06.07.2015
FOTO UND TEXT: Tomas Hrico

Hans Peter Roth geniesst die idyllische Ruhe am Thunersee und zeigt das Buch zur Oscar-gekrönten Dokumentation aus dem Jahr 2009.

Umweltaktivist

Der Delfinfreund

Der Schweizer Autor und Umweltaktivist Hans Peter Roth setzt sich seit Jahren für den Delfinschutz ein und unternimmt dafür öfters Reisen. So zum Beispiel nach Japan oder auf die Färöer. Seine Arbeit ist zwar mit zahlreichen Hürden verbunden, doch sie trägt bereits Früchte.

Ein wolkenloser Himmel erstreckt sich über der sich im Thuner Seepark tummelnden Menschenmenge. Die teilweise schneebedeckten Berge in der Ferne ergänzen die Täler sowie Waldgebiete rund um den Thunersee auf eine perfekte Art und Weise und laden zum idyllischen Träumen ein. Ein wunderschöner Ort für Einheimische und Touristen, um dem hektischen Alltag zu entfliehen und sich zu erholen. Doch dem in Schwanden (BE) beheimateten Hans Peter Roth bleibt für erholsame Tage am See kaum Zeit. Denn der Schweizer Autor, Journalist und Umweltaktivist ist beinahe täglich auf Trab und reist hin und wieder in fremde Gefilde wie Japan oder Norwegen.

Das Scheinparadies

Auch die Ortschaft Taiji in Japan wirkt paradiesisch, eine abgelegene Bucht, die zum Geniessen einlädt. Doch der Schein trügt, denn wer sich zu bestimmten Zeiten dorthin verirrt, dürfte eine unangenehme Überraschung erleben. Ein Anblick des Grauens: Japanische Fischer treiben mit ihren Booten Delfine in die Enge und nehmen sie entweder gefangen oder töten sie mit Harpunen.

Als Jugendlicher, der davon noch nichts wusste, arbeitete Hans Peter Roth in diversen Fabriken, auf dem Bau, im Möbel- und Früchteverkauf sowie für die Post auf dem Bahnpostamt in Bern. Später, von 1996 bis 2009, sammelte er journalistische Erfahrungen bei der «Berner Zeitung» und erfüllte sich seinen Bubentraum, indem er eine Ausbildung zum Baggerführer absolvierte. Er wollte die dadurch erworbenen Fähigkeiten für den ökologischen Flussbau einsetzen. Später arbeitete er für den Nationalrat Roland Wiederkehr in der von ihm gegründeten internationalen Organisation Green Cross, dessen Präsident damals Michail Gorbatschow war. Parallel dazu war er für diverse Redaktionen als freier Journalist tätig und verdiente mit den beiden Büchern «Das Geheimnis der Kornkreise» und «Orte des Grauens in der Schweiz» sowie zahlreichen Schreibaufträgen für Private zusätzliches Geld.

Im Jahr 2008 änderte sich dies schlagartig, als er über «OceanCare», eine Schweizer Organisation zum Schutz der Meeressäuger und Ozeane, den US-amerikanischen Delfinschützer Richard O’Barry kennenlernte. Der Mann war in den 1960er-Jahren als Tiertrainer der TV-Serie «Flipper» bekannt geworden.

Richard O’Barry klärte Hans Peter Roth in einem Interview über die Delfinjagd in Taiji auf. Der junge Schweizer war entsetzt und bat den Amerikaner spontan, ihn bei seiner nächsten Reise nach Japan begleiten zu dürfen. Dieser willigte ein, und so entstand schrittweise eine fruchtbare Zusammenarbeit und tiefe Freundschaft.

Der steinige Weg

Hans Peter Roth musste schon zu Beginn seiner Kooperation mit Richard O’Barry feststellen, wie schwierig es ist, die Delfinjäger zum Aufhören zu bewegen. «Dies ist leider nach wie vor ein sehr schwieriges Unterfangen», sagt der gelernte Baggerführer und Journalist. «Die japanischen Fischer sehen die Delfinjagd leider als einen festen Bestandteil ihrer Kultur an. Die Jagd ist für sie genauso eine Selbstverständlichkeit wie für die Schweizer das Abschlachten von Rindern, Hühnern oder Schweinen für den täglichen Fleischbedarf», fügt er hinzu und seufzt.

In Taiji hat das japanische Fischereiministerium zurzeit acht Delfinarten mit unterschiedlichen Quoten zur Jagd freigegeben, insgesamt beträgt die Fangquote aller acht Arten gegenwärtig zirka 1900 Tiere. Alle anderen Delfinarten sind auch in Japan geschützt.

Im Jahre 2007 und 2008 wurden in Taiji noch gegen 2000 Delfine gefangen genommen oder getötet. Heute wird die Fangquote in Taiji nicht mal annähernd ausgeschöpft. «In den letzten vier Jahren sind weniger als 1000 Meeressäuger in die Fänge der Fischer geraten. Letztes Jahr wurden dort um die 750 Delfine für den Fleischverzehr getötet und etwa 200 weitere an Delfinarien verkauft. «Die Anzahl an gefangenen Delfinen in Japan nimmt in der Tendenz weiter leicht ab», sagt Hans Peter Roth. Dazu hätten sicherlich auch das im Jahr 2010 durch ihn und Richard O’Barry gemeinsam veröffentlichte Buch «Die Bucht» sowie der gleichnamige Dokumentarfilm über die Delfinjagd beigetragen.

Der Höhepunkt allen Übels

Der Delfinfreund hält kurz inne und trinkt seinen Kaffee aus. Seine braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Stirn runzelnd, hebt er seinen Blick und fährt fort:

«Japan ist nicht das einzige Land, wo Delfine gefangen beziehungsweise getötet werden. Die Gräueltaten sind andernorts sogar noch weitreichender und extremer.»

Peru ist ein Beispiel dafür. Dort werden jährlich bis zu 15 000 Delfine gefangen, um mit deren Fleisch Haie zu ködern. In der Folge schneiden die Fischer den Haien ihre Flossen ab und verkaufen sie für viel Geld an skrupellose Händler. Ein zynisches Geschäft: «Dagegen wirken die Machenschaften in Japan geradezu bescheiden. Und obschon der Delfinfang in Peru nicht legal ist, schauen die zuständigen Behörden einfach weg.»

Organisationen wie «OceanCare», «Whale and Dolphin Conservation», «Pro Wildlife» oder «Environmental Investigation Agency» beauftragen deshalb im Verbund Delfinschützer wie Hans Peter Roth, um sich an den jeweiligen Orten des Geschehens ein eigenes Bild zu machen und Kontakte aufzunehmen. Dabei werden seine Reisespesen, die Unterkunft sowie Verpflegung von diesen Organisationen jeweils mitfinanziert. Trotz seines Jobs bei der Fondation Franz Weber sowie seiner Tätigkeit als freier Journalist ist er auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Aus diesem Grund greifen ihm auch Privatleute unter die Arme.

«Wenn ich länger unterwegs bin, muss ich schauen, dass ich die Rechnungen zu Hause bezahlen kann. Zu diesem Zweck zahle ich mir von meinen Ersparnissen ein ganz kleines Honorar aus, um nicht plötzlich in Schulden zu stecken.»

Obwohl Hans Peter Roths Anteil an Gratisarbeit enorm hoch ist, denkt er nicht ans Aufhören und bemüht sich, am Ort des Geschehens deutlich zu machen, welche folgenschweren Konsequenzen das Töten dieser Säugetiere nach sich zieht.

«Ich weise beispielsweise ausdrücklich darauf hin, dass das Fleisch der Delfine giftig ist, da es Quecksilber und andere Schadstoffe in erschreckend hohen Konzentrationen enthält. Dies kann insbesondere für Kleinkinder schwere gesundheitliche Folgen haben. Durch das Verschwinden der Delfine gerät zudem die Natur insgesamt mehr und mehr aus den Fugen.»

Trotz der Gefahr, dass Umweltaktivisten sich Gegner schaffen, die aggressiv und handgreiflich werden können, ist sich der Schweizer Autor bewusst, dass ein respektvoller Umgang mit einheimischen Fischern unabdingbar ist: «Aggressive Konfrontation bringt nichts. Im Gegenteil: Dadurch werden die Kritisierten nur angespornt, frei nach dem Motto, sich weder von amerikanischen noch europäischen ‹Kulturimperialisten› etwas vorschreiben zu lassen.»

Sofern möglich, meidet der Umweltaktivist gefährliche Situationen und versucht, bei allfälligen Konfrontationen stets ruhig und entspannt zu bleiben. Er nennt nebst der diplomatischen Lösung eine weitere Möglichkeit, um den Delfinfang zu stoppen oder zumindest zu reduzieren:

«Delfinarien müssten abgeschafft werden. Wären diese weg, würde die Nachfrage drastisch sinken – und umgekehrt. Heute ist der Fang und Weiterverkauf lebender Delfine einer der Haupterwerbszweige der Delfinfänger und subventioniert somit gewissermassen auch gleich die tödliche Delfinjagd mit.»

Der Hoffnungsschimmer

Delfine werden auch auf den Färöern, in Indonesien oder auf den Salomonen gejagt, wenn auch längst nicht so intensiv wie in Peru. «OceanCare» trägt deshalb auch Proteste gegen die Delfinjagd in Südamerika mit.

Die Verbreitung von Infos über die Delfinjagd via soziale Medien ist dem Tier- beziehungsweise Delfinschutz ebenfalls dienlich. Dass sich das Thema in Windeseile verbreitet und weltweit unzählige Herzen berührt, beweist nicht zuletzt auch die Übersetzung des bereits erwähnten Buches «Die Bucht» von Hans Peter Roth und Richard O’Barry ins Chinesische.

Noch in diesem Jahr soll ein weiterer Dokumentarfilm, der sich gegen die Wal- und Delfinjagd wendet, Premiere feiern. Auch an diesem hat Hans Peter Roth mitgearbeitet: «Whale Like Me», eine japanisch-amerikanische Koproduktion des Regisseurs Malcolm Wright.

Den fleissigen Berner Oberländer erfüllt es mit Freude, sich in den Dienst der Tiere und ihrer Lebensräume stellen zu dürfen, obwohl er auf ein geregeltes Leben mit viel Absicherung verzichten muss: «Zum Überleben reicht es. Für die Delfine und die Umwelt nehme ich gerne auch die eine oder andere finanzielle Notlage in Kauf.»

Petitionen und Proteste auf «OceanCare»

Unter www.oceancare.org/de/aktivwerden/petitionenundproteste hat jeder die Möglichkeit, Proteste gegen die Delfinjagd einzureichen oder Petitionen zu unterzeichnen. Des Weiteren können Projekte von «OceanCare» jederzeit durch freiwillige Spenden unterstützt werden. Ebenfalls haben Interessierte die Gelegenheit, sich bestimmten Forschungsreisen anzuschliessen. So zum Beispiel an der Côte dʼAzur in Südfrankreich, wo man im Sommer jeweils an einwöchigen Walforschungsreisen teilnehmen kann.