08.07.2015
FOTO UND TEXT: Robert Altermatt

Susanne Sismanis, eine der beiden Inhaberinnen von Suja Reisen.

Tourismus

Die Reiseschneiderinnen

Zwei Tourismusexpertinnen machen sich just in einer Zeit selbständig, in der beinahe jedes zweite Reisebüro eingeht. Susanne Sismanis erzählt, wie sie und ihre Geschäftspartnerin Jasmin Winiger eine Nische in dieser schwierigen Branche gefunden haben.

Ort des Treffpunkts: ein unscheinbares Bürogebäude aus den 1970er-Jahren in einem Gewerbe- und Industriegebiet in Zürich-Altstetten. Etwas versteckt am Ende eines dunklen Flurs befindet sich das Reisebüro «Suja Reisen». Susanne Sismanis, eine der beiden Geschäftsführerinnen und Inhaberinnen, öffnet die Eingangstüre mit einem herzhaften Lachen.

Im Besucher- und Konferenzraum erzählt die versierte Reiseexpertin mit vifem Blick, dass sie eben noch mit einem Kunden telefonierte, der bei ihr eine zehntägige Mietwagenrundreise für vier Personen in der südspanischen Provinz Andalusien gebucht hat. Dass Kunden bei Suja Reisen per Telefon oder per E-Mail buchen, ist Courant normal. Laufkundschaft hat das Reisebüro wegen der dezentralen Lage seiner Büroräumlichkeiten praktisch keine.

Jasmin Winiger, Mitinhaberin von Suja Reisen. Zu ihren Spezialitäten gehören Länder wie Israel, Schottland, Kapverden oder La Réunion.

Susanne Sismanis ist derzeit etwas öfter im Büro anzutreffen. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie ausnahmsweise die ganze Arbeit alleine erledigen müsse, weil ihre Geschäftspartnerin Jasmin Winiger aufgrund einer schon seit geraumer Zeit eingeplanten Vakanz derzeit länger nicht zur Verfügung steht. Jasmin Winiger arbeitet 70 Prozent, Susanne Sismanis 80 Prozent – so bleibt beiden genügend Zeit, sich ihren eigenen Familien mitsamt Kindern zu widmen.

«In gewisser Weise kann ich unseren Kunden ein wenig ihre Träume erfüllen.»

Susanne Sismanis

Was die Arbeitsteilung betrifft, ergänzen sich die beiden Tourismusexpertinnen. Jasmin Winiger ist für die Buchhaltung zuständig, Susanne Sismanis zeichnet für das Marketing verantwortlich. In Bezug auf die Betreuung der Urlaubsdestinationen greift jede auf ihre persönlichen Reiseorte und -kenntnisse zurück. Zu Jasmin Winigers «Spezialitäten» gehören Länder wie Israel, Schottland, Kapverden oder La Réunion – Susanne Sismanis betreut ihrerseits Destinationen wie Griechenland, Zypern, Island oder Asien. In Kürze reist Susanne Sismanis geschäftlich für ein paar Tage nach Montenegro. «Fällt der Gesamteindruck positiv aus, werden wir dieses südosteuropäische Land neu in unser Reiseprogramm aufzunehmen», erklärt die 47-Jährige.

Mutiger Entscheid, anfälliges Geschäft

Suja Reisen existiert mittlerweile seit mehr als acht Jahren. Jasmin Winiger und Susanne Sismanis, die sich im Rahmen ihrer Weiterbildung zu diplomierten Tourismusfachfrauen in Zürich kennengelernt haben, wagen 2007 den Schritt in die Selbständigkeit. Ein mutiger Entscheid. Kaum gestartet, setzt 2007/08 die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ein, die sich auch auf die Reisebranche unmittelbar negativ auswirkt.

Weniger Reisebüros in der Schweiz

Laut Informationen des Schweizer Reise-Verbands (SRV) findet in der Schweizer Reisebürobranche seit der Jahrtausendwende ein Bereinigungsprozess statt. Seit dem Jahr 2000 bis Ende 2014 verschwanden 1165 klassische Reisebüros. Zur Jahrtausendwende existierten noch 2887 Reisebüros, heute (Stand Juni 2015) sind es nur noch 1622 – ein Rückgang um mehr als 40 Prozent. Gemäss SRV sind drei Hauptgründe für das Reisebürosterben in der Schweiz verantwortlich: 1. Geschäftsaufgabe wegen Nachfolgeproblemen; 2. Einbruch der Finanzen aufgrund von politischen und finanziellen Krisen sowie Naturkatastrophen (zum Beispiel Terroranschläge in New York 2001, Tsunami in Asien 2004, Finanz­ und Wirtschaftskrise 2007); 3. Massenabwanderung von Reisebürokunden ins Internet. Die verbliebenen Schweizer Reisebüros steigerten 2014 ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr. Durchschnittlich setzten sie im letzten Geschäftsjahr je 4,7 Millionen Franken um – 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

«Reisen ist ein sehr anfälliges Geschäft. Krisen jeglicher Art haben auf unsere Branche einen direkten Einfluss, siehe Ereignisse wie die Finanzkrise 2007 oder Fukushima 2011. So brachen auch bei uns die Buchungen jeweils sofort drastisch ein», fügt die Reisefachfrau hinzu. Das Reisebüro hat sich trotz schwieriger Zeiten bis heute am Markt behauptet. Dass die Kunden Suja Reisen die Stange gehalten haben, führt Susanne Sismanis auf die Qualität der persönlichen Beratung zurück. Ein weiteres Plus seien ihre profunden Destinationskenntnisse. Alle angebotenen Reiseprogramme kennen die beiden Frauen persönlich, zudem pflegen sie viele langjährige Kontakte zu lokalen Reiseagenturen und zu Einheimischen.

«Das Gros unserer Kunden sind Alleinreisende oder Paare.»

Susanne Sismanis

Die Konkurrenz im Reisebürogeschäft ist gross, der Wettbewerb unerbittlich, nicht zuletzt auch in preislicher Hinsicht. Branchenriesen wie Kuoni, Hotelplan oder TUI spielen in einer eigenen Liga, nicht nur was die Preise anbelangt. Wer in diesem hartumkämpften Markt bestehen will, muss sich auf Nischenprodukte spezialisieren.

Wandern durch Lavafelder

Zu den Spezialitäten von Suja Reisen zählen individuelle Rundreisen und Gruppenreisen aller Art – das Programm umfasst sowohl geführte als auch ungeführte Reisen. Zum Angebotsportfolio gehören unter anderem auch Wanderferien, Fahrradtouren sowie Zugfahrten und Mietwagenrundreisen. Dabei arbeitet das Zürcher Reisebüro im jeweiligen Reiseland immer mit lokalen Partnern zusammen. Diese Agenten sind meistens Einheimische, die seit Jahren vor Ort leben und mit den dortigen Gegebenheiten vertraut sind. Bei den Wanderreisen setzt Suja Reisen auf lokale Partner, die grösstenteils aus der Schweiz und Deutschland kommen und der deutschen Sprache mächtig sind.

Für Island mit seinen Wasserfällen organisieren die beiden Touristikerinnen Wanderferien.Foto: Foto: zVg.

Als stellvertretendes Beispiel eines Reiseangebots, das bei der Kundschaft sehr beliebt ist, nennt Susanne Sismanis die Destination Island. Auf dieser Vulkaninsel organisiert Suja Reisen Rundreisen und Wanderferien, die Reisewillige individuell mittels Mietwagen oder als geführte Gruppenreise buchen können. Die Wanderungen führen in faszinierende Landschaften, vorbei an grossen Wasserfällen, abgelegenen Fjorden, eindrücklichen Lavafeldern und riesigen Gletschern. Unterwegs nächtigen die Reisenden in Farmhäusern, Landhotels oder in landestypischen Cottages. Als Kontrastpunkt zur isländischen Flora und Fauna stehen Besuche der lebendigen Hauptstadt Reykjavik an.

Länder und Destinationen auf möglichst individuelle Art zu bereisen, dieser Aspekt passt zur Geschäftsphilosophie von Jasmin Winiger und Susanne Sismanis. «Unser Vorteil als kleines Reisebüro liegt darin, dass wir massgeschneiderte Reisen anbieten. Wir agieren als Reiseschneiderinnen für die persönlichen Ferienwünsche unserer Kunden. Zum Beispiel achten wir darauf, dass wir bei den Übernachtungen für unsere Gäste nicht grosse Hotelketten berücksichtigen, sondern kleinere, familiengeführte Hotels, agrotouristische Einrichtungen oder von Privatpersonen betriebene landestypische Unterkünfte auswählen.»

Susanne Sismanis erzählt, dass die «klassische» Klientel ihres Reisebüros aus Personen besteht, die zwischen 40 und 70 Jahre alt sind. Diese Leute sind in ihren Ferien gerne aktiv unterwegs und unternehmen beispielsweise Mietwagen- oder Privatwagenrundreisen. Das Gros der Kunden sind Alleinreisende oder Paare.

Internet – Konkurrenz und Hilfsmittel

Das Internet, und damit die Möglichkeit, Reisen online zu buchen, hat auch die Reisebranche gehörig durcheinandergewirbelt. Durch das Internet hat sich der Verkauf von Reisen verändert. Kunden, die heutzutage ihre Reisen virtuell buchen, suchen in erster Linie Flugreisen von A nach B oder Pauschalreisen wie beispielsweise Ferien in einem Badehotel. Sobald aber die Ansprüche an eine Reise komplexer werden, ist eine individuelle und kompetente Beratung in einem Reisebüro nach wie vor gefragt. Genau hier setzt Suja Reisen den Hebel an.

Die Kunden profitieren von den langjährigen Reise- und Berufserfahrungen und vom Know-how der Inhaberinnen. «Eine Urlaubsreise ist etwas so Privates und Individuelles, dass das Bedürfnis der Kunden nach persönlicher Betreuung immer vorhanden sein wird», ist Susanne Sismanis überzeugt. Bei Suja Reisen erhalten die Kunden neben einer fachkundigen Beratung auch handfeste Vorteile wie zum Beispiel die Kundengeldabsicherung.

«Reisen ist ein sehr anfälliges Geschäft.»

Susanne Sismanis

Das Internet hat für das kleine Zürcher Reisebüro eine grosse Bedeutung, weil die Mehrheit der Kunden über das Internet, auch via soziale Medien, auf die Dienstleistungen von Suja Reisen stösst. Da in der Schweiz rund 98 Prozent aller Suchanfragen im Internet über die weltgrösste Internet-Suchmachschine Google laufen, nutzt Suja Reisen das Instrument bezahlter Werbeanzeigen via «Google Adwords». Die restlichen Reisewilligen, die die Services von Suja Reisen in Anspruch nehmen, werden via Mundpropaganda auf das Reisebüro der beiden Tourismusfachfrauen aufmerksam, oder sie sind Stammkunden.

Susanne Sismanis liebt ihre Tätigkeit heiss und innig, sie hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. «Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich immer wieder neue Destinationen entdecken, neue Leute kennenlernen und langjährige Kontakte pflegen kann. Das gefällt mir sehr. Ausserdem kann ich Menschen etwas nahe bringen, das sie emotional positiv berührt. In gewisser Weise kann ich so unseren Kunden ein wenig ihre Träume erfüllen.»

Taverne an einem Strand auf der griechischen Insel Kreta – auch ein Angebot von Suja Reisen.Foto: Foto: zVg.