12.10.2015
TEXT: Hakan AkiFOTO: zVg.

Die Kantonspolizei St. Gallen begrüsst 30 Polizeianwärterinnen und -anwärter in ihrem Korps.

Neues Schuljahr

Vom Automatiker zum Polizisten

Sie waren alle in verschiedenen Berufen tätig. Ob als Malerin, Handwerker oder Ingenieur. Bis heute. Denn jetzt beginnt für 30 junge Menschen in St. Gallen ein neuer Lebensabschnitt als Anwärterin oder Anwärter auf den Polizeiberuf. 

Im Hofkeller des Regierungsgebäudes St. Gallen sitzen 12 Frauen und 18 Männer in festlicher Kleidung voller Erwartung auf das, was kommt. Polizeikommandant Bruno Zanga von der Kantonspolizei begrüsst die Berufsanfänger, die in den nächsten zwölf Monaten in der Polizeischule Amriswil auf den «Ernst des Lebens als Polizist» vorbereitet werden.

«Als Kandidaten sind Sie bereits heute ein wichtiger Teil der Polizei. Das werden Sie zu spüren bekommen», mahnt Zanga und deutet auf eine harte Ausbildungszeit hin. Auch müssen die Anwesenden vom heutigen Tag an den Zebrastreifen benutzen, statt schnell über die Strasse zu laufen. «Schliesslich fungieren Sie als Vorbilder und repräsentieren Ihre Stadt.» Jedem sollte klar sein: «Ab heute sind Sie Hüter des Gesetzes.» Es ist totenstill im Hofkeller.

Feierlicher Moment

Plötzlich kommt Leben in den Saal, denn die Waffenübergabe beginnt. Auf einem Tisch stehen 30 schwarze Handkoffer bereit, mit für Polizistinnen und Polizisten lebenswichtigem Inhalt: eine Handfeuerwaffe mit dazugehöriger Munition. 

Die Polizeischüler werden aufgefordert, nach vorne zu treten und sich einzeln mit Namen, Wohnort und erlerntem Beruf vorzustellen. Nach einem «Herzlich willkommen!» übergibt Kommandant Bruno Zanga vor der grünen Fahne der Kantonspolizei St. Gallen den zukünftigen Ordnungshütern die Waffe.

Dem einen oder der anderen ist die Aufregung deutlich anzumerken. Wer bis vor wenigen Minuten den «Coolen» gab, steht nun mit zittriger Stimme ehrfürchtig vor seinem Vorgesetzten. Einer rückt noch die Krawatte zurecht, eine junge Frau pudert sich rasch die Nase. Ein «Jawohl!» hier, ein «Jetzt wird es ernst!» dort sind zu hören, bevor es nach vorne geht.

Die Vorfreude auf den ersten Schultag in Amriswil, bei dem die Schüler statt der Schultasche auf dem Rücken, ihre Dienstwaffe zum ersten Mal am Körper tragen dürfen, ist dennoch zu spüren.

Zweite Laufbahn
Auch Robert Zahner freut sich auf die neue Aufgabe. «Meine Erwartung an die Ausbildung ist, dass ich optimal auf den Aussendienst vorbereitet werde. Ich bin sehr gespannt», sagt der ehemalige Projektleiter. Einen Polizisten in der Familie hat Robert Zahner nicht, wohl aber Kollegen. Polizist zu werden, sei ein Traum gewesen, der sich nun erfüllt habe, erzählt der grossgewachsene Mann. «Nach fünf Jahren wurde mir der Bürojob zu eintönig, und ich suchte nach einer neuen Herausforderung, bei der ich mehr mit Menschen zu tun habe.» Robert Zahner ist sich seiner Verantwortung als angehender Polizist bewusst. «Heute die Waffe überreicht zu bekommen, ist ein Vertrauensbeweis.»

Der gelernte Automatiker ist sich über die Gefahren, denen er ausgesetzt ist, im Klaren – dennoch: «Die Waffe ist mein letztes Mittel, um mich zu verteidigen und zu schützen.» Der 28-Jährige könnte sich vorstellen, später als Autobahnpolizist zu arbeiten. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Der beginnt mit der neunmonatigen Schulzeit an der Polizeischule Amriswil. Danach folgen verschiedene Praktika im Korps in St. Gallen.

Foto: Hakan Aki

«Heute die Waffe überreicht zu bekommen, ist ein Vertrauensbeweis.» 

Robert Zahner, angehender Polizist

Nach der feierlichen Zeremonie stossen die Neulinge auf eine gute Zusammenarbeit an, begleitet von der polizeilichen Musikgruppe. Dann macht sich Robert Zahner auf den Heimweg – die Dienstwaffe darf er mitnehmen. Nun ist er tatsächlich angehender Polizist.  

Der Weg zum Polizisten

Voraussetzungen:

Schweizer Bürger oder Bürgerin mit abgeschlossener Ausbildung oder Matura, einem Führerschein der Kategorie B, einer Mindestgrösse von 172 Zentimetern (Männer) beziehungsweise 160 Zentimetern (Frauen). Ausserdem darf der Anwärter keine Einträge im Strafregister haben und auch keine Betreibung.

Tests:

Wer diese Vorgaben erfüllt, muss sich einem Sport- und einem Intelligenztest unterziehen sowie einer psychologischen Abklärung und Gruppenarbeiten lösen.

Arbeitsvertrag:

Der Polizist und der Kanton, für den er zukünftig im Einsatz ist, schliessen einen provisorischen Arbeitsvertrag ab, der auf ein Jahr befristet ist. Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigung und somit die Aufnahme in den Polizeidienst ist das Bestehen der Abschlussprüfung.

Ausbildung: 

Insgesamt 100 Schüler aus der Ostschweiz werden in der Polizeischule Amriswil, auf vier Schulklassen aufgeteilt, während neun Monaten ausgebildet. Zum Unterricht gehören neben Sport Fächer wie Recht und Sozialkompetenzen. Danach durchlaufen die Schüler ein dreimonatiges Praktikum auf einem Revier. Für diese Zeit steht ihnen ein Berufspolizist als «Götti» zur Seite, der sie durch den polizeilichen Alltag begleitet. 

Investition in die Zukunft:

Der Kanton lässt sich die Ausbildung der späteren Polizisten rund 100 000 Franken pro Person kosten. Der Grossteil der Absolventen bleibt nach Aussage der Kantonspolizei St. Gallen bis zum Rentenalter im Beruf. 

 2014 haben sämtliche 24 Schülerinnen und Schüler, die die Ausbildung absolvierten, bestanden. In den ersten Jahren ihres neuen Berufslebens werden die Polizisten in der Grundversorgung eingesetzt, entweder auf dem Polizeiposten oder als Autobahnpolizisten. Nachher haben sie die Möglichkeit, sich auf einem Gebiet zu spezialisieren.