Veröffentlicht am 16.12.2014FOTO UND TEXT: Naomi Jones

Endstation Kommunikation

Naomi Jones
Journalistin «der arbeitsmarkt»

«Mama, wann holst Du mich heute ab?» fragt meine Kleine am Morgen bevor ich zur Arbeit gehe. Die Kinderworte im Ohr beeile ich mich am Abend, etwas früher als sonst mit der Arbeit fertig zu sein.

Ich eile auf den Zug, achte darauf an der Zugspitze einzusteigen, damit ich in Bern beim hinteren Bahnhofausgang, der sogenannten Welle aussteigen kann. Vom Perron aus gelange ich direkt auf die Schanzenstrasse, die nur wenige hundert Meter von der Tramhaltestelle Hirschengraben entfernt ist. Von hier aus werde ich mit dem Tram zurück und über den Bahnhofplatz fahren müssen. Aber ich gewinne ein paar Minuten, da ich mich nicht durch das Gewühl in der grossen Halle drängeln muss. Der Zug fährt ein, ich stelle mich vor die Tür, damit ich als eine der ersten draussen bin und eile.

Da fährt schon meine Nummer acht ein. Kaum bin ich drinnen, meldet die Fahrerin, sie könne wegen einer Betriebsstörung erst zwei Minuten später fahren. Nicht weiter schlimm, denke ich und setze mich. Ich ziehe meinen Roman aus der Tasche.

Fünf Minuten später fahren wir. Eine Station, bis an den Bahnhof. Hier aber biegt das Tram rechts ab und steht schliesslich an der Haltestelle der Linie drei still. Für die Linie drei, die nicht wie die sieben, die acht oder die neun vom einen Ende der Stadt zum andern fährt, ist hier schon Endstation. Ich realisiere: «Hier ist offenbar auch für meine Linie acht Endstation».

Warum aber hat das die Tramführerin nicht gleich gesagt? Hätte ich mich nach der Meldung nicht hingesetzt und gewartet, sondern hätte ich den Weg zu Fuss zurückgelegt, wäre ich längst bei der Nummer sieben, die ebenfalls in meine Richtung fährt.

Da ich meine Tochter abholen will, bin ich über die schlechte Kommunikation verärgert. «Kommunikation ist nicht zwingend die Kernkompetenz von Tramchauffeuren», beschwichtigt mich meine innere Stimme. Vermutlich hat die Frau bloss kommuniziert, was ihr die Kommunikationsabteilung des Unternehmens vorgegeben hat. Nun richtet sich mein Ärger auf den Verkehrsbetrieb.

Bei der Haltestelle der Nummer sieben steht ein Bus, während die sieben, die ich nun kommen sehe, statt einzufahren, zu besagter Endstation abbiegt. Ich bin verwirrt und ungeduldig. Schliesslich klärt mich ein freundlicher Buschauffeur auf. Alle Strassenbahnen, die ich nehmen könnte, sind durch ein Tram, das auf der einzigen Spur durch die Stadt stehen geblieben ist, blockiert.

Zum Glück ist der Stadtkern klein und ich als langjährige Wahlbernerin habe viel Übung mit blockierten Strecken. Während Monaten war die Innenstadt aufgrund einer Baustelle nur für Fussgänger passierbar. Im Frühling und Sommer wird die Stadt für verschiedene Sportanlässe abgesperrt. Dann ist nicht einmal als Radfahrerin an ein Durchkommen zu denken, als Fussgängerin höchstens knapp.

Mit Schritten als trüge ich Siebenmeilenstiefel eile ich also durch die Berner Lauben, biege in Passagen und Seitengassen, wo weniger Passanten unterwegs sind. Schliesslich erreiche ich etwas ausser Atem den Zytglogge-Turm. Ein Tram fährt ein! Es ist die Nummer neun, die nun auf die Spur der acht fährt. Ich komme gerade noch rechtzeitig in der Kindertagesstätte an, wo mich meine Tochter freudig umarmt. Hand in Hand spazieren wir heim und wollen dort zusammen eine Pizza backen.