Veröffentlicht am 22.01.2013TEXT: Linda OsterwalderFOTO: Simone Gloor

Angesichts des Fachkräftemangels sind starke Bindungen gefragt.

Mitarbeiterbindung gewinnt an Bedeutung

lo. Was tun Unternehmen, wenn die Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt immer schwerer zu finden sind? Sie versuchen, ihre Mitarbeitenden an sich zu binden. Welche Faktoren für welche Generationen wichtig sind, ist Thema des Hays-Reports 2012.

Die Bindung von Mitarbeitenden ist nach der Förderung der Unternehmenskultur zum wichtigsten HR-Thema aufgestiegen. Dies zeigt der HR-Report 2012/2013, den das Personal­dienstleistungs­unternehmen Hays jährlich publiziert.

Dazu hat Hays letztes Jahr 714 Führungsverantwortliche in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den wichtigsten HR-Handlungsfeldern und den Auswirkungen gesellschaftlicher Trends auf ihre Organisation befragen lassen. Durchgeführt hat die Studie das Ludwigshafener Institut für Beschäftigung und Employability.

Warum ist die Mitarbeiterbindung in der Rangliste so weit oben anzutreffen? «Der Fachkräfte-Engpass nimmt auch in der Schweiz immer dramatischere Ausmasse an. Wenn etwas knapp wird, gewinnt es an Bedeutung; in diesem Fall sind es die Mitarbeiter», sagt Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE und Co-Autorin der Studie.

Mit jedem Mitarbeitenden, der das Unternehmen verlässt, gehe Wissen über die immer komplexeren Arbeitsabläufe verloren. «Es kostet viel, neue Mitarbeiter aufzubauen. Doch schwerer wiegt, dass der Personalmarkt immer trockener wird», so Rump.

Unternehmen bieten noch nicht, was sie für sinnvoll halten

Um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten, halten die befragten Entscheider laut der Studie ein gutes Betriebsklima, eine marktgerechte Entlöhnung und die Reputation des Arbeitgebers für die wichtigsten Faktoren. Besonders an Bedeutung gewonnen hat gegenüber der letzten Umfrage das Thema Work-Life Balance; 58 Prozent der Antwortenden messen ihr eine grosse Bedeutung bei gegenüber 40 Prozent im Vorjahr.

Die Rangliste der Instrumente, von denen die Unternehmen glauben, dass sie Mitarbeitende damit langfristig an sich binden können, wird angeführt von flexiblen Arbeitszeitmodelle. Sie stehen noch über den Karriereperspektiven und einer gesicherten Altersvorsorge. Die Rangliste der tatsächlich eingesetzten Massnahmen sieht anders aus: Sie wird angeführt von der betrieblichen Altersvorsorge, gefolgt von marktgerechter Entlöhnung und einem guten Betriebsklima. Flexible Arbeitszeitmodelle folgen auf Rang 4.

Junge suchen Karrieremöglichkeiten, Ältere Sicherheit und ein gutes Betriebsklima

«Die Bindung der jüngeren Mitarbeitenden funktioniert am besten, wenn das Gehalt stimmt, die Marke interessant ist, die Perspektiven und Karrieremöglichkeiten gegeben sind und genügend Zeit für Freizeit und Sport zur Verfügung stehen», fasst Frank Schabel, Marketing- und Kommunikationschef von Hays Deutschland, zusammen. Viele junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchten ihren Berufseinstieg in grossen Unternehmen, um die Weiterbildungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Nach etwa sieben Jahren wechselten sie in kleinere Unternehmen, um dort eine Kaderposition einzunehmen. Bei der älteren Generation spielten hingegen Sicherheit, Betriebsklima, Entlöhnung und Altersvorsorge eine wichtige Rolle.

Bei der Auswertung der Fragebogen wurde auch darauf geachtet, wer sie beantwortet hat. Laut Studienleiterin Jutta Rump wurden sie zu rund einem Drittel von Geschäftsführern oder Unternehmern, zu einem Drittel von Personalverantwortlichen oder Linienvorgesetzten mit Führungsverantwortung und einem Drittel von Fachmitarbeitenden ohne Führungsverantwortung ausgefüllt.

Auf die Frage, ob die Unternehmen den Wertvorstellungen der Mitarbeitenden Rechnung tragen würden, sagt Jutta Rump: «Wir haben festgestellt, dass die Geschäftsführer und Unternehmer die Fragen zur Umsetzung zu positiv beantwortet haben, während die HR-Mitarbeitenden und die führenden Fachkräfte realistische Aussagen zur Umsetzung einzelner Wunschfaktoren machten.

Kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die am häufigsten benutzten Rekrutierungswege sind im deutschsprachigen Raum das Internet, Personalvermittlungsbüros und die Mitarbeiterempfehlung. Die Schweiz rekutiert für Positionen im Gesundheitswesen, bei technischen Profilen und im IT-Bereich grenzüberschreitend nach qualifiziertem Personal, vor allem in Deutschland. Die deutschen Fachkräfte sind sehr gut ausgebildet, haben einen ähnlichen kulturellen Hintergrund, und ihr Lebensmittelpunkt ist geografisch nicht so weit entfernt. Damit können sie weiterhin ihre Familien und Freunde besuchen.

Im Vergleich zu Deutschland messen Schweizer Unternehmen dem Thema Frauenförderung viel weniger Bedeutung bei. Zudem engagieren sich deutsche Unternehmen mehr für die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter und ergreifen angesichts der Alterung der Belegschaft mehr gesundheitsfördernde Massnahmen, um die Beschäftigten langfristig leistungsfähig zu halten.

Die Schweizer Firmen zeichnen sich durch ihre grosse Innovations- und Technologiefreude aus. Die daraus entstehend hohen Kosten versuchen sie durch Prozessentwicklungen für Standardisierung der Arbeitsabläufe, Rationalisierung und Vernetzung aufzufangen. «Kleine Firmen werden immer mehr Probleme haben, sich die nötigen Fachkräfte zu holen, was zur globalen Rekrutierung führt und aufwändige Bürokratie bedeutet», sagt Jutta Rump.

Der Studienautorin zufolge könnte sich die Zukunft der Unternehmen oder einzelner Filialen sogar im Ausland abspielen. «Wenn sie hier und im nahen Ausland keine Mitarbeiter mehr finden, ist es möglich, dass die Firmen ihr Geschäft ins Ausland verlagern, dorthin, wo die Arbeitsmärkte stabil und qualitativ hochwertig sind.»

Hays-Report 2012/2013 
Im Auftrag des Personaldienstleisters Hays hat das Institut für Beschäftigung und Employability (ibe) online eine repräsentative Umfrage unter Firmen im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Von den 5000 befragten Unternehmen haben 714 geantwortet, das enspricht einer Beteiligung von 15 %. 60 % der Antworten kamen aus Deutschland, 25 % aus der Schweiz und 13 % aus Österreich. 45 % der antwortenden Unternehmen sind im Dienstleistungsbereich tätig, 35 % in der Industrie und 15 % im öffentlichen Sektor. 43 % der Antworten kamen aus Grossunternehmen, die restlichen von KMU.