Veröffentlicht am 12.06.2014TEXT: Harald TappeinerFOTO: Insitut de Ciencies del Mar, Barcelona

Diesen Müll haben Wissenschaftler mit Hilfe eines Grundschleppnetzes aus dem Gefälle des Blanes Canyons im Mittelmeer aus einer Tiefe von 1500 Metern geholt.

Geld treibt in Schweizer Gewässern

Harald Tappeiner

Ein Platz in Zürich West: Kinder rennen, schreien und balgen sich um die herumstehenden Tische. Die Luft ist warm und der Himmel dunkelt ein. Auf dem verkehrsberuhigten Platz herrscht fröhliches Treiben, besonders bei den aneinandergereihten Bänken und Tischen. Im Hintergrund ertönen ein Schlagzeug und metallische Gitarrenklänge. Die umtriebigen Knirpse wollen vor allem eines: Den Festbesuchern die dicken Plastikbecher und die leeren Glasflaschen entlocken. Denn am Getränkestand gibt’s ein Depot von 2 Franken für jedes Gefäss, auch für die dickeren Mehrweg-Plastikgläser. Eigentlich eine sinnvolle Sache: Die Kleinen lernen so, dass der vermeintliche Abfall werthaltig ist und das Sammeln einen Ertrag abwerfen kann.

Szenenwechsel: Der Park am Zürichhorn mutet am Samstagnachmittag an wie eine Schneise der Verwüstung. Die normalerweise grüne Wiese ist über hunderte von Metern mit zerdrückten Bierdosen, zerknüllten Plastikbechern und Petflaschen übersäht, dazwischen liegen zerbrochene Weinflaschen und Fetzen von Pommes-Chips-Verpackungen, während die Abfalleimer überquellen: Und manche Plastikflasche schwimmt im Zürichsee. Doch auch flussabwärts in der Limmat-Badi am Letten kann man kaum mehr schwimmen, ohne dass eine Pet-Flasche entgegendriftet. Manch einer der Knirpse hätte hier Freude am Sammeln, auch wenn es pro Gefäss bloss einen 50-Räppler gäbe. Der Aufwand der städtischen Reinigungsequipe würde sich halbieren.

Ungemach auch im Ozean: Sogar die Tiefseegräben der Weltmeere sind mit Kunststoff und anderen Abfällen verschmutzt. Das Meeresforschungsinstitut der Universität Horta auf den Azoren fand an allen untersuchten Stellen in den tiefsten Lagen des Atlantiks Spuren von Kunststoffmüll, wie im vergangen März bekannt wurde. Ebenfalls erschreckend: Gemäss einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) landen jedes Jahr rund 6,4 Millionen Tonnen Müll in den Ozeanen.

Als eines der wenigen Länder hat Dänemark seine Lehren daraus gezogen. Dies zeigt ein Blick an die Nordsee: Der Amager-Park bei Kopenhagen zeigt sich als sauberes Rayon. Grüppchen von Erholungssuchenden sitzen am Sandstrand, trinken Bier und lauschen dem Meeresrauschen. Viele von Ihnen haben Rucksäcke dabei und sammeln darin ihre Trinkgefässe aus Glas, Alu und Pet diszipliniert wieder ein. Kaum jemand von ihnen lässt eine Flasche liegen – und wenn, ergibt sich ein lukrativer Nebenverdienst für Jugendliche oder für Leute, die gerade in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Wer eine grosse Getränkedose, eine Pet- oder eine Glasflasche mit mehr als einem Liter Volumen in den Verkaufsladen zurückbringt, erhält in Dänemark nämlich automatisch ein Pfand von 3 Kronen (umgerechnet 50 Rappen), für die kleineren Fläschen und Dosen gibt's im Shop noch 1 oder 1.50 Kronen. Kaum eine Plastik- oder Bierflasche bleibe im Sand liegen oder lande im Meer, sagen die Kopenhagener am Strand.

Wie der nordeuropäische Staat hat auch die Schweiz eine relativ starke Recycling-Rücklaufquote. Doch anders als in Dänemark sind die Parks entlang der Gewässer im Alpenland regelmässig mit Plastikmüll gezeichnet. Zudem sind die untiefen Stellen in den Seen verschmutzt und müssen mit viel Aufwand und der Hilfe von Tauchern längs der Ufer gesäubert werden. In tieferen Seegründen ist die Reinigung mit konventionellen Mitteln gar nicht mehr möglich.

Forscher der ETH Lausanne haben im Jahr 2012 auf der Oberfläche des Genfersees Ablagerungen von Mikroplastikteilchen nachgewiesen. Diese obenauf schwimmenden Teilchen können unter Umständen von Organismen aufgenommen werden, via Ausflüsse weitertransportiert werden oder sinken auf den Grund. Davon alarmiert hat die ETH Lausanne nun eine Folgestudie zum Vorkommen von Mikroplastik in den Schweizer Gewässern initiiert, welche diesen Herbst veröffentlich wird.  Sollte sich der Befund bestätigen, dürften sich die Behörden gezwungen sehen, schärfere Massnahmen gegen die Verschmutzung durch Plastikmüll einzuleiten.

Es gilt nun an der Quelle anzusetzen: Plastikmaterialien sollten nicht mehr als Einwegmaterialien verwendet werden dürfen; am besten würde man sie wohl ganz verbannen.

Ich persönlich möchte bei Schwimmen keiner treibenden Petflasche mehr begegnen. Mit einem intelligenten Pfandsystem  auf alle Kunststoff-, Alu und Glasgefässe könnte viel unnötiger Aufwand vermieden werden. Die Dänen sind uns da bereits einen Schritt voraus.