Veröffentlicht am 09.05.2012TEXT: Heinz Schopfer

Moderne Kommunikationsmittel erleichtern das Arbeiten von zu Hause aus. Foto: Martin Weiss

My home is my office

hs. Am 10. Mai ist «Home Office Day». Wenn Arbeitnehmende vermehrt von zu Hause aus arbeiten, entlastet das die Verkehrsinfrastruktur und trägt zur Verringerung des CO2-Ausstosses bei. Doch das Büro zu Hause muss gut organisiert sein.

Ursula Darmstädter wohnt in Basel und pendelt täglich abwechselnd nach Bern oder nach Zürich. Nicht so heute: Nach dem Frühstück setzt sie sich an ihren Schreibtisch, fährt ihr Notebook hoch und loggt sich mit ihrer Secure-ID über eine sichere Internetverbindung ins firmeninterne Netzwerk ihres Arbeitgebers ein.

Darmstädter arbeitet in der Abteilung Corporate Responsibility der Swisscom, die sich mit sozialen und ökologischen Belangen des Unternehmens befasst. Hier gibt es viele Arbeiten, die ebenso gut im heimischen Büro erledigt werden können. Regelmässig, zumindest jede zweite Woche, erledigt Darmstädter bestimmte Arbeiten von zu Hause aus und spart sich so den langen Arbeitsweg.

Die Swisscom fördere das Arbeiten von zu Hause aus, wenn es die Art der Arbeit zulässt, sagt Mediensprecherin Annina Merk. Teams könnten sich heute ebenso gut per Videokonferenz treffen. Ausserdem seien die Mitarbeitenden motivierter. Das trifft auch auf Darmstädter zu: Das Arbeiten zu Hause fördert ihre Lebensqualität. Gleichzeitig trägt sie dazu bei, den CO2-Ausstoss zu senken und die Verkehrsinfrastruktur zu entlasten.

Breit abgestützt durch Trägerschaft und Patronat

Der Home Office Day findet heuer zum dritten Mal statt. Er ist ein Impuls für die Arbeitswelt, mit dem Lebensqualität und Produktivität gefördert und ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden sollen, und will auf das Potenzial es Arbeitens im Home Office aufmerksam machen. Unternehmen und Erwerbstätige sollen motiviert werden, einmal pro Woche zu Hause zu arbeiten. Prädestiniert dafür wären die sogenannten Wissensarbeiter, von denen es in der Schweiz rund 450 000 gibt. Würde dieses Potenzial ausgeschöpft, könnten jährlich 67 000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Als Träger stehen SBB, Swisscom und Microsoft gemeinsam hinter der Initiative; sie unterstützen sie finanziell und mit ihren Ressourcen. So besorgt etwa Microsoft Schweiz die Medienarbeit, und Swisscom stellt kostenlose Telefonkonferenzen zur Verfügung. Die drei Unternehmen bieten ihrer Belegschaft schon heute die Option, an einzelnen Tagen zu Hause zu arbeiten, wenn dies möglich ist. Der Home Office Day steht unter dem Patronat der Bundesämter für Energie und wird von Partnern aus Politik, Wirtschaft und Umwelt unterstützt.

Letztes Jahr haben schweizweit 40 780 Personen und Unternehmen beim Aktionstag mitgemacht. Dabei sei ein Zeitgewinn von über 900 Tagen entstanden, teilte die Projektleitung mit. Für 2012 haben sich auf der Website homeofficeday.ch gegen 70 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingetragen. Sie werden an diesem Tag zu Hause arbeiten und damit Strasse und Schiene hoffentlich spürbar entlasten. Das Kampagnenbarometer auf der Website verspricht einen Zeitgewinn von 1885 Tagen. Würden all diese Pendler einmal pro Woche im heimischen Büro arbeiten, resultierte eine Reduktion des CO2-Ausstosses um 10 800 Tonnen für dieses Jahr.

Technische Möglichkeiten erleichtern die ortsunabhängige Zusammenarbeit

Ernst & Young Schweiz habe die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, seit längerem institutionalisiert, sagt Barbara Aeschlimann, Leiterin Human Resources des Wirtschaftsprüfers. «Home Office ist eines unserer Angebote, mit denen wir an unsere Mitarbeitenden grösstmögliche Flexibilität gewähren wollen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Freiheit, selbst zu entscheiden, wo und wann die Arbeit zu tun ist, unsere Mitarbeitenden sehr motiviert.»

Der Arbeitstag in den eigenen vier Wänden setze aber Absprachen mit den Vorgesetzten und im Team voraus. «Kommunikation und der dauernde Kontakt zu den Mitarbeitenden zu Hause ist sehr wichtig», stellt Aeschlimann fest. «Der persönliche Austausch ist für uns als Knowledge-Unternehmen zentral. Deshalb ist unser Home-Office Konzept nicht auf dauerhaftes Zuhausearbeiten ausgelegt.» Durch die technischen Möglichkeiten sei Zusammenarbeit heute nicht mehr zwingend ortsgebunden. «Teams bleiben beispielsweise über Chat virtuell verbunden und können jederzeit mühelos miteinander kommunizieren.»

Familienfreundliches Arbeiten nicht nur für Frauen

Als Chance zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sieht Valérie Borioli Sandoz, Verantwortliche für die Gleichstellungspolitik am Arbeitsplatz beim Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse, das regelmässige Home Office. «Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitsplatz zu Hause und die Rahmenbedingungen mit dem Arbeitgeber sorgfältig organisiert werden», gibt sie zu bedenken. «Und es sollte die Möglichkeit bestehen, die Türe auch wirklich zu schliessen.» Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sei nicht nur Frauensache, stellt Borioli klar. «Auch Männer sollten die Möglichkeit bekommen, in dieser Form zu arbeiten.»

Und was bringt Swisscom-Mitarbeiterin Ursula Darmstädter der wöchentliche Home Office Day? In erster Linie einen Zeitgewinn durch die Entlastung vom Pendeln. «Es ist sehr effektiv, wenn ich an einem Tag in der Woche zu Hause ungestört arbeiten kann und Zeit habe, auch einmal über ein Problem vertieft nachzudenken», sagt sie. Trotzdem möchte Darmstädter nicht immer zu Hause arbeiten müssen. «Ich würde den Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen verlieren. Über vieles, auch Informelles, wäre ich nicht mehr informiert.»

Auch ihr Arbeitgeber ist zufrieden, der Output der zu Hause tätigen Mitarbeitenden ist sichtbar. Wenn Ursula Darmstädter heute Abend mit ihrem Konzeptentwurf fertig ist, wird sie das Dokument ihrem Chef mailen im Wissen, dass es am Montag besprochen wird. Sie ist froh, dass sie nicht mehr den weiten Weg nach Hause fahren muss. Wenn sie ihr Notebook ausschaltet, ist sie im Wochenende.