28.09.2017
FOTOS UND TEXT: Edith Nüssli

Ein gutes Team, Vertrauen und sinnvolle Aufgaben: So arbeitet Renate Amstutz gerne.

Fünf Fragen an die Lobbyistin

«Ich möchte wirklich wissen, was die Städte beschäftigt»

Renate Amstutz (58) ist begeisterte Städterin, geniesst den Ausblick auf die Berner Alpen und lobbyiert auf Bundesebene für die urbane Schweiz. Beziehungen und Gesang schaffen die Balance zum intensiven Arbeitsalltag.

Haben Sie ein Morgenritual?
Ich gehöre zu den Menschen, die am Morgen damit beschäftigt sind, wach zu werden. Das bedeutet, dass ich relativ lange brauche, bis ich das Haus verlasse: Ich laufe auf dem Crosstrainer, lese ausführlich Zeitung, esse Zmorge und sehe, wie der Tag erwacht. Von unserer Berner Stadtwohnung habe ich einen wunderbaren Blick in die Alpen; jeden Tag bietet sich mir ein anderes Bild. Vom Frühling bis zum Herbst gehört ausserdem das Pflanzengiessen auf dem Balkon zum Morgenritual.

Was beinhaltet Ihr Job?
Lobbying heisst inhaltlich sattelfest sein und Kontakte pflegen. Ein gutes Netzwerk zu unterhalten, ist eine zentrale Aufgabe von mir und meinen Mitarbeitenden. Entsprechend besteht mein Tag hauptsächlich aus Sitzungen zu den unterschiedlichsten Themen und persönlichen Gesprächen. Meist komme ich erst gegen Abend dazu, Dokumente zu lesen, zu kommentieren und zu unterschreiben. Ferner halte ich viele Referate, teils zu Fachthemen, teils zum Städteverband. Einige Referate bereiten meine Mitarbeitenden vor, immer im Austausch mit mir. Unabdingbar ist für mich, das Manuskript auf dem Weg zum Vortrag mit persönlichen Gedanken zu ergänzen. Mein Engagement für die Sache muss drin sein, damit ich überzeugend auftreten kann. Einfach ablesen könnte ich nie. Intern führe ich regelmässig kurze Gespräche mit meinen Mitarbeitenden über die aktuellen Arbeiten und leite die Teamsitzungen. Toll ist für mich, dass ich mich auf mein Team verlassen kann. Ich weiss, dass alle ihre Arbeit gut machen, ohne dass ich sie ständig kontrolliere. Ich bin eine schlechte Chefin für Menschen, die man eng führen muss.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Ich muss mit Leidenschaft arbeiten können. Als begeisterte Städterin kann ich das beim Städteverband. Ich will wirklich wissen, was die Städte beschäftigt, damit mein Team und ich in der Interessenvertretung und mit unseren Dienstleistungen das anbieten, was den Städten nützt. Ferner fasziniert mich, dass wir sehr viel Gestaltungsfreiraum haben. Im Team müssen das Menschliche und das Fachliche stimmen. Ich arbeite gerne mit Menschen, die ihr Fach beherrschen und begeistert sind, Ideen haben und etwas realisieren wollen. Das Klima muss offen und respektvoll sein; Themen sollen auch mal kritisch diskutiert werden. Missgunst vertrage ich schlecht. Meinen Mitarbeitenden gebe ich Wertschätzung, und meine Bürotüre ist meist offen, damit sie hereinkommen und Fragen stellen können. Mir ist jeder Einzelne der dreizehn Mitarbeitenden wichtig.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Ich rede grundsätzlich nicht von Work-Life-Balance, denn Arbeit ist ein Teil des Lebens und nicht ein Gegensatz dazu. Das Leben darf aber nicht nur aus Arbeit bestehen, sonst fehlen irgendwann die Inspiration, die Kreativität und die Lust, etwas anzupacken. Weil ich ausgesprochen gerne arbeite, fällt es mir eher schwer, die Balance zu finden. Die grösste Hilfe sind Beziehungen: mein Mann, meine Geschwister und ihre Familien sowie mein Freundeskreis. Ich bin leidenschaftliche Tante und Grosstante. Ferner koche ich gerne und nehme seit mehr als zwölf Jahren klassischen Gesangsunterricht. Besonders mag ich Verdi-Opern und Mozart. Wenn ich auf Reisen bin, singe ich zu meinem Vergnügen in Kirchen, die wir besuchen. Leider fehlt für Reisen oft die Zeit.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Ein gutes Team, Vertrauen, interessante, herausfordernde und sinnvolle Aufgaben sowie Anerkennung für Leistung sind gute Voraussetzungen für Spass bei der Arbeit. Daneben müssen ganz banale Sachen stimmen, zum Beispiel die Einrichtung des Arbeitsplatzes. Nicht zuletzt schaffen genussvolle Momente gute Laune: Beim Städteverband trinken wir am Vormittag zusammen Kaffee, oft begleitet von Kuchen, Brötli oder Gipfeli, die jemand mitbringt.

Die Stimme der urbanen Schweiz
Der Schweizerische Städteverband vertritt die Interessen der Städte und Agglomerationsgemeinden auf Bundesebene. Die Hauptaufgaben sind Lobbying, Information der Öffentlichkeit und Dienstleistungen für die Mitglieder. 

Lobbying bedeutet für Direktorin Renate Amstutz, in zahlreichen Projekten mitzuarbeiten, eine breite Palette von Themen aktiv zu begleiten und Kontakt zu pflegen, vor allem im Parlament, in der Bundesverwaltung und mit Partnerorganisationen.

Mit Publikationen, Stellungnahmen, Medienarbeit oder Vorträgen kommuniziert der Verband die Interessen der Städte. Basis sind neben den bundespolitischen Geschäften auch Studien und Umfragen, welche die Geschäftsstelle des Städteverbandes initiiert. 

Der Verband organisiert ausserdem viele Austauschmöglichkeiten für die Mitglieder, damit sie voneinander lernen können und nicht alles neu erfinden müssen. Dazu bietet er Tagungen, Arbeitsgruppen und Kurzseminare an.