Veröffentlicht am 13.10.2008TEXT: Jan Gunz

«Man weiss nie, was passieren kann»

Er ist Rom und Schweizer. Und stolz auf beides. Doch das müssen ja nicht alle wissen.

Nennen wir ihn Keko. Er ist ein freundlicher, lebhafter junger Mann: 26 Jahre alt, südländischer Typ, schwarze Haare, dunkle Augen. Spricht tadellos schweizerdeutsch. Er könnte aus dem Süden Italiens stammen oder aus der Türkei, ein sympathischer Secondo. Keko ist Rom und stammt aus Mazedonien.
Obschon er stolz ist auf seine Herkunft, möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, sein Gesicht nicht der Öffentlichkeit preisgeben. Die Angst ist stärker als der Stolz. «Man weiss nie, was passieren kann. Die Roma waren immer wieder Opfer von rassistischen Übergriffen und sind es leider immer wieder, sogar in der Schweiz. In Ungarn hetzen Rassisten gegen Juden und Roma. Wer weiss, wann es hier losgeht? ­Rassisten gibt es auch hier, und leider immer mehr.» Die Angst bleibt. Er will sich und seine Familie nicht in Gefahr bringen.

Die Lehre als Bester im ganzen Kanton abgeschlossen

Kekos Eltern flüchteten 1992 aus Ex-Jugoslawien, kurz bevor der bosnische Krieg ausbrach. Der Vater entging dank der Flucht der Zwangsrekrutierung. Er wollte nicht auf seine Landsleute schiessen. Keko war 9-jährig. Die ersten Monate und Jahre in der Schweiz verbrachte er mit seinen Eltern und dem jüngeren Bruder in Asylzentren und Notunterkünften auf engstem Raum. «Wir lebten zu viert in einer Baracke, schliefen in Armeebetten. Im Essraum kamen 40 Flüchtlinge aus der ganzen Welt zusammen.»
Später, als der Vater endlich eine Arbeitsbewilligung erhalten hatte, konnte die ­Familie als vorläufig Aufgenommene in der Agglomeration von Zürich eine Wohnung beziehen. Keko besuchte dort die obligatorischen Schulen. Im 10. Schuljahr entdeckte er beim Schnuppern seinen Beruf: Koch.
Der Lehrmeister war sofort überzeugt von ihm. Er setzte sich ein, arbeitete sehr motiviert, lernte schnell. Die Lehre schloss er als Bester im Kanton Zürich ab. Nach einigen Jahren Erfahrung im Beruf nahm er eine Weiter­bildung an einer Hotelfachschule in Angriff. Ende Jahr wird er das Diplom erhalten. Schon jetzt sucht er sich eine Stelle im Hotelfach.

Mehrsprachigkeit als Merkmal eines Volks ohne eigenen Staat

«Wir alle sind Menschen, egal welcher Natio­nalität. Meine Chefin ist Französin, meine Kollegen sind Italiener, Türken, Schweizer. Die Herkunft ist für mich kein Kriterium. Ich komme mit allen gut aus. Die Schweiz ist meine Heimat geworden, und Rom sein ­heisst für mich, dass ich mich mit meiner Familie, unserer Sprache und Kultur ver­bunden fühle.» Seit kurzem ist Keko Vater eines kleinen Buben. Seine Frau ist eine Romni, er hat sie in den Ferien in Mazedo­nien kennengelernt. Zuvor hatte er eine ­längere Beziehung mit einer Türkin. Seine Eltern hatten nichts dagegen. Mit seiner Frau spricht Keko Romanes, ihr Kind wird die Sprache seiner Eltern lernen. Später dann natürlich auch Deutsch, Schweizerdeutsch. «Die Roma sind sich gewohnt, ­mehrere Sprachen zu sprechen. Die meisten sind mindestens zweisprachig aufgewachsen, mit Romanes und der Sprache ihrer ­Umgebung.»
Seit 2003 hat Keko einen Schweizer Pass. Er profitierte von der erleichterten Einbürgerung für die Kinder von Migranten, die in der Schweiz die Schulen besucht haben. «Ich bin stolzer Schweizer mit Roma-Wurzeln.»
Über bettelnde oder kriminelle Roma ­ärgert sich Keko. «Sie schaden dem Ruf aller Roma. Hinter den bettelnden Roma steckt eine Mafia. Kriminelle, selbst keine Roma, welche die Romakinder für ihre Zwecke ins­trumentalisieren. Sie versprechen den Bettlern lukrative Geschäfte, belügen sie und versprechen verlockende 50:50-Gewinn­beteiligung. Leider fallen immer wieder arme Roma auf solche kriminelle Banden herein, geraten in Abhängigkeit und kommen nicht mehr davon los.»