Veröffentlicht am 17.12.2014FOTO UND TEXT: Jana Stoller

Roman Glanzmann, Zugbegleiter der Jungfraubahn, vor der Rückfahrt vom Jungfraujoch zur kleinen Scheidegg.

«Ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag»

365 Tage im Jahr fährt die Jungfraubahn aufs Jungfraujoch. Für ihre Mitarbeitenden gelten die Feiertage – wie für viele Angestellte im Tourismus und der Gastronomie – als normale Arbeitstage. Schliesslich möchten insbesondere Touristen aus dem asiatischen Raum auch dann aufs Joch.

Stürmisch empfängt die kleine Scheidegg ihre Besucher, die die Wengernalpbahn verlassen. Der Wind weht kalt und erbarmungslos. Schutz bietet der Zug, der bereitsteht, um die zahlreichen Touristen aus der ganzen Welt auf das Jungfraujoch zu befördern.

Die Fahrt in Bildern
Mit der Bahn aufs Joch
Roman Glanzmann, Zugbegleiter der Jungfraubahn, wartet auf die Passagiere. Mit der Zahnradbahn werden sie die Berge Eiger und Mönch durchqueren, um schliesslich auf dem höchstgelegenen Bahnhof Europas auf 3454 Meter über Meer anzukommen.

Bevor Roman Glanzmann die Reisenden im Zug begrüssen kann, sorgt der Sturm für eine verzögerte Abfahrt. Arbeiter müssen die Gleise mit Hilfe von Räumungsfahrzeugen vom Schnee befreien. «Heute ist alles etwas garstig», sagt Roman Glanzmann. Doch Pünktlichkeit sei wichtig. Viele Urlauber müssen nach ihrem Ausflug auf das Jungfraujoch die Anschlüsse in Richtung Interlaken und von da aus in die ganze Welt erreichen.

Als die Bahn mit nur wenigen Minuten Verspätung losfährt, sind die Besucher im Innern der Zugwaggons still. Roman Glanzmann beginnt mit der Billettkontrolle im vorderen Wagen. Trotz des ständigen Zeitdrucks beantwortet er gelassen alle Fragen auf Deutsch und Englisch. Neben der Billetkontrolle kommt auch die eine oder andere Plauderei nicht zu kurz. Oft sei die Kommunikation mit den ausländischen Gästen aber schwierig. Vor allem die Asiaten beherrschten vielfach nur schlechtes bis gar kein Englisch. «Sie schauen mich an und sagen meistens nur Yes», so der Zugbegleiter. In solchen Situationen sei Improvisation gefordert.

Blick durch die Eigernordwand

Von der neun Kilometer langen, rund 50-minütigen Fahrt führen sieben Kilometer durch einen Tunnel. Darin hält der Zug zweimal. Bei den Stationen Eigerwand und Eismeer steigen die Reisenden blitzschnell aus, um durch die Aussichtsfenster Erinnerungsfotos zu machen und die Weite der stürmischen Bergwelt zu bewundern. Ein anwesender Reiseleiter beschreibt mit viel Begeisterung und Einsatz die Entstehung des Pionierwerks Jungfraubahn vor über hundert Jahren.

Damit die Bahn wieder rechtzeitig abfahren kann, muss Roman Glanzmann die Touristen aus dem Staunen zurückholen und auf ihre Plätze bitten. Während den letzten zehn Minuten der Fahrt, in der der Zug 1400 Höhenmeter überwindet, hat er kurz Zeit um durchzuatmen.

Als Zugbegleiter sei er nicht nur Billettkontrolleur sondern auch Tourguide, Tröster, Sanitäter oder das Fundbüro. «In meinem Job ist mir selten langweilig», sagt Roman Glanzmann lächelnd. Kaum auf der Bergstation angekommen, warten bereits die nächsten Passagiere, die wieder auf die kleine Scheidegg zurück müssen.

Interkontinentale Ausrichtung

Die Jungfraubahn fährt 365 Tage im Jahr von der kleinen Scheidegg auf das Jungfraujoch. Somit also auch über die Festtage. Roman Glanzmann wird den ganzen Heiligabend arbeiten. Für ihn sei dieser Tag aber ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. Neben den Europäern besuchen vor allem Chinesen, Südkoreaner, Inder oder Araber, die keine Weihnachten feiern, das Jungfraugebiet.

Auch auf dem Joch läuft der Betrieb über die Festtage wie gewohnt ab, ohne dass die Restaurantbetriebe ein spezielles Weihnachtsprogramm durchführen. Die Mitarbeitenden werden die Räumlichkeiten lediglich etwas schmücken.

Dass sich auf dem Jungfraujoch vieles nach den ausserkontinentalen Gästen richtet, leuchtet ein, sobald der Blick auf die umherwimmelnden asiatischen und indischen Reisegruppen fällt. Bepackt mit Fotoapparaten bestaunen die Touristen mit vielen «Oh» und «Ah» die schneebedeckte Berglandschaft. Als Erinnerung an ihre Reise finden sie ein grosses Angebot an kleinen Souvenirs, Uhren und selbstverständlich Schweizer Schokolade. Das Geschäft mit den Mitbringseln läuft gut. Vor allem Magnete und Schlüsselanhänger sind beliebt.

Natürlich darf auch der fotografische Beweis für die Familien und Freunden zu Hause nicht fehlen. Alle paar Meter erklingt der Satz: «Can you take a picture, please?». Für die kulinarische Verpflegung der internationalen Gästen ist ebenfalls gesorgt. Unter dem grossen Angebot an Restaurants, findet sich beispielsweise das «Bollywood», wo die Köche ihre Gäste mit indischen Spezialitäten verwöhnen.

Neben den vielen Attraktionen auf dem Joch, wie dem Eispalast oder der «Lindt Swiss Chocolat Heaven», befindet sich das eigentliche Highlight in der Aussichtshalle auf 3571 Meter über Meer: Der eindrucksvolle Ausblick auf den Aletschgletscher vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Natürlichkeit.

Ein erlebnisreicher Arbeitstag

Nach dem ereignisreichen Besuch des höchst gelegenen Bahnhof Europas steht die Bahn für die Rückkehr bereit. Roman Glanzmann sorgt geduldig dafür, dass auch die verspäteten Gäste schnell ihren Platz einnehmen und der Zug pünktlich abfahren kann.

Der Beruf des Zugbegleiters bei der Jungfraubahn sei nicht nur anspruchsvoll, sondern verlange auch viel Feingefühl und Diplomatie. «Oft muss ich den Kopf für Dinge hinhalten, für die ich nichts kann», sagt Roman Glanzmann und weist auf die enttäuschten und genervten Reisenden hin, die aufgrund des Sturms heute nicht mehr auf das Jungfraujoch fahren dürfen. Die Sicherheit gehe immer vor. Das verstehen natürlich nicht immer alle. Trotzdem übt Roman Glanzmann seinen Beruf gerne aus. Der Umgang mit den internationalen Passagieren mache viel Freude. An spannenden und lustigen Erlebnissen mangle es in seinem Arbeitsalltag nicht. «Ich könnte ein ganzes Buch über spezielle Erlebnisse mit den Gästen schreiben», sagt Roman Glanzmann.

Im Vergleich zu einem Kondukteur bei den SBB arbeitet der Zugbegleiter der Jungfraubahn fast ausschliesslich mit Menschen, die in den Ferien sind. Bedroht oder angepöbelt werde er nie. Vor allem aber gefällt ihm sein Arbeitsort: «Es ist einfach schön hier», schwärmt der Wengner und zeigt auf das Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau. Für Roman Glanzmann endet der Arbeitstag mit der Reinigung des Zuges. Auch das gehört zum Aufgabenfeld eines Zugbegleiters der Jungfraubahn.