Veröffentlicht am 17.03.2014TEXT: Marc SiegelFOTO: Werner Loosli, Flughafen Zürich AG
Swissair Grounding, Oktober 2001 am Flughafen Zürich. Foto: Werner Loosli, Flughafen Zürich AG.

Swissair-Grounding am 2. Oktober 2001: Die ganze Flotte bleibt wegen Geldmangel am Boden.

Auf den Grund gegangen

Marc Siegel
Journalist «der arbeitsmarkt»

Mitten im Pazifischen Ozean am 23. Januar 1960. Der Ozeanograf Jacques Piccard klettert in seine «Trieste». Er taucht in diesem Ultra-U-Boot zusammen mit US-Marineleutnant Don Walsh auf den Grund aller Gründe, in die Mutter der Abgründe, den Marianengraben auf 10’916 Meter unter Meeresspiegel. Nachdem er mit seinem Vater, dem berühmten Ballonfahrer und Erforscher der Stratosphäre, Auguste Piccard, über sieben Jahre daran gearbeitet hat.

Am 21. Juli 1969 sieht die fernsehende Menschheit in schwammigen Schwarz-Weiss-Aufnahmen die Gründlichkeit schweizerischer Facharbeit. Respektive, sie sieht sie nicht, denn am meisten Beachtung findet Neil Armstrong, der als erster Mensch seinen Fuss in die staubige, windstille Wüste unseres Erdtrabanten, des Mondes, setzt. Seine Omega Speedmaster gab er dem Kollegen Buzz Aldrin, weil die Borduhr der Mondlandefähre «Eagle» während des Abstiegs zum Mond ihren Dienst quittierte. Eine Schweizer Uhr, die der NASA just im Moment ihres grössten Triumphs den Takt angibt. Urmodell aller robusten, batterielosen, dank Schwungradtechnik präzisen Chronometer. Und weltbekannt, nachvollziehbar werberisch ausgeschlachtet. Auch George Clooney trägt die Speedmaster, what else. Made in Switzerland.

Am 8. Mai 1988, Muttertag, rückt im oberthurgauischen 400-Seelen-Dorf Dozwil ein Gründer der besonderen Art ins Rampenlicht. Wenn es nach Paul Kuhn gegangen wäre, hätte Dozwil sogar in weit intensiveres Licht eines UFO-Mutterschiffs rücken sollen. Der Gründer der St. Michaelsvereinigung prophezeite den Weltuntergang und dass die Kinder der Sektenmitglieder von Ausserirdischen abgeholt würden. Der «Blick» schnappt das Thema auf und giesst mit polarisierenden Schlagzeilen Öl ins Feuer. Die hochschwebenden Vorstellungen Paul Kuhns erleiden Schiffbruch – das UFO landet nicht auf Schweizer Grund und Boden, der Weltuntergang findet nicht statt. Paul Kuhn stirbt im September 2002. Vereinzelte Thurgauer beweisen an jenem turbulenten Wochenende im Mai 1988, dass sie Sinn für Ironie haben: Der Wirt des Dozwiler Restaurants Brückenwaage hängt ein Schild an seine Tür mit dem Spruch «Wegen Raumschifflandung sonntags geöffnet».

Im Oktober 2001 herrscht in Zürich Kloten mildes Spätsommerwetter, aber eisige Atmosphäre: die ganze Swissair-Flotte bleibt am Boden. Das Grounding der Swissair. Seither für die Schweizer das Grounding schlechthin. Die Swissair verfügte einst über eine der stolzesten Flotten. Jedes Flugzeug ein Bote der Schweiz. So stachen sie jeden Tag in den Himmel und zogen ihre kondensstreifen-gesäumten Bahnen. Nun hocken die Flugzeuge zusammengekauert auf dem gerillten Beton des Tarmac am Flughafen Zürich wie picklige Kröten. Das Geld ist gründlich ausgegangen.

Ein Resultat des Projekts «Tiefenschärfe», der Neuvermessung des Bodensees. Hier der Uferbereich bei der Insel Mainau im Obersee.
Resultat des Projekts «Tiefenschärfe», der Neuvermessung des Bodensees: Uferbereich bei der Insel Mainau im Obersee.

Gründlicher lässt es sich wohl nicht auf den Grund gehen. Oder doch? Vom Frühjahr 2013 bis voraussichtlich 2015 läuft das Projekt «Tiefenschärfe»: mit Echolot und Laser vermessen Forscher den Grund und die Oberfläche des Bodensees neu. Gilt er doch, den Obersee mitgerechnet, mit seinen 536 km² nach dem Balaton, Plattensee, in Ungarn und dem Lac Léman, Genfersee, als drittgrösster See Europas. Seit der letzten Bodenseevermessung vergingen zwar lediglich 23 Jahre, diese Daten seien aber gemäss Projektleitung Tiefenschärfe «für heutige Ansprüche bei weitem nicht mehr ausreichend». Initiiert wurde das Projekt von der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) die sich aus Vertretern Bayerns, Baden-Württembergs, Österreichs und der Schweiz zusammensetzt. Sie engagieren sich für den Schutz des Bodensees. Nach dem Abschluss der ersten, nautischen Phase geht das Projekt in die Luft: Von einem Flugzeug aus führen die Fachleute LIDAR Messungen durch. LIDAR ist die Abkürzung für Light Detection and Ranging, also ein Messverfahren mittels Lichtstrahlen, konkret: Laser. Das Projekt «Tiefenschärfe» nähert sich seinem Abschluss im nächsten Jahr, wenn die Echolotdaten mit den Laserdaten vereint und neue Geländemodelle errechnet sein werden.

Die lokalen Gewässerbaubehörden werden die neuen Daten über den Bodensee berücksichtigen, wenn sie in Zukunft neue Badestege oder Versorgungsleitungen bauen möchten. Oder auch die Schiffahrtsbetreiber, wenn sie genau wissen wollen, ob ihre Schiffe bei niedrigem Wasserstand an diesem oder jenem Landesteg überhaupt noch zufahren können. Der praktische Nutzen ist wohl für Nichtwissenschaftler stets schwierig zu erkennen bei Projekten, die auf den Grund gehen.