Veröffentlicht am 02.04.2014FOTO UND TEXT: Joël Frei

Drei der am Treffen Beteiligten informieren. Von links: Bundesrat Johann Schneider-Ammann, EDK-Präsident Christoph Eymann und SGB-Präsident Paul Rechsteiner.

Lebenslanges Lernen fördern

Bundesrat Johann Schneider-Ammann informierte über die vier Schwerpunkte der zukünftigen Berufsbildungspolitik. Nachholbedarf sieht er insbesondere beim Berufsabschluss für Erwachsene: 14 Prozent der 25- bis 65-Jährigen können keinen nachobligatorischen Abschluss vorweisen.

Vor zehn Jahren wurde das Berufsbildungsgesetz in Kraft gesetzt. Dieses regelt grundsätzlich alle nicht-akademischen Berufe. Um Rückblick und Ausschau zu halten, lud Bundesrat Johann Schneider-Ammann Sozialpartner, Bildungspraktiker sowie Akteure aus Politik und Wirtschaft zu einem ersten nationalen Spitzentreffen ein. 

An einer gemeinsamen Medienkonferenz informierte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zusammen mit Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands (SGV), sowie Paul Rechsteiner, Präsident des Gewerkschaftsbundes (SGB), über die Resultate des Spitzentreffens. 

Bundesrat Johann Schneider-Ammann strich heraus, dass das duale Berufsbildungsmodell ein Erfolg sei: «Das System funktioniert, die Berufsbildung ist ein wichtiger Pfeiler unserer Volkswirtschaft». Dennoch gebe es einige Lücken zu schliessen. Die Beteiligten definierten vier Handlungsschwerpunkte, wo Verbesserung angestrebt werden: Berufsabschluss für Erwachsene, Höhere Berufsbildung, Berufsmaturität sowie Laufbahnberatung. 

Nachholen der Lehre vereinfachen 

Erstens: Berufsabschluss für Erwachsene. Bei den 25- bis 65-Jährigen haben 14 Prozent keinen nachobligatorischen Abschluss. Betroffen sind insbesondere eingewanderte Berufsleute, deren Abschluss in der Schweiz nicht anerkannt ist. Um mehr Fachkräfte im Inland zu gewinnen und diese weiterzubilden, bestehe Nachholbedarf bei der Flexibilität der Berufslehre. «Erwünscht ist eine flexible Laufbahngestaltung mit Möglichkeiten zu Familienpausen und Wiedereinstieg», sagte Johann Schneider-Ammann. Diesem Vorhaben pflichtete auch SGB-Präsident Paul Rechsteiner bei: «Für Leute, die den Zug in der Jugend verpasst haben, braucht es eine zweite Chance.» 

Zweitens: höhere Berufsbildung. Unter diesem neuen Begriff wurden im Berufsbildungsgesetz die eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen sowie die höheren Fachschulen definiert. Die Beteiligten beschlossen, das Image der höheren Berufsbildung national und international aufzuwerten. Dazu unterbreitet das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) dem Bundesrat im August 2014 ein Massnahmenpaket, das Lösungen zur Finanzierung, Positionierung und Vermarktung der Angebote der höheren Berufsbildung vorsieht. SGV-Präsident Hans-Ulrich Bigler zeigte sich erfreut, dass ein Konsens über die Finanzierung der höheren Berufsbildung zustande kam. Genaueres wollten die Sozialpartner aber nicht bekannt geben. 

Drittens: Berufsmaturität und der Zugang zu den Fachhochschulen. Neben der höheren Berufsbildung gewährleistet die Berufsmaturität die Durchlässigkeit zwischen Bildungsangeboten und -stufen. Das Berufsbildungsgesetz wird vom Prinzip «kein Abschluss ohne Anschluss» geleitet. Doch habe sich die Berufsmaturitätsquote «in den letzten Jahren etwas abgeschwächt», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Um ein «Revival» der Berufsmaturität herbeizuführen, werden die Berufsverbände angehalten, neue Bildungsgänge auszuarbeiten. 

Viertens: Laufbahnberatung. Die Diskussionspartner möchten, dass die kantonalen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatungen künftig zielgruppenspezifischer informieren. Dies erleichtert den Jugendlichen und Erwachsenen den Übergang in die nachobligatorische Bildung. 

Matura «überbewertet» 

Hans-Ulrich Bigler bezeichnete die duale Berufsbildung als Hauptgrund für die tiefe Arbeitslosigkeit hierzulande im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Damit dies so bleibt, dürfe die Matura die Berufsbildung nicht zurückdrängen: «Die Maturaquote muss stabil bleiben, damit das Bildungssystem insgesamt keinen Qualitätseinbruch erleidet», forderte der SGV-Präsident. Die Maturität berge die Gefahr, überbewertet zu werden. 

Auch für den Präsidenten der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, Christoph Eymann, ist das Berufsbildungsgesetz eine Erfolgsgeschichte. Das Gesetz vereinheitlichte 2004 erstmals sämtliche Berufe ausserhalb der Hochschulen gesamtschweizerisch, was die Vergleichbarkeit gewährleistete. «Wir wollen uns aber nicht selbstgefällig zurücklehnen», versicherte Christoph Eymann. Er habe Wünsche und Forderungen an die kantonalen Schulsysteme entgegengenommen. Dass am Spitzentreffen solch gute Resultate erzielt wurden, sei aufgrund der vielen verschiedenen Partnern in der Berufsbildung nicht selbstverständlich. Dank der klaren Linie des Bundes seien diese aber möglich geworden.

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