Veröffentlicht am 12.03.2008TEXT: Doris Burkhardt Rohrer

Ausbildung «Mein Kurs steigt!»

HSG-Student Lars Stein verkaufte seinen künftigen Lohn als Privataktie und finanzierte sich so sein Studium. Sein Modell einer «Ich-AG» macht Schule. Heute beschäftigt sich das seit Jahresbeginn operativ geführte Unternehmen «studienaktie.org» bereits mit Expansionsplänen.

Die aus der Not geborene Idee des heute 28-jährigen Saarländer Betriebswirtschafters Lars Stein hört sich im ersten Moment ziemlich schräg an. Er erntete denn zunächst auch ungläubige Blicke, ja Gelächter. Inzwischen ist aber den Kritikern das Lachen vergangen. In Gesprächsforen und Weblogs gilt der deutsche Betriebswirtschafter an der Hochschule St.Gallen (HSG) als «innovativer Schlaumeier». Das hört Lars Stein durchaus gern: «Ich bin für Studierende und Investoren so etwas wie ein Lichtblick.»
Lars Stein hat einen empfindlichen Nerv von Studierenden getroffen: die Studienfinanzierung. Auch Stein musste nach etwa sieben Monaten Studentenleben in St.Gallen erleben, was es bedeutet, plötzlich dicht vor dem finanziellen Abgrund zu stehen. Mit Bundesförderung aus Deutschland konnte der Saarländer Student in der Schweiz nicht rechnen. Und ein Nebenjob war nicht in Sicht. In solchen schwierigen Momenten braucht es zündende Ideen, um der Situation der immer grösser werdenden Löcher im Geldbeutel noch rechtzeitig zu entrinnen. Und Lars Stein kam die Erleuchtung: «Ich erinnerte mich an die Geschichte einer Kunststudentin, die schon während ihres Studiums Bilder an Mäzene und Galeristen verkaufte, die sie erst in Zukunft malen würde.» Doch was sollte Lars Stein als angehender Betriebswirtschafter verkaufen? «Mir fiel nur mein Gehalt als Humankapital ein.»

Die ersten Investoren waren Freunde und Verwandte
Gedacht, getan: Lars Stein verwandelte sich in eine «AG» und verkaufte sich selbst. Er vergab Anteile an seinem Jahreseinkommen, das er ab 2015 verdienen wird. Dafür teilte er den geschätzten Anfangslohn von rund 60000 Franken in 600 Anteile zum Nennwert von je 100 Franken auf. Mit jedem Anteilschein erwarben die Aktionäre damit ein Anrecht auf einen Teil, genauer gesagt 1/600, seines künftigen Einkommens. Das bedeutet nach Steins Berechnungen: «Je mehr ich später einmal verdiene, desto grösser wird der Gewinn für die Aktionäre ausfallen.»
Am Anfang waren die Reaktionen eher zurückhaltend. Dafür hatte Lars Stein aber Verständnis: «Man wartete ab und fragte sich wohl auch, ob daraus auch wirklich etwas wird.» Doch dann fand der HSG-Student sehr schnell Investoren im Freundes- und Verwandtenkreis. Seine Idee machte die Runde. Nach und nach kamen immer mehr Interessenten auf ihn zu. Rund ein Drittel seiner Studienkosten von 100000 Franken hat Lars Stein mit dem Aktienverkauf eingenommen, den Rest beschaffte er sich mit Nebenjobs, Consultingprojekten und Stipendien.
Acht Jahre sind seither vergangen. Inzwischen hat Lars Stein sein Betriebswirtschaftsstudium mit Bravour beendet und schreibt an seiner Doktorarbeit über die «Praktiken unternehmerischer Nachhaltigkeit an der Uni St.Gallen». Seine Idee, auf Humankapital von Studierenden zu setzen, hat er kurzum auch auf sein Promotionsstudium übertragen. Er gab dafür nochmals Anteilscheine aus. Wer einsteigen wollte, musste allerdings schon deutlich mehr bezahlen.
Der im November 2006 vom Team um Lars Stein gegründete Verein «studienaktie.org» soll nun Studierende und Förderer in der Schweiz zusammenbringen. Steins Vision ist es, seine Idee auch einem grösseren Kreis von Studierenden zugänglich zu machen. In der laufenden Pilotphase unterstützen vier Investoren einen Studierenden mit knapp 17000 Franken. Der vom Verein seit Jahresbeginn angestellte und im Direktmarketing und in der Organisationsentwicklung ausgebildete Geschäftsleiter Roger Muffler aus Romanshorn hofft, bis Ende dieses Jahres weitere wohlmeinende Gönner zu gewinnen, die 20 Studierende finanzieren. «Uns geht es primär nicht um die Rendite, sondern darum, neue Bildungsperspektiven zu eröffnen», betont Muffler. «Unser Unternehmen möchte Mentoren für die Studierenden finden, die sie bei ihren Projekten unterstützen.» Der 33-jährige Geschäftsführer denkt dabei auch an Studierende, «die nach dem Studium den Weg in die Selbständigkeit wagen wollen».
Das Unternehmen «studienaktie.org» hat aber noch ganz andere Pläne: «Wir überlegen uns, Lars Steins Modell zur Finanzierung von Studierenden auch nach Deutschland und in andere Länder zu übertragen.» Doch dafür müssen laut Muffler zunächst noch die rechtlichen Hürden geklärt werden.

Start mit Verstoss gegen das schweizerische Bankengesetz
Damit will der Verein ein ähnliches rechtliches Abenteuer vermeiden, wie es HSG-Student Lars Stein mit der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) erlebte: Der pfiffige Student hat an vieles gedacht, aber nicht daran, dass er sich auf seiner Werbetour im Internet für sein Finanzierungsmodell «Studieren auf Aktien» auch auf «fremdem Boden» bewegen könnte. «Als Privatperson darf ich nach Schweizer Bankengesetz nicht für eine Finanzeinlage werben, die einem breiten Publikum offensteht. Die Entgegennahme solcher Anlagen ist nur bewilligten Instituten vorbehalten», weiss Stein heute nach einer Intervention der Eidgenössischen Bankenkommission, die seine Studienfinanzierung unter die Lupe genommen hatte.
EBK-Pressesprecher Tobias Lux bestätigt auf Anfrage den «aufsichtsrechtlichen Sachverhalt», welcher der ursprünglichen Form von Lars Steins Geschäftsmodell zugrunde gelegen habe. «Damit hätte der Initiant des Studienfinanzierungsmodells gegen das schweizerische Bankengesetz verstossen.» Doch Lars Stein, nicht verlegen, hat die Bedenken der Bankenkommission und somit den «Stein des Anstosses» kurzerhand mit der Gründung des gemeinnützigen Vereins «studienaktie.org» aus dem Weg geräumt. Heute arbeiten 14 Studierende ehrenamtlich für das expansionswillige Unternehmen. Dieses finanziert sich zurzeit vor allem über Zuwendungen von Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen. Es bestehen aber bereits Modelle für eine mittel- und langfristige Finanzierung. «In zwei bis drei Jahren möchten wir finanziell auf eigenen Beinen stehen», sagt Geschäftsführer Roger Muffler.