Veröffentlicht am 17.10.2013TEXT: Patrick_HergerFOTO: Romed Fritsche

Die Nein-Sager

Patrick_Herger
Journalist «der arbeitsmarkt»

«Nein sagen kann jeder. Doch Nein-Sagen heisst: Versuch’s gar nicht erst!» Was für die einen nicht mehr ist als ein orangefarbener Werbespot, bedeutet für andere Lebensphilosophie. In einem Film mit Schauspieler Jim Carrey erlebt der Protagonist mit dem einfachen Gebrauch des Wörtchens «Ja» viele Abenteuer und entdeckt zahlreiche zuvor versäumte Möglichkeiten.

Im persönlichen Umfeld habe ich die Erfahrung gemacht, dass notorische Nein-Sager die Angst vor Veränderungen umtreibt. Was geschieht, wenn sich die Dinge nicht entwickeln, wie erwartet oder ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden bin? Hier hört der Gedankenfluss meistens auf. Würde der Betroffene nur einen Schritt weiter denken, käme er möglicherweise zum Schluss, dass diese oder jene Unternehmung bei Misslingen nicht sofort eine Naturkatastrophe zur Folge hätte. In den seltensten Fällen wird ihm von anderen sprichwörtlich der Kopf abgerissen. Das grösste Risiko besteht meist aus dem Verlust des eigenen Gesichts. Doch wer sind die anderen, dass ich mich vor ihnen zu rechtfertigen habe? Wer sind sie, dass sie über mich urteilen – sie, die einen anderen Weg hinter sich und abweichende Erfahrungen gemacht haben und die Welt durch ihren persönlichen Filter betrachten?

Immer wieder blicke ich voll Bewunderung zu den Menschen, die Risiken in Kauf nehmen, um ihre Träume zu verwirklichen und die Dinge zu tun, an denen sie Freude haben. Ich spreche auch von Menschen, die sich mit einer vielleicht irrwitzigen Idee beruflich selbständig gemacht haben. Damals – zu Beginn der Unternehmung – wurden sie vermutlich belächelt. Heute besitzen sie einen Laden, eine grosse Fangemeinde, Leser, Zuschauer oder Zuhörer und sind erfolgreich mit dem, was sie tun.

Im Filmdrama «Das Streben nach Glück» spielt Will Smith einen erfolglosen Handelsvertreter, der sich mit viel Durchhaltevermögen zum Investmentbanker hocharbeitet. Zuvor hat er mit finanziellen Problemen zu kämpfen und besitzt weder das Geld für die Miete, noch den Anzug zum Vorstellungsgespräch. In einer Szene mit seinem Sohn sagt er zu diesem: «Lass dir von niemandem je einreden, dass du etwas nicht kannst. Auch nicht von mir.» Ähnlich aufbauende Worte hätte ich mir von so manchem Lehrer, Ausbildenden, Vorgesetzten und Chef gewünscht.

Auch Eltern und Freunde können sich als Nein-Sager entpuppen. Als ich aus Deutschland in die Schweiz kam, waren viele davon überzeugt, ich besäße nicht die Geduld, um meine Ziele und Pläne zu verwirklichen. Mittlerweile lebe und arbeite ich seit knapp vier Jahren hier und kann mir so schnell nicht vorstellen, in die Heimat zurückzukehren.

Letztendlich ist «Nein» kein schlimmes Wort. Doch wer damit um sich wirft, ohne einen Blick über den Tellerrand zu riskieren, verpasst wohlmöglich Chancen und Gelegenheiten. Nicht nur aus östlichen philosophischen Strömungen ist bekannt, dass Veränderungen und Wandel zum Leben gehören. Wie langweilig wäre die Welt – und wir mit ihr – würde sie sich nie verändern? Aus diesem Grund endet jener aktuelle Werbespot mit dem Schriftzug «Du kannst». Oder um es mit den Worten einer von mir sehr geschätzten Rockband zu sagen: «Fragst du dich denn nicht zu sehr wann? Frag dich nur noch: Wenn nicht du, wer dann?»