22.01.2016
FOTOS UND TEXT: Roman Griesser

Adrian Gerny mit seinem Tagesfang in seiner Fischerei in Zürich-Wollishofen.

Der Berufsfischer

Ein Leben für die Arbeit

Für Adrian Gerny, 27, Berufsfischer aus Zürich-Wollishofen, existiert kein schönerer Beruf als derjenige, den er ausübt. Seit seinem 19. Lebensjahr ist er als selbständiger Fischer sechs Tage in der Woche auf dem See.

Wenn Adrian Gerny am frühen Morgen zurück von seinem Fang kommt, ist es vorbei mit der Ruhe. In der Fischerei herrscht dann Vollbetrieb, wenn er den fangfrischen Fisch verarbeitet. Als Teenager half Adrian Gerny während einer Woche einem Fischer bei der Arbeit, um sein Taschengeld aufzubessern. Seither ist er als Quereinsteiger von der Fischerei besessen.

Die Arbeit in der Natur, die Ruhe frühmorgens und die landschaftlichen Szenerien auf dem See faszinieren Adrian Gerny bis heute. Und er liebt die Abwechslung: «In der Natur ist kein Tag wie der andere. Ich muss mich mit meinem Geschäftspartner jeden Tag von neuem beweisen. Getreu dem Motto: Bring ich keinen Fisch nach Hause, verdiene ich kein Geld. Wir können niemandem die Schuld zuweisen, wenn wir nichts fangen.»

Einen durchschnittlichen Fang kennt Adrian Gerny nicht. Denn dieser bewegt sich pro Tag zwischen 5 und 200 Kilogramm. Als Berufsfischer ist er laufend gefordert, die beste Strategie zu wählen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dabei spielt das Wetter immer die entscheidende Rolle. Es ist hauptverantwortlich für die Strömungen im See und folglich für die Standortwahl der Netze. Einzig der Tiefenmesser unterstützt Adrian Gerny bei der Netzauslage, der Rest geschieht intuitiv. «Es kann schon mal vorkommen, dass wir das Wetter falsch einschätzen. Dann sind die Netze praktisch leer, oder ein Sturm konnte sie beschädigen.»

Sechs Tage pro Woche im Dienst
Adrian Gernys Tag beginnt früh. Er steht stets zwischen halb zwei und halb drei Uhr morgens auf und fährt zwischen drei und halb vier Uhr auf den See hinaus. Und das von Montag bis Samstag, während aller vier Jahreszeiten. Im Winter kehrt er zwischen sieben und neun Uhr zurück, im Sommer gut eine Stunde früher.

Zurück an Land beginnt der weitaus aufwändigere Teil seiner täglichen Arbeit. Den Fang muss er schnellstmöglich verarbeiten, die Fische ausnehmen, filetieren und kühlen. Damit der Endverbraucher auch die bestellte Menge Fisch erhält, wird das filetierte Fleisch über Nacht abgetropft und heruntergekühlt. Ansonsten würde die beträchtliche Menge Wasser im Fleisch das Gewicht verfälschen. Und sich auch auf die Qualität niederschlagen. So ist schnell späterer Nachmittag, denn die täglichen Putzarbeiten nehmen nochmals einige Stunden Zeit in Anspruch. Frei hat der Berufsfischer lediglich vom Samstagnachmittag bis zum frühen Sonntagabend. Und dann, so sagt er, schläft er gut und gerne zwölf Stunden durch.

«Ich kann die Fischerei meinem Leben nicht anpassen, mein Leben passt sich dem Job an.»

Nachhaltigkeit in der Binnenfischerei
Auch wegen der fortschrittlichen Vorschriften, die eine nachhaltige Fischerei ermöglichen, ist Adrian Gerny stolz auf seinen Beruf. So ist die gesamte Binnenfischerei in der Schweiz dem Nachhaltigkeitsprinzip verpflichtet. Wichtigstes Merkmal sind dabei die Netze, die speziell für jede Fischart normiert sind und vor Auslieferung an die Fischer von den jeweiligen Fischereiaufsehern geprüft werden.

Die Maschengrössen sind so gewählt, dass der Fisch im Minimum ein- bis zweimal auf natürliche Weise im See gelaicht hat, bevor er seiner Grösse wegen in den Maschen hängen bleibt. Weiter unterliegt dem Nachhaltigkeitsprinzip der Gedanke der passiven Fischerei.

Adrian Gerny auf einem seiner Fischerboote im Hafen Zürich-Wollishofen.

Die Netze werden so ausgelegt, dass die Fische selber hineinschwimmen. Das Netz ist dabei wie ein Vorhang mit einem Eingang. Kleine Fische schwimmen einfach hindurch, nur die dem Netz entsprechenden grösseren Fische bleiben darin gefangen. Schleppnetze sind in der Schweiz verboten.

Und zu guter Letzt betreibt Adrian Gerny als natürliche Unterstützungsmassnahme beim Felchen und Hecht sogenannten Laichfang. Dabei wird das gewonnene Brutmaterial (Rogen) aus dem Laichfang in der Brutanstalt bis zum «Brütling» nachgezogen und anschliessend im See in die Freiheit entlassen.

Hoffnung auf mehr Akzeptanz
Das wachsende Bewusstsein in der Bevölkerung für regionale Produkte und artgerechte Haltung bei Haus- und Nutztieren ist für Adrian Gerny Freude und Herausforderung zugleich. Die Konsumenten kaufen abgepacktes Fleisch und abgepackten Fisch im Regal bei den Grossverteilern und hinterfragen kaum die Produktion, solange ein Label für Bio oder ein Herkunftsnachweis für Regionalität bürgt. Doch kaum bringt ein Fernsehsender einen Bericht über Schlachthöfe, sind viele Konsumenten erschüttert.

Das spürt auch Adrian Gerny: «Wer ein Tier verspeist, muss sich bewusst sein, dass es auch getötet werden muss. Der Fisch lebt im Unterschied zu den meisten anderen Tieren sein Leben lang in freier Wildbahn, bis er von uns gefangen wird. Das ist ein gewichtiger Unterschied zur Fleischproduktion. Die hiesigen Berufsfischer produzieren ein einwandfreies einheimisches Produkt.» Davon ist Adrian Gerny überzeugt. Und er wünscht sich, dass die Konsumenten nebst der stetig wachsenden Nachfrage nach Fisch künftig auch hinter seinem Berufsbild stehen.

«Es ist mein Wunsch, dass die Berufsfischerei wieder einen höheren Stellenwert in der Bevölkerung erhält.»

Fischer mit Leib und Seele 
Wer Adrian Gerny nach Superlativen fragt, wird nicht enttäuscht. Vor gut drei Jahren holte er nahe der Stadtgrenze Kilchberg-Rüschlikon einen 38 Kilogramm schweren Wels mit einer Grösse von 176 Zentimetern aus dem seichten Wasser. Dies war aber eine Ausnahme. Solche Riesenfische fängt Adrian Gerny nicht proaktiv. Dafür sind einerseits die Netze nicht ausgelegt, und andererseits ist es die Intelligenz der Tiere, die einen raschen Erfolg oft verunmöglicht. Die Welse haben mit ihren «Bartlen» ein besonderes Gespür, das Netz als Widerstand im offenen Wasser wahrzunehmen. Der kurioseste Fang war ein Frosch, der im Netz in 20 Metern Tiefe hängen blieb. Woher der Kaltblüter kam, ist dem Fischer bis heute ein Rätsel. Auf jeden Fall hat er ihn wohlbehalten zurück an Land gebracht.

Wer glaubt, Fisch sei des Fischers liebste Speise, irrt sich im Falle von Adrian Gerny. Er liebt Fisch, speist aber wegen der thematischen Präsenz von Berufs wegen deutlich mehr Fleisch. Dennoch gibt er einen Tipp ab: Für «Knusperlis» empfiehlt er ein Rotaugenfilet und für die «Pfannenzubereitung Müllerinart» Hecht oder Felchenfilets. Neben seiner Leidenschaft, dem Fischen, bleibt für Adrian Gerny noch etwas Zeit für sein liebstes Hobby, Motorrad fahren.

Über Adrian Gerny


Adrian Gerny ist seit 2008 mit seiner «Fischerei A. Gerny GmbH» in Zürich-Wollishofen als selbständiger Berufsfischer tätig. Seit Anfang 2013 arbeitet er mit seinem Geschäftspartner Rolf Ruf zusammen. Sein Fischereibetrieb ist Lieferant für 14 Filialen eines Grossverteilers und 20 Restaurants in der Stadt Zürich und Umgebung. Dabei beliefert er Quartierbeizen genauso wie ausgezeichnete Gourmetrestaurants.