Veröffentlicht am 28.03.2012TEXT: Eliane Maggi

Monica Kissling erklärte den Wertewandel aus astrologischer Sicht. Foto: Nandor Nagy im Auftrag des RAVs Zürich Oerlikon

Sternedeuten mit dem AWA Zürich

em. Alle Jahre wieder laden die Arbeitsmarktbehörden des Kantons Zürich zum Arbeitgeber-Apéro. Dieses Jahr deutete Monica Kissling alias Madame Etoile der Wirtschaftselite die Sterne am Gesellschafts- und Wirtschaftshimmel.

«Auf sich selbst ist doch am wenigsten Verlass. Wem soll man denn heutzutage noch vertrauen?» Mit dieser Frage eröffnete Bruno Sauter, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, den diesjährigen Arbeitgeber-Apéro. Als Amtsvorsteher ist Sauter auch oberster Chef der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV).

Der Apéro soll ein Dankeschön an die Partner in der Wirtschaft sein. Gleichzeitig bietet der Anlass eine Plattform für den Austausch untereinander. Thema war dieses Jahr «Welche Werte zählen heute noch?». Sauter nahm die Frage in seiner Ansprache auf und wies darauf hin, dass Arbeitgeber sich auf das Umfeld und damit die Menschen verlassen, wie die Unternehmen ihrerseits auf Ressourcen, das Gesetz und zu guter Letzt auch wieder auf den Menschen bauen.

Nach seiner kurzen Begrüssung übergab er das Mikrofon an die Moderatorin der Talkrunde, Christine Maier (10vor10). Sie nahm den Faden auf und fragte Sauter, wie er zu dieser prägnanten Aussage komme. «Ich bin verheiratet», lautete die Antwort scherzhaft. Damit war das Eis gebrochen und eine lockere Atmosphäre hergestellt.

Sprung in eine neue Zeit: Sicherheit ist gefragt

In ihrem Impulsreferat richtete die Astrologin Monica Kissling, besser bekannt als Madame Etoile, den Blick auf die jüngere Vergangenheit, um den Wertewandel zu erklären. Zwei markante Paradigmenwechsel seien für das letzte Vierteljahrhundert entscheidend gewesen: Die erste Phase von 1988 bis 1993, die geprägt war durch das Zusammentreffen von Saturn, Uranus und Neptun, sei gekennzeichnet durch die politischen Umwälzungen nach dem Ende des Kalten Krieges, die digitale Revolution und die Globalisierung.

In der zweiten Phase der Veränderung von 2008 bis 2015 wirkten Saturn, Uranus und Pluto in einer Konstellation, die schon die Zeit der grossen Depression in den 1930er Jahren bestimmt habe. Dieser Abschnitt sei gekennzeichnet durch den einsetzenden Wertewandel. «Die digitale Wende war ein Sprung in ein neues Zeitalter, in dem ein völlig neues Bewusstsein für die heutige Zeit entwickelt werden muss», sagte Kissling. Durch die Digitalisierung sei die Entwicklung nicht mehr linear verlaufen. «Der Wert der Sicherheit ist meines Erachtens der wichtigste, gefolgt von der Transparenz und der Zeit.»

Seit 2008 weile Pluto im Zeichen Steinbock. «Damit ist eine Phase der Rückbesinnung eingetreten. Nachdem wir wirtschaftlich erst den Preis für Exzesse und zu hohe Risiken zahlen mussten, wird unsere Gesellschaft nun wertbewusster und wertkonservativer», sagte Kissling. «Nebst den klassischen Tugenden wie Bescheidenheit, Sparsamkeit, Disziplin und Pflichtbewusstsein nimmt Nachhaltiges Platz ein.»

Kissling empfahl, mehr auf Instinkte und Gefühle zu hören. Wir werden mehr Eigenverantwortung, aber auch mehr Gestaltungsraum haben. «Es stellt sich weniger die Frage, was die Zukunft bringt, sondern wie wir sie gestalten wollen.»

«Jeder weiss, was ein Wert ist»

Christine Maier nahm die von Kissling genannten Punkte Sicherheit, Transparenz und Ehrlichkeit in der Podiumsdiskussion auf. Als erstem Gast erteilte Maier das Wort der Kommunikationsspezialistin Béatrice Tschanz Kramel, die nationale Berühmtheit erlangte, als sie 1998 beim tragischen Unglück der Swissair in Halifax transparent und emotional berichtete.

Bezeichnenderweise führte Tschanz Ehrlichkeit und Offenheit als Werte an, auf die man bauen könne. In der Kommunikation sei es wichtig, Fakten zu benennen und sie in Tranchen vorzubringen. Ein absolutes No-Go im Privaten wie im Beruflichen ist für Tschanz das Lügen: «Das macht man nur ein Mal.» Authentizität und Glaubwürdigkeit seien unabdingbar. «Jeder sollte auch leben, was er sagt», sagte sie, und: «Jeder Mensch weiss ganz genau, was ein Wert ist.»

«Wir sollten nicht auf Nostalgie machen und behaupten, früher sei alles besser gewesen. Aber die digitale Welt hat den Wertewandel nachhaltig beschleunigt», sagte Tschanz und riet, wieder den Menschen in den Vordergrund zu stellen.

Ancillo Canepa, der Präsident des FC Zürich, beklagte, dass die Integrität als Wert in der Wirtschaft über die Jahre verloren gegangen sei. Für den ehemaligen Wirtschaftsprüfer, der 30 Jahre bei Ernst & Young gewirkt hatte und seit 2006 das sportliche Zepter beim Fussballclub führt, war die Finanzkrise keine Überraschung. «Viele haben sich von der Geldgier leiten lassen, die sich wie ein roter Faden durch die Gesellschaft gezogen hat.»

Sicherheit vermitteln

Im Kreise der Talkrunde befand sich auch Sabina Furler, seit 2008 CEO des Dessous-Herstellers Beldona, der 2011 von Triumph aufgekauft wurde. Für die ehemalige Beraterin bei McKinsey ist die Firmenkultur ein wichtiger Wert. «Sie ist nicht verhandelbar. Gegenseitiger Respekt von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden ist das Wichtigste.»

Die Beldona-Chefin glaubt, dass Sicherheit und Beständigkeit für die Mitarbeitenden ganz wichtig sei. Die Übernahme des Konzerns habe die Angestellten sehr verunsichert. Tschanz hielt dagegen, dass Sicherheit allein nicht ausreiche. «In der heutigen Zeit kann niemand mehr Sicherheit garantieren».

Haben jüngere Menschen ein anderes Sicherheitsverständnis als die ältere Generation? Kissling, die nach ihrem Referat ebenfalls an der Talkrunde teilnahm, verneinte. «Die Jungen wünschen sich die bewährten Werte zurück.»

Innehalten ist wichtig

Hier hakte Canepa ein. Die Jungen befänden sich in einem Kommunikationswahn, sagte er, würden aber nicht entsprechend geschult. «So wie der Mensch die hundert Meter nie in fünf Sekunden wird laufen können, ist es ihm auch nicht möglich, mit dem Tempo unserer Zeit mitzuhalten. Die Menschen sind überfordert.»

Meyer nahm dann das Thema Ruhelosigkeit auf und wies darauf hin, wie unvorstellbar es für viele Menschen sei, ein paar Stunden ohne Kommunikationsmittel auszukommen. Der Mensch sei im Dilemma, einerseits informiert sein und sich andererseits vom ganzen Kommunikationsfluss distanzieren zu müssen. Das Innehalten sei wichtig, stellte die Runde übereinstimmend fest. Tschanz führte an, dass es wichtig sei, dass wir uns auch bewusst Freiräume schaffen, die kommunikationsfrei sind, um danach entspannt und kreativ wieder zu Werke gehen zu können.

Im Anschluss an die Talkrunde sprach die scheidende Leiterin der RAV-Stelle Zürich-Oerlikon einen besonderen Dank an die anwesenden Wirtschaftsvertreter aus. In den vergangenen 12 Monaten seien dem RAV wieder tausende Stellen gemeldet worden,  von denen die Hälfte vermittelt und besetzt werden konnte. Eine Zusammenarbeit, die einen alljährlichen Apéro durch das Amt für Wirtschaft und Arbeit beziehungsweise die RAV durchaus rechtfertige.