06.06.2018
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ©Twentieth Century Fox

Oscarpreisträgerin Frances McDormand als Mildred Hayes; ©Twentieth Century Fox

Drama mit schwarzem Humor

Das Böse hat kein Gesicht

Eine trauernde Mutter kämpft gegen die Gleichgültigkeit einer amerikanischen Kleinstadt und löst unter den Einwohnern eine Kettenreaktion an physischer und psychischer Gewalt aus. «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» des britischen Regisseurs Martin McDonagh ist ein verstörend-erheiterndes Tableau menschlicher Abgründe.

«And still no arrests» («Und noch immer keine Festnahmen») steht auf einer der drei Werbetafeln, die Mildred Hayes (unaufgeregt brillant: Frances McDormand) an der alten Zufahrtsstrasse zur Kleinstadt Ebbing im Mittleren Westen der USA mietet und in riesigen Lettern schwarz auf rot beschriften lässt. Sieben Monate ist es her, dass ihre Teenagertochter Angela auf dem Heimweg an dieser Strasse brutal vergewaltigt und ermordet wurde, doch die Polizei hat noch immer keinen Verdächtigen. Ihre Aktion mit den Tafeln (englisch: billboards), die Chief Willoughby (stark: Woody Harrelson) bezichtigen, untätig zu sein, kostet Mildred neben viel Geld auch das Verständnis einiger Mitmenschen.

Während das Leben für die meisten Bewohner nach dem schrecklichen Verbrechen an Angela wie gewohnt weiterging, gerät der Ort aus den Fugen, als die Mutter sich traut, ihren Schmerz an die Öffentlichkeit zu tragen. Als ob die Billboards eine Wunde aufrissen, unter der es schon lange geeitert hatte.

Hinschauen tut weh
Die Tafeln funktionieren als Auslöser: Die folgenden Reaktionen der Bewohner knallen unkontrolliert aus- und aufeinander wie ein Set Billardkugeln beim ersten Anstoss. Die Protagonisten handeln unmittelbar und impulsiv. Bald ist die ganze Kleinstadt gezwungen, Stellung zu beziehen. 

Mildred hält dem verklebten, ungerechten System den Spiegel hin. Nicht immer ist sie dem Zuschauer in ihrer Kompromisslosigkeit sympathisch. Aber das ist das Erfrischende an diesem Drehbuch: Die Heldin darf sich irren, dafür ergreift umgekehrt auch ein Fiesling (umwerfend: Sam Rockwell) die Gelegenheit, etwas Gutes zu tun. Die unterschiedlichen Facetten der Menschlichkeit werden zur eigentlichen Handlung.

Schwarzer Humor küsst menschlichen Makel
«Three Billboards Outside Ebbing, Missouri», unter anderem mit zwei Oscars (Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin und Sam Rockwell als bester Nebendarsteller) ausgezeichnet, transportiert nicht die emotionale Schwere, die bei dem Thema zu erwarten wäre. Eine düstere Komik und eine rohe Zärtlichkeit im Zwischenmenschlichen veranschaulichen dem Betrachter, dass für die menschliche Spezies trotz ihrer Abgründe ein Grund zur Existenz besteht.

Das Werk ist weniger reine Erzählung der Geschehnisse als eine Aneinanderreihung von Reaktionen auf die Billboards, gepaart mit einer sich verdichtenden Atmosphäre allgemeiner Alarmbereitschaft. Die Handlungen der Betroffenen spannen sich zu einem alles überlagernden Netz, aus dem die Ortschaft Ebbing und ihre Einwohner nicht mehr so einfach entfliehen können.

Hit me, Baby
Faszinierend ist die irritierende Musikwahl, die sich nicht scheut, eine Schlägerei mit einer liebevoll singenden Frauenstimme zu untermalen. Diese Diskrepanz passt wie die Faust aufs Auge: Die beklemmende Stimmung wird verstärkt, der Zuschauer fühlt geradezu körperlich, dass etwas nicht stimmt. Die Kameraeinstellungen des bildgewaltigen Werks folgen den Emotionen der Protagonisten, und die Erzählweise treibt die Geschichte ohne Umschweife so geschmeidig rasant voran, dass sich das Publikum nach kurzer Zeit in den Ort des Geschehens hineinversetzt fühlt. 



Mildred und Officer Dixon geraten aneinander.Wie du mir, so ich dir
Gegen Ende übernimmt leider ein in Hollywood gerne eingesetzter Gefühlsmotor, der an den Trugschluss anknüpft, dass durch Rache und Zufügen von Schmerz das eigene Leiden gemindert werde. Die Handlungen und Dialoge verlieren damit etwas von der Kraft, die sie zu Beginn hatten.

Vielleicht möchte der Film den Betrachter aber auch nur einmal mehr an sein Menschsein erinnern. Deshalb steigt der Zuschauer zum Schluss in Gedanken mit ins Auto, als Mildred, begleitet von sanft gesungener Countrymusik und bei heruntergelassenen Fenstern, ein Stück von sich selbst zurückgewinnt.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri © Twentieth Century Fox

 Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

 Drehbuch und Regie: Martin McDonagh

 Besetzung: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell, Abbie Cornish, John Hawkes

 Genre: Drama, Komödie, Kriminalfilm

 Dauer: 116 Minuten

 Verleih: Twentieth Century Fox (2018)

 Erhältlich auf DVD und Blu-ray