Veröffentlicht am 21.04.2008TEXT: Doris Burkhardt Rohrer

Türöffner für gute Jobs

16.04.2008 Wer im reiferen Alter aus der Arbeitswelt fällt, hat es schwer, wieder eine Stelle zu finden. Zwei neue St. Galler Pilotprojekte für Stellensuchende über 50 sollen helfen, Türen zu öffnen.

Seit vergangenem September ist der 58-jährige Rheintaler Josef Eigenmann arbeitslos. Er war Drucker, kann aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zurück in den gelernten Beruf. Er hat seine Kompetenzen und Qualifikationen ausgelotet und sieht seine Chancen in der Erwachsenenbildung. Seine Umschulung verlief erfolgreich. «Ich könnte jetzt als Assistent in der Seminarleitung arbeiten.»
Doch Monate vergehen und Josef Eigenmann blickt auf zahlreiche abgeschickte Bewerbungsschreiben zurück. Er erfährt auf seine Bewerbungen stets die gleichen Reaktionen: «Leider sind Sie für unsere Stelle überqualifiziert», oder «Sie passen nicht in unser Profil». «Das ist entmutigend», sagt Eigenmann. Aber er gibt nicht auf. Und das macht sich bezahlt. Denn jetzt kann er von einem gemeinsamen Mentoring-Programm «Tandem 50plus» des Amtes für Arbeit (AfA) des Kantons St. Gallen, des Migros-Kulturprozents, der kantonalen Pro Senectute und Benevol St. Gallen profitieren. Ältere Stellensuchende werden dabei von ehrenamtlichen Mentoren begleitet, beraten und in berufliche Netzwerke eingeführt.
Dieses Projekt baut auf den Erfahrungen des erfolgreichen St. Galler Projekts «Tandem für Jugendliche zwischen 20 und 24» auf. Bereits konnten nach Worten der Projektleiterin Christina Alder dafür sechs Paare (Mentor/Stellensuchende) gewonnen werden. «Unser Ziel ist es, bis 20 Tandems auf-zubauen. Dazu benötigen wir aber noch weitere Mentorinnen und Mentoren.» Christina -Alder hofft auf ein grosses Echo freiwilliger Mithelfer.
Als wichtigste Voraussetzung für Mentoren nennt sie «Kompetenz, Lebenserfahrung und ein gutes Beziehungsnetz zur Wirtschaft, zum Arbeitsmarkt». Unter den Mentoren sei durchaus eine gewisse Vielfalt erwünscht: «Letztlich werden die Persönlichkeit des Mentors sowie die Chemie zwischen ihm und dem Stellensuchenden darüber entscheiden, ob ein Tandem erfolgreich ist», so Christina Alder.

Mentoren dürfen etwas älter, müssen aber kompetent sein

Dieses Profil passt auf Josef Eigenmanns «Türöffner» und Mentor Ueli Müller aus Bal-g-ach. Der ausgebildete Ingenieur und ehemalige Leica-Projektleiter kommt wie Eigenmann aus dem Rheintal. Er ist 64-jährig, hat die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, gute Menschenkenntnisse, Motivations- und ein gesundes Durchsetzungsvermögen. Auch versteht er es, dank seiner beruflichen Karriere und seiner Neugier, immer wieder etwas Neues kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu pflegen.
Für Müller funktionieren Mentorensysteme dann gut, «wenn die älteren Fachleute kompetent bleiben und sich auch mit neueren Organisations- und Kommunikationstechniken auskennen». Ein langfristig angelegtes Mentorensystem schliesse oft eine Weiterbildung der Mentoren ein. Müller spricht aus eigener Erfahrung. Und aus-serdem: «Als Mentor ist es für mich immer wieder eine grosse Befriedigung, Menschen zu helfen, ihr Selbstvertrauen wieder zu -gewinnen und sie letztlich auch wieder beruflich ein-zugliedern.»
Josef Eigenmann nickt. «Ich fühle mich von meinem Mentor unterstützt und habe deshalb auch neuen Mut geschöpft für die weitere Stellensuche.» Sein Wille, zu arbeiten, ist schon belohnt worden: «Ich habe einen dreimonatigen Zwischenverdienst angeboten erhalten.»

Prämien für private Stellenvermittler

Im zweiten vom Kanton St.Gallen angestossenen Pilotprojekt sollen private Stellenvermittler über Prämien einen Anreiz erhalten, ältere und vor allem schwierig zu vermittelnde Stellensuchende intensiv zu betreuen. «Vermittlung 50plus» ist im März in den Regionen St. Gallen und Wattwil gestartet worden. Beteiligt sind nach Ausführungen von Johannes Rutz, Leiter des kantonalen Amts für Arbeit, sieben private Stellenvermittler. Sie erhalten bis zu 6500 Franken für die erfolgreiche Vermittlung eines Stellensuchenden über 50. «Schon nach sechs Monaten kann die Arbeitslosenversicherung das Dreifache der Prämie sparen», rechnet Johannes Rutz vor.
Ähnliche Projekte sind in angelsächsischen Ländern erfolgreich durchgeführt worden. Für die Schweiz ist dieses Projekt eine Novität.

50 plus: Die Lage bleibt ernst

Bei der Eingliederung von Menschen über 50 in den ersten Arbeitsmarkt besteht aus Sicht des Amtes für Arbeit des Kantons St. Gallen «dringender Handlungsbedarf». Obwohl die Wirtschaft dank der derzeit positiven Entwicklung so viele offene Stellen vermeldet wie noch selten, bleibt nach Beobachtung von Amtsleiter Johannes Rutz der Arbeitsmarkt für Personen über 50 angespannt. «Sie sind zwar nicht häufiger von Erwerbslosigkeit betroffen, aber das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit ist deutlich höher und ihre Anstellungschancen geringer als bei Jüngeren.» Rutz erwartet mehr Engagement von der Wirtschaft: Die demographische Entwicklung werde von den Unternehmen «noch zu wenig ernst genommen», bedauert er. Generationenübergreifende Teams müssten gefördert und gepflegt werden.
Von den stellensuchenden 50-Jährigen haben im vergangenen Jahr etwas mehr als 18 Prozent eine Stelle gefunden. Bei den über 55-Jährigen waren nur noch 14 Prozent erfolgreich, wie aus einer Statis-tik über die Langzeitarbeitslosen im Kanton St. Gallen hervorgeht. Als Vergleich: Bei den über 20-Jährigen lag die Erfolgsquote ihrer Bemühungen um einen Arbeitsplatz bei 48 Prozent und bei den über 25-Jährigen bei 36 Prozent.

 

Abmeldungen von Langzeitarbeitslosen im Kanton St. Gallen 2007

 

  Ohne Stelle Mit Stelle Alle
15-24 64 (51,6%) 60 (48,4%) 124
25-49 415 (63,8%) 235 (36,2%) 650
50-54 103 (81,7%) 23 (18,3%) 126
50+ 281 (85,4%) 48 (14,6%) 329
Alle 863 (70,2%) 366 (29,8%) 1229