25.04.2019
TEXT: Iwon Blum und Robert HansenFOTOS: Robert Hansen
Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura, und Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen, im Pro-Kontra-Gespräch.

Marcel Liner (links), Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura, und Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen, im Pro-Kontra-Gespräch.

Pro und kontra Kunstschnee

«Die Nutzungskonflikte um Wasser werden zunehmen»

In Zermatt können 70 Prozent der Skipisten künstlich beschneit werden. Pro Natura kritisiert den schweizweiten Trend zu immer mehr Kunstschnee. Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei den Zermatt Bergbahnen, und Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura, im Pro-Kontra-Gespräch.

Herr Liner, fahren Sie Ski?
Marcel Liner: Ja. (Lacht.) Allerdings am liebsten nicht auf Kunstschnee. Doch leider existiert keine Übersicht, in welchen Schweizer Skigebieten bewusst kein Kunstschnee eingesetzt wird.

Ihre Entscheidung, welches Skigebiet Sie wählen, hängt also massgeblich davon ab, ob und wie viel Kunstschnee eingesetzt wird?
Liner: Ja, absolut. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch für viele Mitglieder von Pro Natura eine Rolle spielt.

Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Nachteile von Kunstschnee?
Liner: Zum einen der enorme Wasser- und Stromverbrauch. Zum anderen sind ja nicht nur die Schneekanonen das Thema, sondern die damit verbundenen Eingriffe in die Landschaft, zumal im Hochgebirge eine hochsensible Vegetation betroffen ist. Wenn die benötigten Wasserleitungen und Stromkabel in einem Schutzgebiet oder in einer Wiese, die vor Erosion schützt, verlegt werden, ist das sehr problematisch. Ich weiss, dass Zermatt in dieser Hinsicht vorbildlich handelt und sogar mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Doch in vielen Skigebieten ist das Thema Erosion hochaktuell, weil leider nicht überall so umsichtig gehandelt wird. 

 «Eine intakte Natur ist uns sehr wichtig.»

Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen

Herr Imboden, mit welchem Preis wurde Zermatt denn ausgezeichnet, und wie wichtig ist Ihnen eine intakte Landschaft?
Daniel Imboden: Die Zermatt Bergbahnen AG wurde 2013 mit dem «Begrünerpreis» ausgezeichnet, weil wir der Landschaft Sorge tragen. Eine intakte Natur ist uns sehr wichtig, darum arbeiten wir eng mit Umweltverbänden zusammen. Wenn wir Strom-, Wasser- und Druckluftleitungen für die Beschneiungsanlagen verlegen, wird zunächst der Rasen abgetragen, zur Seite gelegt, abgedeckt und in sorgfältiger Handarbeit wieder aufgetragen. Nach zwei, drei Jahren erkennt niemand mehr, dass dort gebaut wurde.

Liner: Ich würde gerne mal eine Langzeitstudie sehen. Es gibt ja nur punktuelle Untersuchungen, aber welche langfristigen Auswirkungen solche Eingriffe auf die Vegetation haben, ist unklar.

Imboden: Ich dachte erst auch, dass man die Narben im Gras noch lange sehen wird, aber da ist nichts zu sehen. Bei unserem Vorgehen steht allerdings eine riesige Manpower dahinter, wir scheuen keine Kosten, die an der Natur verursachten Schäden zu beheben. Für ein kleines Skigebiet ist das natürlich eine Kostenfrage.

«Ohne Skitourismus wären hier sehr viele Jobs in Gefahr.»

Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen

Herr Imboden, was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile künstlicher Beschneiung?
Imboden: Wir sind für alle Dienstleister in Zermatt die Rückendeckung, dass sie weiterhin Arbeit haben. Ohne den Skitourismus wären hier sehr viele Jobs in Gefahr. Wir sind zwar ein Gletscherskigebiet, in dem rund ums Jahr Ski gefahren wird, aber dank Beschneiung können wir das Angebot deutlich ausweiten.

Sprechen allenfalls auch ökologische Aspekte für Kunstschnee?
Imboden: Laut den Bergbauern ist der Heuertrag grösser in Gebieten, in denen die Schneekanonen liefen. Darum sehe ich Vorteile darin, dass wir das Wasser im Gelände speichern statt im Bachbett. Ich habe das Gefühl, da werden wir künftig noch eine wichtige Rolle übernehmen, weil wir über den Kunstschnee das Gelände bewässern. Für unsere Bauern und unsere Natur.

Liner: Ich sehe da allerdings die negative Seite. Regenwasser ist nährstofffrei. Für die Pistenbeschneiung wird jedoch Wasser aus Speicherseen oder anderen Wasserfassungen entnommen. Dieses Wasser ist durch die natürlichen Mineralien, welche als Feinstoffe enthalten sind, nährstoffreicher als Regenwasser und hat einen Düngungseffekt. Für die Bauern ist das natürlich positiv, sie haben Wasser und Nährstoffe. Aber im Hinblick auf die Pflanzenvielfalt sehe ich das kritisch. So kommen mehr Nährstoffe in den Boden, welche die auf den mageren Böden wachsenden Blumen und Gräser verdrängen. Ein Edelweiss zum Beispiel, das auf magerem Boden wächst, verschwindet dann, weil es nicht mehr konkurrenzfähig ist mit den Pflanzen, die sich aufgrund der Nährstoffe breitmachen. Das ist das Dilemma: Ich sehe die Vorteile für die Bauern, aber für die Alpenflora ist das keine gute Entwicklung.

Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura.

Naturschutz
Pro Natura
Für Pro Natura im Gespräch:
Marcel Liner, 48, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura.

Pro Natura ist die älteste Naturschutzorganisation der Schweiz. Seit über 100 Jahren setzt sich Pro Natura für die Natur in der Schweiz ein. 


Vertreter der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft gründeten 1909 den Schweizerischen Bund für Naturschutz (heute: Pro Natura) mit dem Ziel, den ersten Nationalpark der Schweiz zu realisieren. Sie wollten Raum schaffen für die bedrängte Natur. Heute betreut Pro Natura über 700 Naturschutzgebiete und führt mehrere Naturschutzzentren in der ganzen Schweiz. Der Verein ist auch in der Umweltbildung und im politischen Naturschutz tätig. In diesem Rahmen engagiert sich Pro Natura für einen naturschonenden Tourismus. 


In Bezug auf Kunstschnee fordert Pro Natura:
Kein Kunstschnee und keine Bauten auf Magerwiesen und Mooren.
Keine Beschneiungsprojekte, die den kantonalen Richtplanungen widersprechen beziehungsweise darin nicht enthalten sind.
Keine chemischen Zusätze und Schneehärter.

Die Naturschutzorganisation wird von rund 160 000 Mitgliedern und etwa 25 000 Gönnerinnen und Gönnern unterstützt. Spenden bilden das finanzielle Rückgrat der Organisation. Pro Natura ist Zewo-zertifiziert.

www.pronatura.ch

Künstliche Beschneiung gefährdet also die Vegetation im Alpenraum?
Liner: Ganz so pointiert würde ich das nicht formulieren. Auf den gesamten Alpenraum betrachtet, sind beschneite Pisten nicht ausschlaggebend für den Rückgang der Alpenflora. Da spielt die intensive Landwirtschaft mit viel Gülle aus importiertem Kraftfutter eine viel grössere Rolle. Ein nicht zu unterschätzendes Problem liegt allerdings darin, dass künstlicher Schnee einen anderen Einfluss auf die Vegetation hat als natürlicher Schnee. Schnee besteht aus wunderschönen Schneekristallen. Kunstschnee dagegen ist kein Schnee, sondern besteht aus kleinen Eiskügelchen. Und wenn ein Pistenfahrzeug darüberfährt, wird er stärker verdichtet als Naturschnee, wodurch in der Schneedecke die isolierende Luft fehlt. In der Folge liegt die Temperatur unter der Schneedecke viel tiefer als bei Naturschnee, sodass die Pflanzen absterben können und Erosion droht. 

«Kunstschnee hat einen anderen Einfluss auf die Vegetation als natürlicher Schnee.»

Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura

Imboden: Kunstschnee ist tatsächlich härter als Naturschnee, die Hersteller sind aber bestrebt, diese Unterschiede auszugleichen. Wenn wir Kunstschnee aus den Achtzigerjahren mit heutigem vergleichen, sind das Welten. Dank moderner Düsentechnologie kommt mehr Sauerstoff in den Schnee, wodurch er griffiger wird. 

Liner: Sie bemerken also durch den Fortschritt bei den Schneekanonen einen Unterschied zu früher?

Imboden: Früher war das einfach ein Wasserstrahl mit etwas Luft, heute hingegen wird das Wasser ganz fein zerstäubt. Die Qualität der Düsen ist entscheidend.

Liner: Und was ist der Unterschied zwischen Schneelanzen und -kanonen? Sind da auch Unterschiede in der Schneequalität feststellbar?

Imboden: Die Schneekanone oder der Propeller schleudert Wasser und Luft 20 bis 30 Meter weit, so kann eher Schnee entstehen. Und das System funktioniert auch noch bei Grenztemperaturen näher bei 0 Grad. Wir setzen Propeller aber nur punktuell ein, wir probieren, so viel wie möglich mit Lanzen abzudecken. Bei uns stehen 150 Propelleranlagen 1050 Lanzen gegenüber.

Warum setzt Zermatt lieber auf Lanzen statt auf Propeller?
Imboden: Eine Lanze verbraucht über hundertmal weniger Energie als ein Propeller und kostet im Unterhalt maximal 50 Franken pro Jahr, da sie sehr simpel konstruiert ist. Zum anderen sind Propeller aus Sicht der Skifahrer ein Störfaktor. Wir versuchen, generell alles, was mit Schnee-Erzeugung zu tun hat, rechtzeitig wegzuräumen.

Liner: Das ist mir andernorts auch aufgefallen. Früher waren diese Geräte überall entlang den Pisten zu sehen, jetzt sind oft nur die ganz grossen Propeller an neuralgischen Punkten zu sehen.  

Beschneien Sie die Pisten auch im Winter oder nur zum Saisonauftakt?
Imboden: Wir beginnen in der letzten Oktoberwoche mit dem Ziel, dass ab 22. Dezember nichts mehr von uns zu sehen ist. Wäre danach noch mehr Schnee nötig, beschneien wir nochmals im Januar, aber nur noch nachts. Von uns merken die Gäste dann nichts mehr. Wenn ich selber Ski fahre und dann läuft so ein Schnee-Erzeuger, regt mich das auch auf. 

Ist Kunstschnee demnach bei Wintertouristen ein negativ besetztes Thema?
Imboden: Schneeanlangen standen früher vor allem wegen des harten Schnees in der Kritik, davon kommt man meiner Meinung nach aber weg.

Liner: Da kommen natürlich verschiedene Aspekte rund um Kunstschnee zusammen: Zum einen sind die Preise für Skipässe massiv gestiegen. Zum anderen denke ich, dass viele, die das Thema alpines Skifahren auch aus anderen Gründen kritisch sehen, gar nicht mehr Ski fahren gehen. 

Daniel Imboden, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen.

Beschneiungspionier
Zermatt Bergbahnen AG
Für Zermatt Bergbahnen im Gespräch:
Daniel Imboden, 41, Leiter Beschneiung Nord bei Zermatt Bergbahnen.

Zermatt ist das höchstgelegene Skigebiet Europas und bietet 365 Tage im Jahr Schneesport. Zermatt begann 1984 punktuell mit künstlicher Beschneiung.

Verhältnis Winter-/Sommertourismus: zirka 70%/30%
Skigebiet Zermatt total: 200 km
Beschneites Gelände in Zermatt: 70% (140 km)
Beschneiungsbeginn: Ende Oktober
Lanzen und Niederdruckmaschinen: 1200
Wasserbezug Gebiet Zermatt (Durchschnitt): 800 000 m3
Hergestellte Menge an Kunstschnee (Durchschnitt): 1,6 Mio. m3
Höchstmögliche Temperatur für die Beschneiung: zirka 0°
Anteil Beschneiung inklusive Amortisation am Preis für den Skipass: 14%
Anzahl Mitarbeitende bei den Zermatt Bergbahnen AG: 340

www.matterhornparadise.ch

Herr Imboden, wie viele Pistenkilometer werden in Zermatt beschneit?
Imboden: 140 von 200 Kilometern.

Die Investition für die Beschneiung eines Pistenkilometers liegt nach Berechnungen von Seilbahnen Schweiz bei rund einer Million Franken, das wären demnach in Zermatt 140 Millionen Franken Investition?
Imboden:
Das kommt etwa hin. Wobei die exakten Kosten abhängig von der Beschaffenheit des Geländes sind. Aber wenn ein Projekt auf lange Sicht geplant wird, gilt eine Million Franken pro Kilometer als Richtwert, wenn Lanzen zum Einsatz kommen. Beim Propeller sind wir bei zirka 1,3 Millionen Franken pro Kilometer. 

Hat denn das auf 1600 Metern über Meer gelegene Zermatt ein Schneeproblem?
Imboden: Zermatt ist ein sehr niederschlagsarmes Gebiet. Wie viel Schnee liegt und wie lange er hält, ist von vielen Faktoren abhängig. So hatte die Zermatter Bevölkerung letztes Jahr im Mai langsam die Nase voll von all dem Schnee, diesmal ist er schon Ende März weg.

Liner: Das Skigebiet in Zermatt reicht ja bis zum Gletscher hinauf. Wie gehen Sie mit dem Thema Klimaerwärmung um? Sie haben ja sogar eine Maschine, die bei Temperaturen über 0 Grad Schnee herstellen kann, den «Snowmaker». Besteht die Option, dass Sie einfach mehr «Snowmaker» kaufen, wenn die Gletscher zurückgehen?

Imboden: Nein, das werden wir nicht tun.

Liner: Weil diese Maschinen zu teuer sind?

Imboden: Wir sind ja ein Gletscherskigebiet. Für den Gletscher ist die schlimmste Zeit der August, dann haben wir Föhn, der ihm stark zusetzt. Damit wir den Touristen dieses Skigebiet trotzdem auch im Herbst anbieten können, beschneien wir gezielt den unteren Bereich.

Liner: Aber der Gletscher geht ja jedes Jahr weiter zurück. Heisst das, Sie müssen jedes Jahr grössere Strecken beschneien?

Imboden: Genau so ist es.

Liner: Wenn ich das hochrechne auf die nächsten 10 bis 20 Jahre, kommen beträchtliche Zusatzkosten auf Sie zu, um das Gletscherskigebiet auch im Herbst erschlossen zu halten.

Imboden: Das geplante Seilbahnprojekt zwischen Klein Matterhorn und Testa Grigia wird uns das erleichtern, dann gelangen die Leute mit der Bahn in das Skigebiet und zurück. Aber im Moment geht das halt nur mit dem «Snowmaker», der den Schnee für die Traversierungsstrecken herstellt.

«Ohne tiefgreifenden Wandel ist unsere Zukunft in Gefahr.»

Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura

Liner: Jetzt aber nochmals grundsätzlich zum Gletscherrückgang, den Pro Natura schweizweit thematisiert: Wir sehen keine Strategie der Skigebietsbetreiber, wie sie mit dem Klimawandel umgehen wollen. Wenn ein Skigebiet, das bei 1000 oder 1200 Metern über Meer anfängt, immer noch in Beschneiung investiert, finde ich das nicht nachhaltig. Das lässt sich ja nie mehr amortisieren?

Imboden: In meinen Augen ist das der Lauf der Zeit. Bislang konnten wir jedes Jahr termingerecht das Skigebiet eröffnen. Ich sehe im Moment keinen Handlungsbedarf. Solange unser Angebot mit Beschneiung funktioniert, machen wir so weiter. So ist der Mensch.

Liner: Das Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichtet die Staaten völkerrechtlich verbindlich, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel ist unsere Zukunft in Gefahr. Diese Gefahr bedroht den Schweizer Bergtourismus besonders stark. Auftauender Permafrostboden, Gletscherschwund, extreme Wetterverhältnisse werden gerade im hochalpinen Gebiet immer grössere Probleme verursachen.

Imboden: Wir sind uns dieser Probleme bewusst. Wenn Permafrostböden auftauen und die Gletscher zurückgehen, hat das grosse Auswirkungen auf unser Gebiet. Seit langem sind deswegen die Zermatt Bergbahnen zusammen mit der EW Zermatt AG bemüht, auf erneuerbare Energie zu setzen. Mit Solaranlagen an verschiedenen Bahnstationen sowie an der Fassade des Minergie-P-zertifizierten Restaurants auf dem Klein Matterhorn wird Energie produziert, die in das öffentliche Stromnetz von Zermatt fliesst. 

Ausblick vom 2020 Meter hohen Maschgenkamm im Skigebiet Flumserberg.
Schneepanorama in der Ostschweiz: Ausblick vom 2020 Meter hohen Maschgenkamm, Flumserberg.

Herr Liner, Sie sehen ein Problem darin, wenn Betreiber in tieferen Lagen jetzt noch in Beschneiung investieren, obwohl sie in zehn Jahren wahrscheinlich gar keinen Schnee mehr haben?
Liner:
Genau. Zudem wird die Beschneiung in vielen Gebieten – anders als in Zermatt – von der öffentlichen Hand mitfinanziert, was Angebot und Nachfrage verzerrt. Aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht würde niemand mehr investieren; weil dann aber die Gemeinde investiert, wird das trotzdem gemacht. Das finde ich bedenklich. Hinzu kommt der Konflikt um das Trinkwasser. In manchen Gebieten gehen bis zu 20 Prozent des Wasserverbrauchs in die Beschneiung. Gibt es für Zermatt Zahlen dazu, wie viele Prozente des Trinkwassers für Kunstschnee verbraucht werden?

Imboden: In Zermatt sind das 0,2 Prozent. Und das auch nur in einem gesonderten Gebiet, das die Beschneiung unabhängig von den Zermatt Bergbahnen übernimmt. Wir bei Zermatt Bergbahnen sind zum grossen Glück vom Trinkwasser weg. 

Herr Imboden, woher nehmen Sie das Wasser für die Beschneiung?
Imboden: Wir sind in der glücklichen Situation, dass sich hier in sehr hoher Lage natürliche Seen befinden. Zusätzlich können wir Wasser vom Stromhersteller Hydro beziehen. Wir können die Infrastruktur im Winter fürs Beschneien nutzen.

Liner: Ich habe gelesen, dass Zermatt mit der Kraftwerksanlage Grande Dixence verbunden ist. Dient das der Stromerzeugung?

Imboden: Nein, es geht dabei ums Wasser. Im Winter haben die viel zu wenig Wasser, um es zu nutzen. Von Oktober bis Januar können wir dieses Restwasser verwenden, bei dem es sich für sie nicht mehr lohnt, die Turbinen anzustellen.

Liner: Wasserknappheit ist heute schon ein grosses Thema im Wallis. Die Nutzungskonflikte um dieses wertvolle Gut werden zunehmen. Stromwirtschaft, Trinkwasser – das muss ein Gesamtbild geben. Sind wir in der Schweiz wirklich in der glücklichen Lage, genügend Niederschlag zu haben, damit es übers ganze Jahr für alle Akteure aufgeht? Wenn das so ist und bleibt, ist das natürlich auch im Sinne von Pro Natura. Doch im Hinblick auf die Prognosen zum Klimawandel bezweifle ich, dass das so weitergeht.

Imboden: Das ist die grosse Frage, wie es weitergeht. Wir versuchen zwar, den Sommertourismus zu stärken, auch im Hinblick auf den Klimawandel, weil nicht sicher ist, wie es in 20 Jahren aussieht und wie stark die Anzahl Skifahrer zurückgeht. Aber unsere Strategie ist derzeit, weiterhin aufs Wintergeschäft zu setzen. Was wir jedoch an Wasser verschneien, ist im Promillebereich. Der Stollen, den wir haben, wird von sieben oder acht Gletschern gespeist, wenn nicht noch mehr. Im Moment sehe ich noch keine Schwierigkeiten. Aber sicher: Wenn diese Gletscher zurückgehen, müssen wir auch schauen. Wenn ich eines Tages ein erstes Mal den Eröffnungstermin nicht halten kann, dann mache ich mir Sorgen. Dann muss ich mir langsam Gedanken machen.

Schneekanone im Skigebiet Flumserberg.

Eckdaten
Eine kurze Geschichte der Beschneiung
Das Grundprinzip der Beschneiung wurde Ende der Vierzigerjahre in Kanada zufällig entdeckt. Ein Forscherteam wollte die Vereisung von Düsentriebwerken untersuchen und versprühte dafür bei tiefen Temperaturen Wasser in einem Windkanal – wobei unerwünschter Schnee entstand. 


Die erste Propellerschneekanone meldete der Amerikaner Alden Hanson 1958 zum Patent an.

Ein Schnee-Erzeuger der Superlative ist der 11 Meter hohe und 30 Tonnen schwere «Snowmaker», der auch bei Temperaturen über null Grad Celsius Schnee herstellen kann. Der Vorläufer des Geräts wird in Südafrika zur Kühlung von Goldminen eingesetzt. 2008 wurde der weltweit erste «Snowmaker» nach Zermatt geliefert. 

Kunstschnee als Service public: Zunächst durfte in der Schweiz nur punktuell beschneit werden, seit 2004 ist auch flächendeckende Beschneiung erlaubt. Seit rund 20 Jahren unterstützen auch Bund und Kantone Beschneiungsprojekte.


Heute kann die Hälfte aller Pisten in der Schweiz künstlich beschneit werden.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Zeitschrift «blickwinkel», die sich in der aktuellen Frühlingsausgabe dem Element Wasser in all seinen Facetten widmet. 

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