsatzzeiten sind Realität, zudem sind gute Nerven, Kraft und Durchsetzungsvermögen in diesem Job gefordert. Kaum einer, der die zierliche Petra Suter privat kennenlernt, würde glauben, dass sie diesen typischen Männerjob ausübt. Als einzige Frau in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus. «Mir ist kein anderer Profiverein in Europa bekannt, der eine Frau als Materialwart beschäftigt.»

Zwischenmenschliche Stärken

Warum eigentlich? Was macht diesen Job so speziell, dass ihn fast nur Männer ausüben? «Keine Ahnung, das habe ich mich noch nie gefragt. Ich kenne keinen Grund, denke im Gegenteil, dass ich als Frau in gewissen Bereichen Vorteile habe», sagt Petra Suter und führt die Wäsche an. «Welcher Mann erledigt schon gerne das Waschen und weiss, wie eine Waschmaschine funktioniert?»

FCL-Goalie_David_Zibung_moechte_nicht_auf_Petra_Suter_verzichten

Video: René Baumann

Vorteile offenbaren sich auch im zwischenmenschlichen Bereich. Nicht selten finden sich in ihrem kleinen, mit Material vollbepackten Büro einzelne Spieler vor dem Training ein, um mit ihr einen Kaffee zu trinken und zu plaudern. «Oft fungiere ich als Seelentrösterin, wenn es einem Spieler gerade nicht so läuft oder er wegen einer Verletzung länger ausfällt.» Der Kontakt ist eng, Petra Suter denkt an die Geburtstage und sorgt für kleine Geschenke, wenn ein Spieler Vater geworden ist. Kleine Aufmerksamkeiten, unverzichtbar für ein Fussballteam, bei dem jedes Detail wichtig ist, um erfolgreich zu sein.

Gelernte Coiffeuse

Doch wie wurde sie überhaupt Materialwart bei einem Fussballklub? Petra Suter lacht: «Ich habe Coiffeuse gelernt, danach arbeitete ich in einem Einrichtungsgeschäft als Verkäuferin, ehe ich eine zweijährige Ausbildung zum Berufsmasseur absolvierte.» Schon zu dieser Zeit massierte sie die müden Kickerwaden von Amateurfussballern in der Freizeit. Als ihr Lieblingsverein FC Luzern für seine Nachwuchsabteilung einen Teilzeitmasseur suchte, meldete sie sich und erhielt den Job.

Ihr Arbeitspensum wurde bald erhöht, weil der damalige Chefmasseur und Materialwart krankheitshalber ausfiel. Schritt für Schritt ging es die Treppe hoch auf ihrer Karriereleiter. Weil sie wegen Handgelenkproblemen nicht mehr massieren konnte, wurde sie schliesslich vollamtlicher Materialwart.

Fussball war bereits in ihrer Jugend der grosse Anziehungspunkt gewesen. Ihr Vater hatte selber Fussball gespielt, und sie war deshalb Wochenende für Wochenende auf dem Fussballplatz in Gunzwil bei Beromünster (LU), wo sie aufwuchs, anzutreffen. Selber spielen kam jedoch nicht in Frage, lieber hielt sie sich mit Kunstturnen, Jogging und Jazzgymnastik fit.

Unzertrennliche Freundschaft mit «Aik»

Sie sei mit dem FCL verheiratet, lacht sie, wenn sie auf ihr Privatleben angesprochen wird. «Mein Partner müsste zu stark Rücksicht nehmen auf meinen Job, der halt viele unregelmässige Einsätze erfordert», erklärt sie ihr Singleleben, das sie mit dem neunjährigen Jack Russell Terrier «Aik» teilt. Der Vierbeiner begleitet sie täglich zur Arbeit und bewacht ihr Büro, wenn sie dieses verlässt. «Aik» ist aber auch sonst ihr steter Begleiter. «Er ist mein Hobby und meine Freizeitbeschäftigung. Ich nehme ihn zum Jogging, Inlineskating und Stand-up-Paddling mit. So bleiben wir beide in Form.»

Jack Russell Terrier «Aik» sorgt für gute Stimmung bei der Arbeit.