17.09.2015
FOTOS UND TEXT: Hakan Aki

Erster Rennwagen aus dem Jahr 1993.

F1-Rennstall Sauber

Von Hinwil auf die Rennstrecke

Am 20. September findet in Singapur das 13. Rennen der Saison 2015 statt. Kurz vor dem Abflug zum Inselstaat gewährte Betriebsleiter Axel Kruse «dem arbeitsmarkt» einen Einblick hinter die Kulissen von Sauber Motorsport in Hinwil.

Was Maranello für Ferrari ist, ist das schweizerische Hinwil für das Team Sauber Motorsport. Im Industriegebiet des ländlichen Städtchens steht ein hochmodernes Werk, wo die Rennwagen geplant, gebaut, aber auch verbessert werden.

Rennwagen Petronas C20 aus dem Jahr 2001.

In der hellbeleuchteten Empfangshalle sticht der Bolide «Petronas C20» ins Auge. Es ist der Wagen, mit dem das Team 2001 den 4. Platz in der Konstrukteurswertung belegte. Die Konstrukteurswertung ist die Platzierung des Rennteams am Ende eines Formel-1- Rennjahres. Die Fahrer des Jahres 2001 hiessen Nick Heidfeld (12 Punkte) und Kimi Raikkönen (9 Punkte). In einer Vitrine stehen Pokale, die die sportlichen Erfolge zeigen.

Essen auf Rädern

Auf dem Weg zum Windkanal, wo die Aerodynamikspezialisten und Modelldesigner am Werk sind, geht es vorbei an zahlreichen Containern. Für das Rennwochenende wie das in Singapur werden knapp 17 Behälter auf die Reise geschickt. In den Containern befinden sich vom technischen Equipment des Kommandostandes bis hin zur kleinsten Schraube des Rennwagens alle Teile, die benötigt werden.

In solchen Containern befindet sich die Ausrüstung für ein Rennwochenende.

Bei Rennen, die innerhalb Europas stattfinden, transportieren Trucks die Behälter an die jeweiligen Rennstrecken. Bei Rennen in Übersee befördern Flugzeuge die Container ans Ziel. Für ein Rennwochenende, das von Freitag bis Sonntag dauert, verfügt die Crew beispielsweise über sechs Frontflügel und drei Fahrzeugunterbauten für ihre aktuellen Fahrer Marcus Ericsson und Felipe Nasr – für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschieht. Das 60-köpfige Team, bestehend aus Technikern, Marketingmitarbeitern und dem Catering, welches mit «auf Reisen geht», verfügt vor Ort neben eigenen Büros sogar über eine voll funktionsfähige Küche.

Der Windkanal: das «Herzstück» des Unternehmens

Der Windkanal erscheint von aussen als eine einzige Halle mit Glasfassade. Er wurde im Jahr 2004 in Betrieb genommen und gilt als das «Herzstück» des Unternehmens in Hinwil. Der Windkanal ist ein geschlossener Kreislauf. Tatsächlich besteht er aber aus klar abgetrennten Gebäudeelementen: dem Windkanal und einem Trakt mit Arbeitsräumen. Im Windkanal prüfen Aerodynamikspezialisten, wie das Fahrzeug auf Windveränderungen reagiert. Dabei müssen sie herausfinden, wie sich der Rennwagen auf der Strasse verhält und wie er seine Fahreigenschaften verändert. Nebenan kümmern sich Modelldesigner um das Aussehen der Autos.

Kernstück des Windkanals ist die Testsektion. Hier wird das Fahrzeug ohne Fahrer getestet. «Obwohl Versuche mit den Originalrennwagen technisch möglich sind, arbeitet man hier mit 60-Prozent-Modellen», erklärt Betriebsleiter Axel Kruse. Im Windkanal besteht sogar die Möglichkeit, zwei Modelle zu messen. Mit einem Stahlband, der sogenannten «Rolling Road», kann die Geschwindigkeit des Autos auf der Strasse simuliert werden, wobei das Stahlband als Strasse dient. Ein übergrosser Ventilator beschleunigt die Luft bis auf knapp 300 km/h, und das Stahlband rotiert entsprechend mit derselben Geschwindigkeit. Um Seitenwindeinwirkungen auf das Fahrzeug zu simulieren, kann die ganze Plattform, auf der das Modell steht, gedreht werden.   

Querschnitt eines Rennwagens.

Die Entstehung eines Rennboliden 

«Hier in Hinwil können wir von der Planung bis zur Fertigstellung eines Sauber-Formel- 1-Rennwagens sämtliche Schritte selber machen», so Axel Kruse, der Maschinenbau studierte. In Hinwil arbeiten knapp 340 Mitarbeiter an der Fertigstellung eines Rennwagens. «Wenn wir das Fahrzeug für die neue Saison auf die Strecke bringen, beginnt bereits eine kleine Konzeptgruppe damit, sich Gedanken für die übernächste Saison zu machen», so der Betriebsleiter. «Überlegt wird, wo wir technisch im Vergleich zu unserer Konkurrenz stehen und was wir besser machen können.» Der Bau des Fahrzeugs beginnt dann nach der Sommerpause, im August. 

Das Rennwochenende

Der Betriebsleiter schildert den Ablauf eines Rennwochenendes: «Am Donnerstag vor jedem Rennen findet jeweils die technische Abnahme des Fahrzeugs statt. Am Freitag steht dann das erste freie Training auf dem Programm. Die technische Abnahme erfolgt in drei Schritten: Zunächst wird das Fahrzeug mit Hilfe eines Lasers auf die richtigen Masse geprüft. Kontrolliert werden beispielsweise der Radstand, die Position der Flügel und die Abstände von Flügel und Heck. Danach wird der Rennwagen auf eine Hebebühne gehoben. Der internationale Dachverband des Automobilsports prüft den Unterboden des Fahrzeugs. Abschliessend wird das Auto auf die Sicherheit hin begutachtet. Die Abnahme dauert knapp 50 Minuten.  

Am Rennsonntag geht es Sauber in erster Linie um eine gute Platzierung als Team. «Für einen Rennstall im Mittelfeld, so wie wir es sind, ist die Konstrukteursmeisterschaft von grosser Bedeutung. Je höher die Platzierung, desto mehr Geld gibt es vom Veranstalter, der Formula One Management (FOM). Den Betrag können wir in unsere technische Entwicklung stecken», so Axel Kruse. Die FOM gehört zu einer Unternehmensgruppe, die für Werbung und Vermarktung der Formel 1 verantwortlich ist.   

Zukunftsaussichten 

Axel Kruse, der seine Laufbahn als Fahrzeugtechniker 1997 bei BMW begann, weiss, was Sauber zum möglichen Weltmeistertitel fehlt: «Dafür müssten wir wieder Werksteam sein, so wie wir es 2006 schon einmal bei BMW waren. Das würde unserem Team sicherlich einen grossen Aufschwung verleihen.» Ob es für den Titel reichen würde, dass BMW den Motor liefert und Sauber finanziell unter die Arme greift, stehe auf einem anderen Blatt, so der Betriebsleiter, der seit 2010 für das Sauber-Team tätig ist. 

Für das kommende Rennen in Singapur erhofft sich Axel Kruse einen Platz unter den Top 10. Als Saisonziel ist Platz sieben anvisiert. 

 

Sauber Motorsport

Sauber ist ein Schweizer Motorsport-Rennstall mit Sitz im Zürcher Oberland. Das Team wurde 1970 von Peter Sauber gegründet. Zunächst, um Sportwagen zu bauen. Als Typbezeichnung für seinen ersten Wagen wählte Peter Sauber die Bezeichnung C1. Das «C» ist der Anfangsbuchstabe des Vornamens seiner Ehefrau Christiane. Ab 1982 nahm Sauber an der Gruppe-C-Sportwagen-Meisterschaft teil. Sauber ist für seine Nachwuchsarbeit bekannt. Sowohl der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher sowie der Grand-Prix-Sieger Heinz-Harald Frentzen genossen ihre Ausbildung bei Sauber. 

 

Die Trophäensammlung von Sauber Motorsport.