21.03.2019
TEXT: Judith SchuckFOTO: La belle kinoise
Was andere wegwerfen, machen sich die Strassenkünstler im Film Systeme K zu Nutze.

Auf den Strassen in Kinshasa liegen viele Materialien für den Bau aussergewöhnlicher Instrumente.

Kunstvolle Dokumentation über kongolesische Street-Art

Mit Schrott gegen Ausbeutung

Wo es keine Pressefreiheit gibt, finden die Menschen kreative Wege, um auf Misstände aufmerksam zu machen. Regisseur Renaud Barret zeigt in seinem Dokumentarfilm «Système K» einen kreativen Aufschrei der Menschen auf den Strassen Kinshasas.

Überlebensgrosse Skulpturen aus Kronkorken, Patronenhülsen oder ein Haus aus Macheten. Musikinstrumente aus Schreibmaschinen und Thunfischdosen, Performances wie ein Blutbad mit einer live-geschlachteten Ziege. Die Strassenkünstler in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa arbeiten mit dem, was sie dort vorfinden: Müll, Armut, Ungerechtigkeit.

Die ganze Welt bedient sich
Freddy, Bildhauer, ist einer von ihnen. Er schweisst «Strassengut» zu riesigen Objekten zusammen – gebeugte, verletzte, löchrige Körper, die durch ihre Grösse und harte Materialität dennoch stark und widerstandsfähig wirken.
«Die Demokratische Republik Kongo ist ein sehr reiches Land», sagt er. Die ganze Welt bediene sich an ihren Bodenschätzen. «Aber die Bevölkerung hat nichts von diesem Reichtum. Wir haben nicht mal Wasser und Strom.» Die Rohstoffe kämen allerdings wieder zurück ins Land: in Form von Schrott.

Verrückte Demokratie
Der französische Regisseur Barret traf bei einem früheren Filmprojekt im Kongo auf die Strassenkünstler. Da die Regierung alle Medien gleichgeschaltet hat, finden die Künstlerinnen und Künstler andere Wege, um auf Misstände aufmerksam zu machen: «Demo-Crazy», nennt «Kill Bill» die Regierungsform der Mächtigen. In seiner Street-Performance zertrümmert er Bildschirme und Radios mit dem Schlaghammer; Bilder, die für sich sprechen.

Die Kamera beobachtet
Spannend an «Système K» ist die Kameraführung, die sowohl mitten im Tumult einer Performance filmt, als auch mit Drohnen von oben das Geschehen beobachten. Barret taucht ins Geschehen ein und zeichnet das, was auf der Strasse passiert, kunstvoll auf; ähnlich wie die Künstler selbst ihr Leben und Erlebtes durch Kunst sichtbar machen und dokumentieren. Barret schafft mit seinem Film den Balanceakt zwischen Kunstwerk und Dokumentation. 

Trotz der intimen Einblicke in das Schaffen dieser Überlebenskünstler bleibt «Système K» zu sehr auf Seite der Produktion der Kunst. Inwiefern sich Freddy, Kill Bill und Co. finanzieren können, wovon sie leben, bleibt offen, was dem Film ein wenig Substanz raubt. Seine Aussage ist dennoch klar: Der Reichtum des Westens beruht auf den Trümmern Afrikas.

Der Künstler Freddy vor einer Skulptur aus Patronenhülsen.
Foto: Renaud Barret

Filmtitel: Système K

Regisseur: Renaud Barret

Erscheinungsjahr: 2019

Genre: Dokumentation

Sprache: Französisch

Länge: 94 Minuten

Festival: 69. Berlinale 2019, Panorama

Copyright: Le pacte

 

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Bild: Künstler Freddy betrachtet seine Skulptur aus Patronenhülsen.