Veröffentlicht am 17.02.2014FOTO UND TEXT: Marc Siegel
Christoph Eymann, Präsident EDK, Mauro Dell’Ambrogio, Staatssekretär SBFI, und Stefan Wolter, Direktor SKBF, bei der Präsentation des Bildungsberichts 2014.

Christoph Eymann, Präsident EDK, Mauro Dell’Ambrogio, Staatssekretär SBFI, und Stefan Wolter, Direktor SKBF, bei der Präsentation des Bildungsberichts 2014.

Reicht unsere Bildung aus?

Der Bildungsbericht 2014 zeigt, dass die tertiäre Ausbildung in der Schweiz immer beliebter wird. Bereits jeder Dritte schliesst ein Hochschulstudium ab. Auch die Abschlussquote auf der Sekundarstufe II lässt sich im internationalen Vergleich sehen.

Der Bildungsbericht ist eine seltene Publikation: Er erscheint nur alle vier Jahre. Dafür umfasst er jeweils über 300 Seiten. Der aktuelle Bericht zeigt, dass in der Schweiz die Tendenz zu einer tertiären Ausbildung zunimmt. Während vor zehn Jahren noch jeder vierte Erwachsene ein Hochschulstudium abschloss, ist dies heute bereits jeder dritte. 

Der Bildungsbericht 2014 enthält brisante Erkenntnisse, auf die Stefan Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF), bei der Präsentation kurze Streiflichter warf. «Auch noch fünf Jahre, nach dem Doktorat verdienen Schweizer Akademiker an der Universität weniger als ihre Kollegen, die bereits nach dem Doktorat eine nichtakademische Stelle antraten», sagte Stefan Wolter. Das heisst: Die Attraktivität einer universitären Karriere scheint sich zumindest monetär in Grenzen zu halten. Eine typische Schweizer Akademikerkarriere sei gar so etwas wie eine «leaky pipeline», meint der Bildungsforscher – eine löchrige Laufbahn, die ständig Absolventen verliere. 

Gute Berufschancen 

Gemäss des Berichts lässt sich indes die Abschlussquote auf der Sekundarstufe II, das heisst an den Gymnasien, Berufsmittelschulen und Berufsfachschulen, europaweit sehen. Der Basler Bildungsdirektor Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), betonte, dass «die Abschlussquote mit aktuell 92,4 Prozent auch im internationalen Vergleich beachtlich ist.» Bei den in der Schweiz geborenen Schülern sind es sogar 95 Prozent. Das im Jahr 2011 von den kantonalen Erziehungsdirektoren und den Eidgenössischen Departementen des Innern (EDI) und der Volkswirtschaft (EDK) gemeinsam deklarierte Ziel wurde somit erreicht. 

In einem anderen Beispiel widerlegt der Bildungsbericht die Behauptung, dass die soziale Herkunft sich auf ein Hochschul- oder Fachstudium besonders stark auswirkt. Die soziale Ausgeglichenheit ist in der Schweiz verglichen mit anderen europäischen Ländern sogar am höchsten (siehe Grafik unten).

Stefan Wolter präsentierte in Bern den neusten Bildungsbericht. 
Stefan Wolter präsentierte am 11. Februar in Bern die neuste Ausgabe des Bildungsberichts.

Dennoch wies Projektleiter Stefan Wolter darauf hin, dass auch in der Schweiz soziale Ungleichheit stattfinde: Beim Eintritt ins Gymnasium komme es zwar vor, dass auch Kandidaten mit ungenügenden Leistungen aufgenommen würden, aber nur, wenn sie aus akademischen Schichten stammten. Bildungsfern Aufgewachsene haben wenig Chancen, wenn sie nicht überdurchschnittlich gute Schüler seien.

Keine Fremdsprachen bei der Arbeit 

Der Bildungsbericht 2014 fördert des Weiteren ein überraschendes Detail zutage: Offenbar sind Fremdsprachen im Beruf weniger wichtig als vielfach gepredigt. «An den meisten Arbeitsplätzen werden Fremdsprachen nur selten benötigt», fasste Stefan Wolter aktuelle Studien zusammen. «So ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Lehrlinge fremde Sprachen gut lernen und beherrschen.» Wenn Fremdsprachen im Arbeitsalltag brach liegen, bringe es nichts, den Fremdsprachenunterricht aufzustocken, ist der Bildungsforscher überzeugt. 

Referenzwerk für Bildungsbeauftragte

Stefan Wolter machte an der Präsentation des Berichts deutlich, dass sein Ziel nicht darin bestehe, Massnahmen vorzuschlagen. Der Bericht stelle im Rahmen eines kontinuierlichen Monitorings aktuelle Fakten zur Verfügung. Die Auswertung obliege den Vertretern der eidgenössischen und kantonalen Bildungspolitik. 

Auftraggeber für den Bildungsbericht sind das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) und die EDK. Auch in Zukunft soll der Bericht alle vier Jahre erscheinen. Er richtet sich an die an Bildungsfragen interessierte Öffentlichkeit sowie an alle Akteure des Bildungswesens. Die Auftraggeber hoffen, dass Entscheide in der Bildungspolitik davon beeinflusst werden. Durch seine systematische Zusammenfassung aller Informationen über das Schweizer Bildungswesen in wissenschaftlicher Synthese bietet sich der Bericht als Referenzwerk an.

Soziale Disparität an Hochschulen 2009/10: Vergleich Schweiz europäische Staaten. Bildungsstufen nach UNESCO-Standard ISCED.