Veröffentlicht am 08.08.2013FOTO UND TEXT: Mario Walser

Für Oliver Scotoni ist Radio machen das Grösste.

Fünf Freunde erfinden das Radio neu

Seit dem 19. Juli und noch bis zum 17. August läuft die 13. Auflage des temporären Radioprojektes «rundfunk.fm» in Zürich. Ein Spektakel dieser Grössenordnung auf die Beine zu stellen, erfordert nebst viel Herzblut auch umfassende Managementkompetenzen und eine gehörige Portion Teamgeist.

Manchmal möchte Oliver Scotoni den Bettel einfach hinschmeissen. Der Initiator und Gesamtverantwortliche des mittlerweile national bekannten Radioprojektes «rundfunk.fm» relativiert jedoch: «In den Jahren, in denen wir das Projekt nun realisieren, taucht dieser Moment immer in der dritten Woche auf. Die sechzehnstündigen Arbeitstage zehren an unserer Substanz und wir wissen, dass wir noch fast zwei Wochen vor uns haben.» Ist diese Talsohle aber durchschritten, stellt sich schon die Vorfreude auf die letzte Woche des Happenings ein, und die Rundfunkmacher können die Stimmung wieder geniessen. Spätestens mit Anbruch dieser letzten Woche wird die Stimmung sentimental.

Passion motiviert

Seit nunmehr 13 Jahren betreiben Impressario Scotoni und seine langjährigen Mitstreiter und Freunde Roger Link, Mischa Dieterich, Thomas Maurer und Marc Blickensdorfer einen immensen Aufwand, damit sie ihre Passion, die inzwischen auch zur Mission wurde, leben können: Qualitativ hochwertige Musik in gemütlichem Rahmen mit lieben Menschen, im Sinne eines Happenings, geniessen zu können.

Entstanden aus der Aktionskunst der 1960er Jahre ist ein Happening, ein improvisiertes Ereignis, eine Kunstform bei der die direkte, spontane, immer wieder überraschende Interaktion mit dem Publikum die Basis ist.

Damit sich die bis zu 3000 Besucher pro Tag an der Europaallee in Zürich und die täglich rund 60 000 Radiohörerinnen und -hörer vom Rhythmus unbeschwert treiben lassen können, ist viel Vorarbeit nötig: «Während die aktuelle Ausgabe noch läuft, arbeiten wir schon für das nächste Jahr», erläutert Scotoni, der auf langjährige Erfahrung im Bereich des Eventmanagements zurückgreifen kann. Der ehemalige KV-Absolvent, Werber, Kunsthändler und Partyorganisator weiss um die Bedeutung eines guten, sich gegenseitig ergänzenden Teams: «Eine Einzelperson hat gar keine Chance, ein so grosses Projekt zum Erfolg zu bringen.»  

Ohne Fleiss kein Preis

«Erfolg besteht aus 99 Prozent Transpiration und einem Prozent Inspiration.» – Dieser Leitspruch des Erfinders Thomas Alva Edison behält auch für die Radiomacher seine Gültigkeit. «Der kreative Prozess spielt während der Planungsphase eine sekundäre Rolle. Eine wunderbare Idee ist schön und gut, aber sie muss realisierbar sein», sagt Scotoni. «Radiofrequenz und Standort bilden die Grundpfeiler unseres Schaffens, ohne diese kommt keine nächste Ausgabe zustande.»

Trotzdem ist bei neuen Projekten Mut, Innovationsgeist, Geduld und manchmal auch der Griff in den eigenen Geldbeutel gefragt. «Ich entwickle Projekte teilweise über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren, bis die Phase erreicht ist, in der ich sie auch umsetzen kann.»

Potenzielle Partner wollen Substanz sehen

Die Radiomacher leiten jeweils im Herbst die Finanzierung ihres nächsten Sommerprojektes in die Wege. Sie können mittlerweile mit Fug und Recht behaupten, dass sich «rundfunk.fm» mit den Jahren etabliert hat. Das erleichtert den fünf Freunden die Planung von Teilprojekten und neuen Ideen. Für Geldgeber wichtige Indikatoren wie Reichweite, Hörerzahl und Besucherfrequenz belegen ihren Erfolg schwarz auf weiss.

Die Zürcher Radiounternehmer bieten interessierten Kooperationspartnern möglichst individuell zugeschnittene Möglichkeiten an, bei ihrem Projekt mitzuwirken; durch Jingles, der Integration auf der Webseite, den sozialen Medien, auf Plakaten und Flyern, oder durch die Präsenz auf dem 6000 Quadratmeter grossen Festivalgelände. Zusätzliche Anreize für Investoren bieten dieses Jahr auch das Open Air Kino «Cinema Unlimited» und das begehbare Kunstmagazin «Brush», die das Projekt komplettieren.

Kreation braucht auch Rekreation

Neue Dinge zu entwickeln, das ist die Triebfeder im Leben von Oliver Scotoni, dem Ideenmenschen und Eventmanager. Dafür braucht er Zeit. Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb Scotoni das Projekt nicht während 365 Tagen im Jahr durchführen möchte: «Wir alle haben in unserem Leben noch anderes vor, und ich glaube auch nicht, dass wir unser Projekt mit der Qualität und Energie, die wir uns wünschen, über einen so langen Zeitraum durchführen könnten. Zudem haben alle, sowohl wir Macher als auch die musikalisch Mitwirkenden, die Zuhörer und Besucher etwas, worauf wir uns freuen können. Dadurch entsteht unter anderem der ganz spezielle Geist unseres Projektes.»