Veröffentlicht am 27.10.2008TEXT: Rémy Limpach

Kleine Zeitung, grosser Auftritt

Das Online-Angebot der «Jungfrau Zeitung» muss sich nicht vor jenem anderer Schweizer Zeitungen verstecken, auch nicht der überregionalen – im Gegenteil. Andere Lokalzeitungen treten im Internet zögerlicher auf.

Auf www.jungfrau-zeitung.ch stehen Interessierten zahlreiche selbst produzierte aktuelle Meldungen, Dossiers, Kommentare, Anzeigen, Archive, Leserbriefe, Fotos und auch Web-TV zur Verfügung. Sogar bis ins Jahr 2000 zurückverfolgbare Todesanzeigen mitsamt Lebensläufen bietet die Mikrozeitung an. Für Touristen und andere Fremdsprachige ist auch eine inhaltlich reduzierte englischsprachige Version der «Jungfrau Zeitung» abrufbar - ein Angebot, das rege genutzt wird. Nach zeitungseigenen Angaben verzeichnet die Homepage weltweit rund 350 000 Seitenabrufe von 40 000 Einzelnutzern pro Monat. Eingesandte Leserbriefe aus nah und fern, beispielsweise aus Dübendorf oder Kanada, bestätigen dies.
Die Mikrozeitung aus dem Berner Oberland verfolgt konsequent eine «Web first»-Strategie, wonach die selbst produzierten Inhalte sofort ins Netz gestellt werden, wo sie für jedermann frei zugänglich sind. Bei Fussball- und Eishockeyspielen machen die Redaktoren die Artikel teilweise bereits eine Stunde nach Spielschluss im Internet zugänglich. «Der Matchbesucher trinkt noch ein Bier, geht nach Hause - und schon kann er unseren Bericht online lesen», erklären die beiden Redaktionschefs Beat Kohler und Samuel Günter. Die Papierausgabe der «Jungfrau Zeitung», die am Dienstag und Freitag erscheint, bietet jeweils eine gedruckte ­Version der zuvor bereits im Internet publizierten Artikel, das so genannte Print-out.

Das lokale Gewerbe schaltet kaum Werbung im Internet

Für die «Andelfinger Zeitung» kommt diese Strategie noch nicht in Frage. «Das wäre in unserem Fall ein konzeptioneller Fehler», urteilt Redaktionsleiter Daniel Thüler. «Wir wollen unsere Eigenleistungen nicht kostenlos zur Verfügung stellen, weil wir uns so das Wasser selbst abgraben würden.» Lieber will das Blatt junge Leser durch vermehrte ­Vereins- und Schulberichterstattung ansprechen. Ins gleiche Horn stösst Josef Zihlmann im Namen des «Willisauer Boten»: «Unsere Netzpräsenz ist marginal. Wir wollen sie zwar mittelfristig ausbauen und unser Internetangebot attraktiver gestalten, aber der Weg dahin ist noch unklar. Das lokale Gewerbe schaltet leider noch kaum Werbung im Internet.»
Für die «Jungfrau Zeitung» geht die Internetgewichtung jedoch auf, auch wenn die Einnahmen der Bannerwerbung noch Steigerungspotenzial aufweisen. Die Einkünfte aus der gedruckten Ausgabe und das ausgeklügelte, selbst entwickelte Betriebssystem erlauben der «Jungfrau Zeitung» ihren beachtlichen Internetauftritt. Eine spezielle Onlineredaktion führt die Mikrozeitung nicht, was, wie die ausgelagerte Druckerei, Kosten spart. Im Netz müsse man die Informationen gratis anbieten, denn die Leute seien generell kaum bereit, für Informationen im Internet zu zahlen, sagen Beat Kohler und Samuel Günter. «Wir sind der Zeit noch voraus. Die Internet­werbung wird jedoch als Einnahmequelle immer mehr zulegen. Unsere Zeitung ist konzeptionell gut aufgestellt und für die Zukunft gewappnet.» Das Argument des eigenen «Wasserabgrabens» durch frei zugängliche Informationen im Internet lassen die beiden Chefredaktoren nicht gelten: «Es gibt viele Leute, vor allem ältere, die lieber eine Papierausgabe in den Händen halten. Unsere Internetplattform und unsere gedruckte Ausgabe ergänzen sich ideal.»