Veröffentlicht am 28.06.2012FOTO UND TEXT: Andreas Tschopp

An der Messe waren auch Aussteller zugegen, die Schutzanzüge anboten.

«Nur gesunde Mitarbeitende sind sichere Mitarbeitende»

at. Sicherheit und Gesundheit sind Grundbedürfnisse der Menschen, vor allem auch am Arbeitsplatz. An der Fachmesse Arbeitssicherheit Schweiz und Corporate Health Convention in Bern wurden die zwei Themen kombiniert präsentiert.

Jede fünfte in der Schweiz beschäftigte Person ist überzeugt, dass ihre Arbeit ein Gesundheitsrisiko darstellt. Rund ein Viertel aller gesundheitsbedingten Absenzen haben ihren Ursprung in problematischen Arbeitsbedingungen und nur rund 10 Prozent in Unfällen. Gemäss Pascal Richoz, Leiter Arbeits­bedingungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), ist es im Bereich Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit denn auch zunehmend notwendig, die Prävention in den Unternehmen nicht allein auf die Berufsunfälle auszurichten.

Diese schlagen jährlich mit rund 2,8 Milliarden Franken zu Buch. Viel häufiger treten arbeitsbedingte Erkrankungen im Bewegungsapparat und negative Gesundheitsfolgen von Stress auf, die die Unternehmen mit jährlichen Kosten von 3,3 beziehungs­weise 4,6 Milliarden wesentlich stärker belasten. Die Ursachen der drei Problembereiche sind verwoben und sollten daher vernetzt angegangen werden durch Kooperation aller Präventionsfachstellen im Betrieb.

«Urknall 1994» hat SBB geweckt

Wie das konkret geschieht, wurde an der Fachmesse Arbeitssicherheit Schweiz und Corporate Health Convention in Bern am Beispiel der SBB aufgezeigt. Seit dem «Urknall 1994» mit drei schweren Unfällen in Däniken SO, Zürich-Affoltern und Lausanne werde das Thema Arbeitssicherheit im Unternehmen systematisch angegangen und weiterentwickelt, erklärte der stellvertretende Sicherheitschef der SBB, Paul Hügli. In einem ersten Schritt wurde die Tragpflicht der Schutz­ausrüstung eingeführt. Durch Überwachung und Sanktionierung dieser Vorschrift konnte die Zahl der Unfälle laut Hügli um einen Drittel reduziert werden.

Einen weiteren Rückgang habe die Förderung der Eigenverantwortung gebracht. «Die Mitarbeitenden mussten lernen, dass sie den Schutzhelm nicht für den Chef, sondern für sich selbst tragen», machte Hügli deutlich. Mit der Pflege des Teamansatzes gehen die SBB jetzt noch einen Schritt weiter. «Unser Ziel ist die lernende Organisation», sagte der stellvertretende Sicherheitschef. Er unterstrich, dass dies für die SBB mit 28 000 Mitarbeitenden eine «grosse Herausforderung» sei.

«Ein Abfallprodukt guter Führung»

Ein Instrument zu diesem Zweck ist die Sicherheitswerkstatt. Diese vorstruktu­rier­ten Meetings werden auf allen Unternehmensstufen durchgeführt – bis in die Konzernleitung. Hügli machte deutlich, wie wichtig das Verhalten der Vorgesetzten sei, denn: «Arbeitssicherheit ist ein Abfallprodukt guter Führung. Wenn Sie einen Chef haben, der nicht wegsieht, der sich verantwortlich fühlt für seine Leute, dann funktioniert das.»

Laut dem stellvertretenden Sicherheitschef konnten die SBB mit den Massnahmen die Quote von zwölf Unfällen pro hundert Mitarbeiter mittlerweile auf noch gut drei senken. 2011 habe sich kein einziger schwerer Unfall ereignet, in diesem Jahr schon zwei; hinzu komme der Todesfall beim Bergsturz in Gurtnellen, wo ein Mitarbeiter einer Drittfirma ums Leben kam. Das sei zufällig, meint Hügli und betont mit Verweis auf den Austausch mit den Sicherheitschefs anderer Bahnen: «Wir sind bei der Vermeidung von Betriebsunfällen die Besten.»

Die SBB sind nicht nur um die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden besorgt, sondern kümmern sich seit 2010 zusätzlich auch um deren Gesundheit. Es wurde eine Gesundheitsstrategie erarbeitet, die praxisnah auf die rund 150 Berufskategorien abgestimmt ist. Daraus ist eine Roadmap entstanden. «Wir sind jetzt mittendrin», sagt Daniela Steiner, Leiterin des Kompetenzzentrums Betriebliches Gesundheits­management. Sie verfolgt mit dem stellvertretenden Sicherheitschef der SBB ein gemeinsames Ziel, das da lautet: «Nur gesunde Mitarbeitende sind sichere Mitarbeitende».

Stress sorgt für die grössten Leiden

«Stress und Burnout gelten als die grössten Gesundheitsrisiken der zukünftigen Arbeitswelt», sagt Thomas Mattig, Direktor Gesundheitsförderung Schweiz. Laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden im Jahr 2020 die Stressfolgekrankheiten Herzinfarkt, Depression und Angststörungen die grössten Leiden der Menschheit sein.

Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ist deshalb einer der Schwerpunkte von Gesundheitsförderung Schweiz. Eine von der Stiftung in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass sich gezielter und systematischer Stressabbau lohnt. So konnten mit der bei 5000 Mitarbeitenden in acht Pilotbetrieben während zwei Jahren durchgeführten Stressprävention bei 25 Prozent der Belegschaft positive Auswirkungen auf die Gesundheit nachgewiesen werden.

Auf die Wichtigkeit von Stressprävention im beruflichen Umfeld wies auch Wolfgang Kälin hin, Dozent für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Bern. «Gut ein Drittel aller erwerbstätigen Personen fühlt sich am Arbeitsplatz gestresst», erklärte er mit Verweis auf die Stressstudie 2010 des SECO. Diese weist eine Zunahme der Stressgeschädigten um über sieben Prozent gegenüber 2000 aus.

Die Resultate der Vorgängerstudie gaben laut Kälin den Anstoss zum Aufbau der Internetplattform stressnostress.ch. Diese ist seit 2006 online und wird rege benutzt, vorab die persönliche Checkliste zum Erfassen von Signalen und Ursachen für Stress am Arbeitsplatz mit sofortiger Resultatauswertung. Die Initianten wollen jetzt noch näher an die Betriebe herangehen und speziell KMU ansprechen.

Tipps für KMU und von der Suva

Wie diese Gewerbebetriebe, in denen 70 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz tätig sind, die gesetzlichen Auflagen für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz mit einfachen Mitteln umsetzen können, erklärte an der Fachmesse Roland Schlup von der Abteilung Arbeitsbedingungen beim Berner Wirtschaftsamt Beco. «Je kleiner, desto häufiger», machte Schlup anhand der Unfallzahlen klar. Mit 156 Unfällen auf tausend Beschäftigte sind diese bei Betrieben mit weniger als sechs Angestellten klar höher als mit 50 auf Tausend bei solchen mit über 300 Beschäftigten. Der Mann vom Beco verwies die KMU-Vertreter auf die Richtlinie 6508 der Eidgenössischen Kommission für Arbeitssicherheit (EKAS), die eine klare Vollzugsanweisung gebe. Die praktische Umsetzung lässt sich laut Schlup danach anhand einer Checkliste der Suva kontrollieren.

«Keine Arbeit ist so wichtig, dass es sich rechtfertigen würde, seine Gesundheit oder gar sein Leben zu riskieren», lautet die Kernbotschaft der Suva-Kampagne «Vision 250 Leben», die Sicherheitsingenieur Maurus Adam an einem Praxisforum an der Fachmesse vorstellte. Mit dieser Präventionskampagne verfolgt die Suva das Ziel, im Zeitraum von 10 Jahren 250 Berufsunfälle mit Todesfolge und ebenso viele schwere Invaliditätsfälle zu verhindern.

Wer hilft weiter zum Thema?

Gesundheitsförderung Schweiz
Schweizerischer Verband für Betriebliche Gesundheitsförderung SVBGF
Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS
Dachverband der Fachgesellschaften für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Suissepro
sowie das Seco und die Suva auf ihren Internetseiten.

Erfolgreiche Messepremière in Bern

Die kombinierte Messe Arbeitssicherheit Schweiz und Corporate Health Convention fand Anfang Juni erstmals in Bern statt. Dies auf Wunsch der Veranstalter, welche damit die ganze Schweiz ansprechen wollen. 129 Aussteller waren vertreten, eine Reihe davon aus der Westschweiz, von wo auch Referenten kamen. Das Gros der Angebote betraf den Sicherheitsbereich, 42 Aussteller widmeten sich dem Thema Gesundheit. Dieser Bereich sei zwar noch jung, entwickle sich jedoch dynamisch, sagte Alexander Petsch von der organisierenden Spring Expositions SA.

Der Messe-Organisator möchte die thematische Verzahnung noch weiter vorantreiben. Die nächste Corporate Health Convention findet deshalb am 9. und 10. April 2013 statt, parallel zur Personal Swiss / Swiss Professional Learning in der Messe Zürich. Zu einer Wiederauflage des Messe-Duos Arbeitssicherheit Schweiz und Corporate Health Convention wird es in zwei Jahren vom 25. bis 27. Juni 2014 in der BernExpo kommen. at