Veröffentlicht am 04.02.2014FOTO UND TEXT: Viera Malach

Caritas-Expertin Marianne Hochuli am Caritas-Forum zum Thema Wohnen in Bern.

Miete frisst Einkommen

Wohnen ist ebenso existenziell wie Arbeit. Die steigenden Wohnkosten belasten zunehmend die unteren Einkommensschichten und führen in die Armut. Darauf macht Caritas Schweiz aufmerksam und fordert eine soziale Wohnpolitik.

In der Schweiz herrscht Wohnungsnot: Derzeit steht weniger als jede hundertste Wohnung leer. Vor allem bezahlbare Wohnungen fehlen, in städtischen Ballungszentren ebenso wie in ländlichen Gebieten. «Die Mietkosten bestimmen in hohem Masse, ob jemand in Armut gerät», konstatiert Caritas-Mitarbeiterin Marianne Hochuli. Sie leitet bei Caritas den Bereich Grundlagen und hat im Sozialalmanach 2014 mit dem Titel «Unter einem Dach» den Wohnungsmarkt in der Schweiz analysiert.

«Wer ein Bruttoeinkommen unter 4500 Franken hat, bezahlt fürs Wohnen weit über 30 Prozent des Einkommens», erläutert Marianne Hochuli. Eine interne Auswertung der Caritas Zürich zeigt, dass 67 Prozent der Klienten und Klientinnen die empfohlene Grenze von rund einem Drittel für die Miete teils massiv überschreiten. Sie sind auf Sozialhilfe angewiesen, um andere Grundbedürfnisse zahlen zu können. Wie Marianne Hochuli ausführt, kommt einer sozialen Wohnpolitik deshalb eine wichtige Rolle zu, weil sie Armut und ihre Folgen wie Ausgrenzung verhindern und bekämpfen kann.

«Working Poor»

Von steigenden Mieten betroffen sind vor allem Frauen, die oft für tiefere Löhne und in Teilzeit arbeiten, sowie die Generation 50+, in der viele Erwerbslose keine Stelle mehr finden. Caritas sieht besonders Alleinerziehende armutsgefährdet: Jede fünfte Einelternfamilien ist bereits arm, jede dritte droht in Armut abzurutschen. Besonders prekär ist die Wohnlage für Flüchtlinge und Sans-Papiers.

Um Wohnraum zu zahlbaren Preisen zu schaffen, fordert Caritas Schweiz eine aktive und sozial nachhaltige Raum- und Wohnpolitik. «Aus unserer Sicht beinhaltet dies verschiedene Massnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden, aber auch das Engagement der Bevölkerung und der Privatwirtschaft», sagt Marianne Hochuli. Die bestehenden Programme des Bundes reichten nicht aus. Dass Bundesrat Johann Schneider-Ammann etwa den gemeinnützigen Wohnungsbau stärken und für Mietende Transparenz über den Vormietzins schaffen wolle, seien nur kleine Schritte auf dem Weg zu «angemessenem Wohnraum für alle». 

«Der Bundesrat setzt auf den Markt. Das knappe Gut ‹Boden› kann jedoch nicht allein dem Markt überlassen werden», betont die Caritas-Expertin. Denn investiert werde vor allem in Wohnraum, der hohe Renditen abwerfe und den sich nur Vermögende leisten könnten.

Keine Patentlösung 

Um dem entgegenzuwirken, hat Caritas Schweiz mehrere Empfehlungen an Bund, Kantone und Gemeinden formuliert. So soll die öffentliche Hand für Zonen mit Quoten für preisgünstigen Wohnungsbau sorgen. Bauland und Baukredite müssten vor allem an Gemeinnützige verkauft oder vergeben werden. Akzeptabler Wohnraum für alle erfordere zudem steuerpolitische Massnahmen und auch Finanztransfers, um Gemeinden mit hohen Sozialhilfequoten zu entlasten. 

Für Caritas steht fest, dass die Schweiz eine Raum- und Wohnpolitik im Sinne der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Zusammenhalts braucht. Das Ziel müsse sein, die Wohn- und Lebensqualität der Benachteiligten zu verbessern.

Offene Debatte

Ansätze einer sozialen Wohnpolitik standen am 24. Januar am Caritas-Forum 2014 zum Thema Wohnen in Bern zur Debatte. Ein gelungenes Beispiel zeigte Ariane Widmer Pham, Architektin und Zuständige für die Umsetzung des Stadt- und Quartierentwicklungsprogramms «Projets urbains» in Lausanne West, das 2011 den Wakkerpreis erhielt. Dank der Partizipation aller Kräfte gelang es hier, zerstückelte Gebiete mehrerer Gemeinden in attraktiven Lebensraum zu verdichten. Rund 200 Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und dem Sozialbereich nahmen am diesjährigen Caritas-Forum im Berner Kulturcasino teil.