Veröffentlicht am 19.11.2013FOTO UND TEXT: Elisabeth Pacher

Die Podiumsteilnehmenden am Europa Forum in Luzern.

Wider die «Selbstverzwergung»

Was macht das Image der Schweiz aus? Wie wichtig ist Souveränität für einen Kleinstaat? Ist das Erfolgsmodell Schweiz ein Auslaufmodell? Antworten auf diese Fragen diskutierten Persönlichkeiten am Europa Forum im Kultur- und Kongresszentrum Luzern.

«Bei uns ist der Staat gläsern und nicht der Bürger», sagte Bundespräsident Ueli Maurer vor gut 1000 Zuschauern im Kultur- und Kongresszentrum Luzern. Sein Referat sowie die Rede des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel gaben am 25. Europa Forum Luzern Denkanstösse für eine kontroverse Podiumsdiskussion. Zum Thema «Blicke auf die Schweiz» luden die Veranstalter Vertreter aus Politik und Wirtschaft in die Innerschweiz. Sie reflektierten die facettenreiche Innen- und Aussensicht der Schweiz und erörterten mögliche Wege und Optionen für die politische und wirtschaftliche Zukunft.

Der Souverän sind wir

In seiner Rede betonte Ueli Maurer, dass die Schweiz ein Land sei, in dem das Volk am Anfang stehe und dessen Staatszweck die Freiheit sei. Dieser Grundgedanke sei in der Bundesverfassung verankert. Die Schweizerinnen und Schweizer würden sich gemeinsam als Souverän wahrnehmen. Ueli Maurer stellte aber auch ein Unbehagen gegenüber der Kleinheit der Schweiz fest. Solche Stimmen hätten sich in der Vergangenheit immer wieder gemeldet. Ueli Maurer warnte davor, das Erfolgsmodell Schweiz infrage zu stellen und kritisierte die Medien, die «die Vorwürfe von ausländischen Staaten unbesehen übernehmen.»

«Die Schweiz steht in der Kritik, weil sie sehr viel
richtig macht.»

Der Druck auf die Schweiz von ausländischen Staaten habe zugenommen, sagte Ueli Maurer. Für den Bundespräsidenten ist dabei klar: «Die Schweiz steht in der Kritik, weil sie sehr viel richtig macht.» Beispiele, welche die Leistungen der Eidgenossenschaft aufzeigten, seien genügend vorhanden: So lebten über 1,1 Millionen EU-Bürger in der Schweiz und 270 000 Grenzgänger fänden in der Schweiz ein Auskommen.

Der Bundespräsident vertrat die Meinung, dass die Schweiz zwar Teil von Europa sei, der EU aber nie beitreten werde. «Das wäre das Ende unserer Handlungsfreiheit und unserer Souveränität», sagte Maurer.

Mit seiner Sicht von Aussen empfahl Wolfgang Schüssel der Schweiz, sich nicht kleiner zu machen als sie sei: «Reden Sie nicht von Schwächen, sondern von Stärken, das stärkt Sie.» Die Schweiz sei in verschiedenen Bereichen eine Weltmacht. «Ich halte nichts von der Selbstverzwergung.»

«Es ist wichtig, dass Sie Europa nicht
als Bedrohung empfinden.»

Schüssels Referat liess Spielraum für Humor. In Anspielung auf den Abhörskandal sagte der ehemalige österreichische Bundeskanzler: «Kleinere und mittlere Staaten können zuhören und brauchen nicht abhören.»

Als überzeugter Europäer ermutigte Schüssel die Schweiz, sich in Brüssel aktiv einzubringen. Umgekehrt sei auch die EU aufgefordert, die Besonderheiten der Schweiz zu respektieren: «Es ist wichtig, dass Sie Europa nicht als Bedrohung empfinden.» Entscheidend sei die gesamteuropäische Partnerschaft, die Europa eine lange Phase des Friedens und der Prosperität gebracht habe.

Die Schweiz ist mittendrin

Beim abschliessenden Podium erörterte Wolfgang Schüssel die Fragen zum Image der Schweiz mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Teilnehmenden Peter Gottwald, ehemaliger deutscher Botschafter in Bern, Remo Lütolf, Manager und Vorsitzender der Geschäftsleitung von ABB sowie Alfred Mettler, Finanzprofessor an der Georgia State University in Atlanta (USA) waren sich im Grundsatz einig, dass die Schweiz mit Europa stärker verflochten ist, als sie wahrhaben will. Durch die Teilhabe am europäischen Binnenmarkt könne sie de facto gar nicht «draussen bleiben».

Das Europa Forum Luzern ist ein seit 1996 existierender Verein, der Begegnungen zwischen europäischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur fördern will. Vorsitzender des Forums ist der Stadtpräsident von Luzern. Ebenso gehören dem Verein der Kanton und die Stadt Luzern an. Das Forum betrachtet sich als politisch neutral und führt jährlich zwei Tagungen durch.