Veröffentlicht am 30.01.2014TEXT: Vanessa KuhnFOTO: Vanessa Kuhn

Sandra Albisser gründete 2010 eine Social-Media-Agentur.

Jobsuche und Social Media

Viele Stellensuchende finden ihre Stelle über das persönliche Netzwerk. Gilt dies auch für die Kontakte auf den Social-Media-Plattformen? Sandra Albisser, Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur SocialCom in Luzern, beschäftigt sich mit dieser und anderen Fragen professionell.

Sandra Albisser, die sozialen Medien sind ein optimales Umfeld, um das Netzwerk zu pflegen. Gilt das auch bei der Arbeitssuche?

Auf jeden Fall. Was im Offline-Leben funktioniert, funktioniert auch online. Fast 40 Prozent der Neubesetzungen finden sich über das persönliche Netzwerk und nicht über die klassische Anzeige und Ausschreibung. Stellensuchende, die sich über Social Media vernetzen, sind im Vorteil. Oft finden sie dort eine Stelle, die sie auf klassischem Weg gar nicht gesehen hätten. Jobanzeigen sind Posts oder Tweets, die gerne geteilt werden. Vorausgesetzt die Person, die den Job sieht, findet ihn spannend.

Immer weniger lässt sich in den sozialen Medien die Grenze zwischen privat und beruflich ziehen. Sehen Sie das als eine Chance oder eine Gefahr?

Ich sehe vor allem die Chance. Damit die Präsenz in den sozialen Medien nicht zur Gefahr wird, muss die Person, die auf Stellensuche ist, wissen, wie sie damit umgehen muss. Jeder sollte sich zweimal überlegen, wie er oder sie sich im Netz präsentieren will – und wie er die Privatsphäreneinstellungen richtig nutzt. Auf der anderen Seite kann so jeder konkret in den Netzwerken suchen, die für seine beziehungsweise ihre Stellensuche interessant sind. Bei Stellensuchenden, die noch in einem Anstellungsverhältnis sind, ist Vorsicht geboten. Besonders wenn er oder sie plötzlich Stellenportale «liked» und auf Xing aktiv ist. Das sehen andere und kann unangenehme Fragen nach sich ziehen. 

Haben Sie Tipps, wie Stellensuchende ihre Privatsphäre besser schützen können?

Auf Facebook zum Beispiel kann der Stellensuchende diese sehr präzise einstellen und selber bestimmen, wer was sehen darf. Twitter hingegen ist öffentlich. Dort sollte sich jeder bewusst sein, was er oder sie schreiben will. Ich empfehle auch, dass sich jeder ab und zu selber in Suchmaschinen sucht und schaut, welche Resultate erscheinen. Was im Netz gefunden wird, sollte so authentisch wie möglich sein. Und obwohl auch Partybilder durchaus authentisch sind, sollte gerade mit diesen vorsichtig umgegangen werden. 

Wie korrigiert ein User einen Faux-pas auf den Social-Media-Plattformen?

Das Internet vergisst nie. Natürlich kann jeder User seine Posts auf Facebook oder Tweets bei Twitter wieder löschen. Meistens ist dies jedoch zu spät, der Inhalt wurde schon gesehen und in den Tiefen des Internets irgendwo auf einer Datenbank gespeichert. Meiner Meinung nach ist das Löschen nicht der richtige Weg. Der User von Social-Media-Plattformen überlegt besser vorher, was er wie sagen möchte. 

Welche Vorteile haben Firmen, wenn sie soziale Medien für die Jobausschreibung nutzen?

Für Firmen sind Social Media durchaus eine Chance. Eine Stellenausschreibung wird in kürzerer Zeit sehr viel weiter verbreitet. Die Firmen suchen direkt in ihrem Netzwerk und kommen so an Kandidaten, die ihnen wohlgesinnt sind. 

Gibt es noch andere Vorteile?

Arbeitgeber informieren sich über zukünftige Kandidaten auch über Suchmaschinen wie Google. Dadurch sehen sie unter Umständen die private Seite eines Kandidaten. Wo ist eine Person präsent? Wie gibt sie sich im Web? Ist diese Art mit der Firmenkultur vereinbar? Alle diese Fragen beantworten die Spuren im Netz. Bei mir leuchten zum Beispiel alle Alarmglocken, wenn ich über eine Person online gar nichts finde – gerade in der Kommunikation oder im Journalismus. 

Sind gewisse Kanäle besser geeignet für die Stellensuche als andere?

Es gibt die typischen Business-Netzwerke wie Xing und LinkedIn, die Businessthemen behandeln. Die sind sicher gut geeignet. Facebook und Twitter sind eher private Kanäle, doch dort läuft sehr viel in der Jobsuche. Gerade auf Twitter suchen Arbeitgeber mit Hashtags #Jobs oder #Kaderstellen gezielt Mitarbeitende. Stellensuchende sollten einerseits schauen, wo über das soziale Netzwerk Stellen ausgeschrieben sind. Andererseits sollten sie einen Kanal wählen, der für sie auch stimmt. 

Von allen sozialen Medien ist Facebook am meisten verbreitet. Was würden Sie empfehlen, wenn ein User eine Freundesanfrage vom Chef bekommt?

Das ist eine Grundsatzfrage: Facebook ist eine private und persönliche Plattform. Jeder muss für sich selber entscheiden, ob er diese rein privat oder auch geschäftlich nutzen will. Wer Facebook nur privat nützt, soll dies konsequent durchziehen und kann eine Absage gegenüber Vorgesetzen oder einer Arbeitskollegin oder einem Arbeitskollegen begründen. Auf jeden Fall würde ich darauf eingehen und die Freundschaftsanfrage nicht einfach ignorieren. Gerade auf Facebook gibt es die Möglichkeit, Kategorien zu erstellen. Jeder User kann spezifisch entscheiden, welchen Inhalt er mit welcher Freundeskategorie teilt. Das ist etwas aufwendig, aber eine sinnvolle Option. 

Denken Sie, dass sich die sozialen Medien in der Jobsuche bewähren?

Persönlich glaube ich, dass das Netzwerk offline, das heisst die Beziehung zu Freunden und Bekannten im realen Leben, wie auch online – in der virtuellen Welt ­­– immer wichtiger wird. Firmen teilen spannende Jobs in ihren eigenen Netzwerken. Dort funktionieren die Mechanismen sehr gut und die Reichweiten, die sie erzielen, sind hoch. Ich glaube, dass in der Schweiz das Potenzial der Jobsuche auf den Social-Media-Kanälen sehr verhalten genutzt wird. Jobsuche in den sozialen Medien ist ein Thema, aber in der Schweiz wird (noch) nicht die grosse Masse der Jobs auf diesen Plattformen gefunden. 

Wie verwenden Sie als Social-Media-Profi die Netzwerke?

Ich unterscheide sehr stark zwischen beruflich und privat. Beruflich sind wir unter unserem Firmennamen auf diversen Social-Media-Plattformen präsent. Wir sind sehr aktiv und haben grosse Communities aufgebaut. Indem wir regelmässig Inhalte teilen, verfolgen wir das Ziel, unser Netzwerk zu vergrössern. Die einzelnen Kanäle sind wichtige Marketingtools.

Wie sieht es privat aus?

Privat bin ich auch aktiv, aber ich entscheide ganz strikt, was ich über mich preisgebe. Meine Privatsphäre ist mir wichtig. Momentan bin ich am aktivsten auf Instagram, eine Plattform, auf der Fotos geteilt werden. Die Entscheidung, dass ich mich privat zurückhalte, war strategisch. Ich bin eher die Beobachterin. Hinzu kommt, dass ich den ganzen Tag mit den sozialen Medien zu tun habe und den Abend gerne in der realen Welt verbringe. Für mich sind die Kanäle ein Arbeitsinstrument. Auf der anderen Seite probiere ich neue Kanäle immer zuerst privat aus, um sie kennenzulernen. Das ist dann sozusagen meine «Déformation professionelle».

SocialCom ist eine Social-Media-Agentur in Luzern mit vier Mitarbeitenden. Sie wurde 2010 von der Inhaberin Sandra Albisser, 35, gegründet. Durch eine gezielte Strategie unterstützt die Firma diverse Unternehmen, die sich im Social Web positionieren wollen. Zu ihrem Portfolio gehören grosse Firmen wie The Body Shop, das KKL Luzern oder SBB RailAway, aber auch kleinere Firmen wie die Bergkäserei Marbach oder das Tropenhaus Wolhusen. Die Firma ist auf folgenden Plattformen vertreten: Facebook, Twitter, YouTube, Pinterest, Instagram, Vine, Mobli, Google+. Zudem führen sie auf der Webseite einen eigenen Blog.