Veröffentlicht am 07.04.2015FOTO UND TEXT: Leila Chaabane

Aussergewöhnliches zu erreichen verlangt aussergewöhnlichen Einsatz und Durchhaltewillen.

Der härteste Job der Welt

Leila Chaabane
Journalistin «der arbeitsmarkt»

Laut Internetrecherche ist der härteste Job der Welt nicht etwa der des Bauarbeiters, der auch bei Eiseskälte draussen ist und im Alter von 50 einen Rücken hat, als hätte er schon 100 Jahre auf dem Buckel. Oder der des Psychiaters, der an einem Tag mehr Kummer hört, als er das Lächeln im Gesicht seiner Kinder sieht. Der härteste Job der Welt ist das Muttersein. Jetzt das Wunderliche: Beinahe jede Mutter sagt, dass die Kinder das grösste Glück in ihrem Leben sind. Welch gewaltige Aussage.

Ob das der Büroangestellte, der mit 46 sein 30-jähriges Dienstjubiläum feiert auch sagt? Er, der seit der Lehre nie einen Blick in eine andere Firma oder eine andere Arbeit gewagt hat? Oder die Promotionsdame, die mir im Einkaufszentrum ein Stückchen Emmentaler anbot, nur um mir eine halbe Minute später dieselbe stinkende Kostprobe vor die Nase zu halten? Sie, die längst aufgehört hat in die Gesichter der Passanten zu schauen und sich einzig wünscht, dass der Käse bald vorbei ist?

Ich glaube nicht, dass wir einen Job, der glücklich macht, als den härtesten Job der Welt betiteln sollten. Dafür klingt das Wort «hart» viel zu hart. Als anstrengend – ja. Als verantwortungsvoll – ganz gewiss. Als lebenslange Aufgabe – durchaus. Aber auch bei all jenen, die wie eine verrostete Schraubenmutter mit einem Job verkeilt sind, der keinen Funken Zufriedenheit, Stolz und Glück in ihnen auslöst, frage ich mich, ob wirklich der Job das Härteste ist, oder die Tatsache, dass er unglücklich macht.

Wenn aus meiner Sicht weder eine Arbeit, die das Herz erfüllt, noch eine, die den Geist lahmen lässt, den Titel «der härteste Job der Welt» verdient, stellt sich zu Recht die Frage, welche dann?

Vor ein paar Wochen unterhielt ich mich mit einer wunderbaren Frau. An einem der ersten warmen Frühlingstage standen wir draussen an der Sonne und sie erzählte mir von ihrem tollen Projekt, in das sie viel Zeit, Mühe und Herzblut steckt. Doch anstelle eines freudigen Strahlen in ihrem Gesicht kullerten Tränen über ihre Wangen. Die Angst, dass das neue Projekt ihr keine berufliche Zukunft sichern wird, überkommt sie täglich mehr. Zweifel, ob es nicht vernünftiger wäre, wenn sie wieder einen Job in ihrem gewohnten, aber sie keineswegs glücklich machenden Berufsumfeld suchen sollte, schleichen sich ein. Ich kann sie gut verstehen. Stecke ich selbst doch in einer ähnlichen Situation.

Wer sich entschieden hat oder keine andere Wahl hatte, sich von dem verrosteten Gewinde zu lösen, um beruflich neue Wege einzuschlagen oder endlich seinem Traum zu folgen, wird nicht umhinkommen, die gemütliche, aber veränderungsimmune Komfortzone zu verlassen. Ist der erste Schritt getan, heisst es kämpfen: gegen Existenz- und Versagensängste. Gegen aufkommende Zweifel und schwindende Widerstandskraft. Und gegen das Verlangen, wieder im Besitz der gewohnten Sicherheit und Freizeit zu sein.

Ich habe die Frau mit dem tollen Projekt gebeten weiterzukämpfen. Ich tue es auch. Mit einem Lächeln haben wir uns verabschiedet, die weisse Fahne der Kapitulation in die Tasche gesteckt und uns wieder an die Arbeit gemacht.

Ja, wer eines Tages sagen möchte: «mein Job macht mich glücklich», der wird ihn kennenlernen, den härtesten Job der Welt: Durchhalten – um nicht beim kleinsten Schwächeln oder der ersten Beule am Kopf zurück in die Bequemlichkeit zu hüpfen.